Inklusives Theater Palästinas auf Rundreise in Deutschland - 5.12.2018 - Auf Einladung des Arbeitskreises Kirche und Theater in der Evangelischen Kirche in Deutschland und seines Vorsitzenden Klaus Hoffmann besuchte das Theater INAD erstmals Deutschland.

So kam es zu Begegnungen mit deutschen Theatergruppen, in Bielefeld/Bethel das Volxtheater, in Heilbronn das Theaterensemble „Lichte Sterne“ der Stiftung Lichtenstern und in Hannover die Theatermacher. Neben der öffentlichen Aufführung fanden Workshops mit den inklusiven Ballhofclubbern des Staatstheaters statt und die Mitglieder des Theaters besuchen eine Tanzwerkstatt im Förderprogramm der Heinrich-Ernst-Stölzner-Schule.

Während des Besuches zeigte das inklusive Theater INAD  fünf Vorstellungen des „The Little Match Girl“ nach Andersens Märchen „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“. Unter den Spielern und Spielerinnen, die aus Bethlehem und Beit Jala gekommen sind, sind auch einige mit Behinderungen. Sie sind Moslems und Christen. Das Theater spielt in Städten in der besetzten Westbank und in Flüchtlingscamps. Seine Themen sind soziale Probleme der Gesellschaft, Drogenmissbrauch, häusliche Gewalt und die Geschlechterrollen. Es macht aufmerksam auf das Recht der freien Meinungsäußerung und auf die Bedeutung der Demokratie. Khalid Massou; Regisseur und Leiter des INAD Theaters wählte das arabische Wort INAD als Programm für sein Theater, denn das heißt Widerstand, Dagegenhalten, den widrigen Umständen mit friedlichen Mitteln trotzen. Sein Leitmotiv ist:“ Lasst uns zusammenarbeiten, damit Hoffnung statt Verzweiflung, Sicherheit statt Angst, Würde  statt  Demütigung entstehen kann.“

Das Inad-Theater entdeckte das Thema Inklusion und damit eine neue Zielgruppe. Es wurde zum Pionier des inklusiven Theaters in Palästina. Die behinderten Schauspieler sollen nicht das Gefühl haben, zu einer Randgruppe der Gesellschaft zu gehören. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag nicht nur für das Theater, sondern auch für die gesamte palästinensische Gesellschaft. 

In ihren Aufführungen werden Themen behandelt, die mit ihrer Behinderung und mit ihrem Leben unter Besatzung (Menschenrechtsverletzungen, Landenteignung, Verhaftung, Gewaltanwendung, Demütigung) zu tun haben. Dadurch sollen die Zuschauer, Behinderte und Menschen ohne Behinderungen für diese Themen sensibilisiert werden. Die angebotenen Workshops waren, insbesondere für die Schauspielerinnen, die aus einem moslemisch-konservativen Umfeld kommen, von großer Bedeutung. Bei der Theaterarbeit in Palästina geht es darum, das Rollenverhalten des Einzelnen zu hinterfragen. "Es geht um eine Stärkung der durch die Politik beschädigten Seelen. Die Theaterarbeit soll die Schauspieler unterstützen und dazu ermutigen, ihre Begabungen und Fähigkeiten zu entdecken und an eine bessere Zukunft zu glauben.“

Aktivitäten des Arbeitskreises Kirche und Theater in Palästina - Seit 8 Jahren praktiziert der Arbeitskreis Kirche und Theater mit seinem Vorsitzenden, dem Theaterwissenschaftler Klaus Hoffmann ein Kooperations- und Austauschprogramm „Palästinensischer Deutscher Dialog über Theater und Theaterpädagogik“ mit palästinensischen und deutschen Theatern, Verbänden und Hochschulen. Dazu ist inzwischen auch eine Website entstanden www.masrah-theater.net

In der Zusammenarbeit mit den palästinensischen Theatern spielen insbesondere die Zielgruppen Kinder und Jugendliche eine große Rolle.50% der Bevölkerung in der Westbank ist unter 18 Jahre alt. Die Besatzung, die militärische Unterdrückung, wie auch die sonstigen politischen und wirtschaftlichen Pressionen haben tiefe, negative Einflüsse auf das Familienleben und den gesamten Alltag. Kinder und Jugendliche leiden in ganz besonderem Maße unter den gesellschaftlichen Missständen, kriegerischen Auseinandersetzungen und Unterdrückungen. 

In der Theaterarbeit soll untersucht werden, ob die Kraft des Theaters bei der Bewältigung von Konflikten und Problemen, bei der persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung wirksam werden kann. Dies ist auch eine Aufgabe der Theaterpädagogik, die in Deutschland eine rasante Entwicklung durchgemacht hat. Sie hat einen festen Platz bereits in der Schule und in kulturellen Institutionen, aber auch in sozialen Einrichtungen oder in Heilberufen. Auch in der palästinensischen Gesellschaft haben Kunst und Kultur einen großen Stellenwert. Obwohl die Menschen unter dem nicht enden wollenden Konflikt leiden, sind Kunst und Kultur kein Luxus. Im Gegenteil, sie sind für die Frage nach Würde, nach Selbstbestimmung und Identität überlebensnotwendig. Gerade im Theater kann kommuniziert werden, wer man ist und wer man sein will.

Inzwischen berät der Arbeitskreis Kirche und Theater zusammen mit dem Theaterpädagogischen Institut Lingen auch das Erziehungsministerium in Ramallah, das eine Fortbildung für Lehrer in kultureller Bildung in Palästina einrichten will.    Quelle    Pressemitteilung des AK Kirche und Theater in der Evangelischen Kirche Deutschland 

Zum Weiterlesen
Hasan aus Bethlehem spielt in Bethel den Boxer  >>>
Presseartikel in der Heilbronner Stimme "Emotionales Schauspiel über die Rechte von Kindern"  >>>