Dr. Izzeddin Musa
Am Bonner Graben
19 53343 Wachtberg 18.05.2005
Chefredaktion der FAZ
- Leserbriefe -
Betr. Deutschland und Israel – Partnerschaft für die Zukunft, in: FAZ
vom 18.5.2005
Sehr geehrte Leserbriefredaktion,
ich bitte um den Abdruck des folgenden Leserbriefes
in Ihrer Zeitung: Die Jubel-Außenminister! Der Jubelbeitrag des
deutschen und des israelischen Außenministers anläßlich des 40.
Jahrestages der Aufnahme bilateraler Beziehungen ist ein Skandalon. Er
ist geprägt durch die totale Verweigerung der Wirklichkeit und eine
durch nichts zu überbietende Ignoranz. Über welche Länder schreiben
Fischer und Schalom eigentlich? Über die Kolonialmacht Israel wohl kaum.
Als Deutsch-Palästinenser finde ich, dass mit der
deutschen Selbstgeißelung und der moralischen Erpressung durch Israel
und seine Lobby 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Schluss
sein muss. Dass Fischer der beste Israel-Lobbyist ist, zeigt seine
einseitige Parteinahme für dieses Land. Er hat für alle israelischen
Völkerrechtsverbrechen rechtfertigende und verständnisvolle Worte; bei
den zahlreichen Ehrendoktorhüten israelischer Universitäten und Ehrungen
aller möglichen jüdischen Einrichtungen auch kein Wunder. Fischer als
Dr. h. c. der Universität Haifa sollte sich für Professor Ilan Pappe
einsetzen, der von Seiten der Universität in seiner Existenz bedroht
wird, weil er sich für den Boykott israelischer Universitäten eingesetzt
hat, da diese zur Okkupationspolitik bisher kein Wort der Kritik
verloren haben.
Es bleibt für mich völlig unverständlich, wie die
beiden Herren Israels brutales Besatzungs- und Unterdrückungsregime
einfach ignorieren. Wenn sich Deutschland seiner wahren politischen
Verantwortung bewusst wäre und die wirkliche Lehre aus den
Holocaust-Verbrechen gezogen hätte, würde es seine Stimme gegen die
Sharonsche Hinrichtungspolitik à la Apache-Kampfhubschrauber, der
Ermordung von fast 600 Kindern und Jugendlichen in den letzten vier
Jahren, des Vandalismus der israelischen Armee und der
Strangulierungspolitik in den besetzten Gebieten äußern.
Dass Fischer und seinem Kollegen nichts zur
völkerrechtswidrigen Errichtung der Mauer (Ihr Korrespondent Bremer hat
dafür den Orwellschen Begriff der „Umfassungsanlage“ geprägt, FAZ
17.5.05) auf besetztem palästinensischen Land einfällt, verwundert
nicht. Warum soll er hinter den Rechtfertigungen dieses Schandmals durch
seinen Kollegen Otto Schily auch zurückstehen?
Der deutsche Außenminister – vom israelischen ist in
dieser Sache sowieso nichts zu erwarten – beleidigt mit diesem Beitrag
und seiner Haltung die Opfer der Opfer – uns Palästinenser - und trägt
durch sein Schweigen über die israelischen Verbrechen eine moralische
Mitverantwortung an der Zerstörung der Existenzgrundlagen meines Volkes.
Zum Abschluss sei auf Artikel 25 Grundgesetz hingewiesen: Danach ist
Deutschland verpflichtet, gegen jede Verletzung des Völkerrechtes von
Rechtswegen vorzugehen.
Israel wäre dazu das geeignetste Land, da es seit 38
Jahre gegen die Normen des Völkerrechts verstößt.
Darauf hinzuweisen, gehört zur politischen
Verantwortung Fischers und der deutschen Politiker, insbesondere im 40.
Jahr des Jubiläums und 60 Jahren nach Ende des Zweiten Weltkrieges.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Izzeddin Musa
-----------------------------------------------
Dr. Izzeddin Musa
Am Bonner Graben 19
53343 Wachtberg
20.05.2005
Redaktion Freitag
Leserbriefe -
Sehr geehrte Redaktion, Ich bitte um die
Veröffentlichung des folgenden Leserbriefes zum Artikel von
Sophia Deeg „Wir haben es weit gebracht“ vom 20.
5. 2005.
Ich kann den Tenor dieses Beitrages voll unterschreiben.
Auch ich habe diese Propaganda-Nummer der Zeitung
„Das Parlament“ samt APuZ gelesen und fragte mich, ob ich im falschen
Film bin. Als Deutsch-Palästinenser, der seit 47 Jahren in diesem Land
lebt, fasse ich mich jedes Mal an den Kopf, wenn ich deutsche Politiker
über Israel und den Nahostkonflikt reden höre: Entweder sind alle
ahnungslos oder sie lügen bewusst. Der diese Geisteshaltung bis zur
Perfektion getrieben hat, ist Joschka Fischer.
Dass sich aber Journalisten und die Bundeszentrale
für politische Bildung für diese regierungsamtliche Propaganda
einspannen lassen, zeugt von einer moralischen Verkommenheit, auf die
auch Frau Deeg in ihrem Beitrag hingewiesen hat. Als Symbol dieser
Haltung kann das Bild von Michel Friedman in einem Artikel über
Frauenreisen gelten. „Paolo Pinkel“ ist in dieser Frage tatsächlich
„Experte“! Frau Deeg hat zu Recht den Fischer- und Dressler-Beitrag
herausgegriffen, weil sich beide als Wasserträger und Lautsprecher
israelischer Propaganda betätigen. Dresslers Haltung kann nur als
schäbig charakterisiert werden.
Ein Botschafter, der sich so servil und anbiedernd
gegenüber einer Regierung verhält, die als Besatzungsmacht ein Volk
gegen alle so genannten westlichen Werte, Moral und das Völkerrecht
unterdrückt, sollte sofort seinen Posten räumen. Er ist eine Schande für
dieses Land. Dressler sollte einmal in die besetzten Gebiete fahren, um
das Verhalten der so genannten einzigen Demokratie des Nahen Osten
hautnah zu erfahren; es würde einem normalen Menschen den Magen
umdrehen. Beim Dressler zweifele ich daran.
Was aber viel bedenklicher ist, und darauf hat Frau
Deeg nicht hingewiesen, ist die Verschwendung von Steuergeldern für
Propagandazwecke. Insbesondere die Bundeszentrale hat meines Wissens
einen Bildungsauftrag. Sie betreibt aber mit dem Abdruck dieses Artikels
genau das Gegenteil.
Aber für Israel tut man ja alles, sei es auch noch so
rechtswidrig, unmoralisch und verwerflich. Warum tut man nichts für die
Opfer der Opfer, uns Palästinenser?
Meine deutschen Landsleute haben immer noch nicht die
Lehren aus ihren Holocaust-Verbrechen gezogen, sonst würden sie nicht
schon wieder auf der Seite der Unterdrücker und Täter stehen. I
hre Mentalität hat sich bis heute nicht geändert,
deshalb ist größte Vorsicht gegenüber Deutschland weiterhin dringend
geboten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Izzeddin Musa
Lese auch:
Sehr geehrte
Redaktion Leserbriefe,
In seinem Interview
anläßlich der 40-jährigen deutsch-israelischen Beziehungen gefällt sich
Außenminister Joschka Fischer in einer heuchlerischen Haltung trotziger
Unwissenheit, die letztendlich in kolonialistischer Dreistigkeit von den
Palästinensern erwartet, die "Wiedergutmachung" deutscher Verbrechen an
europäischen Juden mit arabischem Land zu bezahlen. Anstatt Israel
solchermaßen als "Sühneinstrument" zu benutzen, fordert der
amerikanisch-jüdische Theologe Marc Ellis vielmehr eine doppelte
Solidarität mit Juden und Palästinensern, den direkten und indirekten
Opfern der Shoa, und ist damit ein wesentlich umsichtigerer "Anwalt
Jerusalems", als Fischer es vorgibt zu sein. Die "Existenz des Staates
Israel", unter Einhaltung relevanter UNO-Resolutionen 181, 194 und 242,
ist, entgegen Fischers Behauptung, von arabischer Seite längst
anerkannt. "Existenzprobleme" haben viel mehr die Palästinenser, für die
die israelische Staatsgründung 1948 die Nakba, die "Katastrophe",
bedeutete. Israelische "neue Historiker" wie Ilan Pappe sprechen von
ethnischer Säuberung, denn von insgesamt etwa 900 000 im zukünftigen
Staat Israel lebenden Palästinensern verloren 750 000 durch Flucht und
Vertreibung ihre Heimat, über 400 ihrer Dörfer wurden von israelischen
Streitkräften dem Erdboden gleichgemacht, Gesetze wie das "Absentee
Property Law" (das Gesetz über das Eigentum Abwesender) von 1950
enteigneten die "abwesenden" Palästinenser und machen sie, bis heute, zu
einem Volk mit über vier Millionen Flüchtlingen, denen Israel ihr, durch
UNO-Resolution 194 bestätigtes, Rückkehrrecht verweigert. Dies geschah
nicht zur "Existenzsicherung" Israels, sondern aus demographischen
Gründen, weil nur durch die Vertreibung der Palästinenser aus einem
mehrheitlich arabischen Land ein mehrheitlich jüdischer Staat im Sinne
des politischen Zionismus entstehen konnte. Wenn Fischer "schmerzhafte
Kompromisse mittels zweier Staaten" fordert, übersieht er, daß durch die
fortgesetzte israelische Besiedelung seit 1967 faktisch ein gemeinsamer
jüdisch-palästinensischer Staat im gesamten Gebiet zwischen Mittelmeer
und Jordan entstanden ist. Für Meron Benvenisti, den ehemaligen
stellvertretenden Bürgermeister von Jerusalem, ergibt sich aus dieser
Realität die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in Richtung
binationaler Staat, mit gleichen Rechten für all seine Bürger. Auch der
Friedensvorschlag des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi beschreibt
in seinem Weißen Buch "Isratine" (Israel+Palestine=Isratine) die
Vorteile eines gemeinsamen Staates, sowohl für jüdische Siedler, die
weiterhin in Judäa und Samaria leben können, als auch für
palästinensische Flüchtlinge, die ihren Wohnsitz innerhalb Israels
wählen können. Mit einer gemeinsamen jüdisch-palästinensischen Armee
wäre "Isratine" nicht länger Feindesland seiner arabischen Nachbarn,
sondern könnte, laut Gaddafi, der Arabischen Liga beitreten und zur
Abrüstung aller Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten führen. Eine
"militärische Überlegenheit", wie Fischer sie für Israel fordert, würde
unnötig werden, wodurch man einem langfristigen und gerechten Frieden in
Israel/Palästina wesentlich näher käme - und genau das ist unsere
"historische Verpflichtung" durch unser "besonderes Verhältnis" zu
beiden Völkern, Juden wie Palästinensern.
Mit freundlichen Grüßen,
Sabine Matthes - München