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Reuven Moskovitz im November 04

 

 

 

 

Juden und Deutsche – Zwischen aufgeklärter und verklärter Symbiose

Reuven Moskowitz, Jerusalem, Nov. 2009/ Januar 2010

 

Die Gemeinsamkeiten zwischen Juden und Deutschen über Generationen hinweg sind offensichtlich. Umstritten bleibt bis heute die Frage der symbiotischen Verhältnisse seit der Blüte der Aufklärung sowie die Emanzipierung der deutschen Juden im neunzehnten Jahrhundert mit einem Höhepunkt in der Weimarer Republik und einem Tiefpunkt mit ihrem Untergang.

 

Typisch für Menschen und Wissenschaftler, die oft umsteigen von einer Position zu einer anderen unter dem Einfluss von politischen Umwälzungen und ideologischen Enttäuschungen, ist der Streit über die Frage, ob eine Symbiose tatsächlich existiert hat. So glaubte zum Beispiel Martin Buber, obwohl Zeitgenosse der NS-Schreckenherrschaft, bis an sein letztes Lebensjahr, unerschüttert, nicht nur an die Existenz der Symbiose, sondern an ihre schöpferische gegenseitige Wirkung und Befruchtung. Gershon Sholem, hingegen, hat einen „flick–flack Sprung“ gemacht von begeisternder Aufklärung zur Verschanzung in der oft okkkultischen Kabala. Der zeitgenössische Reporter, Schriftsteller und Forscher Amos Eylon hat über die obengenannte Symbiose eine glänzende Studie geschrieben. Seiner Meinung nach ist diese Symbiose nicht erst mit dem Nationalsozialismus zu einem Ende gekommen, sondern zeigte sich schon lange zuvor als einseitige Liebe. Es mag stimmen, wenn man automatische Gegenseitigkeit oder Ergebnisse in der Spanne von zwei oder drei Generationen erwartet.  In dem erstaunlichen Übergang des deutschen Judentums von einer verfolgten, benachteiligten und dämonisierten religiösen Minderheit zu einer sich rasch und erfolgreich integrierenden Gemeinschaft kam unausweichlich Neid, Angst und Empörung über eine verachtete Minderheit, die sich in der Wirtschaft, Wissenschaft, Literatur und Politik auszeichnete. Die Bereitschaft der deutschen Aristokratie und des aufsteigenden Bürgertums, Juden gesellschaftlich zu integrieren, konnte mit der Integrationsbereitschaft der aufsteigenden Juden nicht Schritt halten. Diese Tatsache aber bedeutet nicht, dass es nicht einen strukturellen Prozess zur Symbiose gab.

 

Mit dem Übergang Europas von der universalen Aufklärung zu nationaler Engstirnigkeit, kolonialer Machtgier und finanzieller Habgier, schließlich mit dem Untergang der Weimarer Republik und der Ausrottung des europäischen Judentums und jüdischer Kultur, musste auch die Symbiose untergehen. 

 

Oft kommt es darauf an, von welchem Blickpunkt man eine Erscheinung betrachtet. Mit Recht behauptet Antoine de Saint Exupery: "Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung". Das symbiotische Verhältnis zwischen Juden und Deutschen nur aus der Blickrichtung des Nationalsozialismus oder des Holocausts, kann irreführen. Das kann sogar zu gefährlichen Pervertierungen führen. Ich finde, dass man durchaus von einer zeitgenössischen deutsch-jüdischen Symbiose sprechen kann. Diese Symbiose pervertiert allerdings die unter Hitler untergegangene Symbiose, die eigentlich sehr hoffnungsvoll und erfolgreich hätte sein können. Heute kann man von einer fast kriminellen deutsch-jüdischen Symbiose sprechen. Diese entstand aus der Tragik der Geschichte. Das führte dazu, dass die meisten Juden sich als ultimative Opfer fühlen und darstellen, auch wenn sie eigentlich schon Täter geworden sind. Dagegen nehmen die Deutschen eine Schuldidentität an, auch wenn sie schon keine Täter mehr sind. Die Folgen zeigen sich als katastrophal. Die deutsche Außenpolitik hat sich seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Israel total der israelischen "Sicherheitspolitik" unterworfen.  Wegen des „besonderen Verhältnisses“ ,das Deutschland mit Israel verbindet, solidarisiert sich Deutschland fortwährend und undifferenziert mit der Politik Israels, die sich schon seit der Staatsgründung als friedenswidrig zeigt.

 

 

Allerdings bleibt es eine Tatsache, dass Deutschland bis zum Ende der Ära von Willy Brandt konsequent eine Friedenspolitik betrieben hat, die zur Versöhnung mit allen ehemaligen Feinden führte. Mit dem kritiklosen Einlenken auf die neue konservative und neoliberale Politik der USA hat die Führung der Bundesrepublik jedoch eine gefährliche Grenze überschritten. Die deutsche Außenpolitik schließt den Krieg oder die Kriegsbeteiligung als Fortsetzung der Politik nicht mehr aus. Diese gefährliche Grenze hat nicht nur die SPD überschritten, sondern auch Joschka Fischer als Außenminister. Der Höhepunkt dieser Entwicklung ist die Erklärung der Bundeskanzlerin Merkel, dass bedingungslose Solidarität mit Israel deutsche Staatsraison ist.

 

Tatsache für jeden nüchternen und gut informierten Beobachter ist auch, dass Israel Krieg, Gewalt, Verletzungen von Menschen- und Völkerrecht als einzige Staatsraison in die Beziehungen zu den palästinensischen Nachbarn eingeführt hat. Eine weitere Tatsache ist, dass wenn Israel mit Ägypten und Jordanien Frieden hat, das nur auf die ausdrückliche Mitwirkung der USA zurückzuführen ist.  In den Londoner Verträgen, die über die Nürnberger Prozesse zur Verurteilung der Nazi-Führer führten, heißt es, dass ein Verbrechen gegen den Frieden das größte Verbrechen gegen die Menschheit bedeutet!

Auch wenn es ungewöhnlich ist für einen Israeli, der den Staat Israel bejaht, so muss ich doch bekennen, dass Israel sich dieses Verbrechens schuldig gemacht und in den vergangenen 60 Jahren keine aufrichtige Friedenspolitik betrieben hat. Man begrüßt sich mit "Shalom" und beteuert leidenschaftlich den Friedenswillen, während man sich nie  wirklich mit einem jüdischen Staat in den Grenzen abgefunden hat, die  von den Vereinten Nationen am 29. November 1947 entschieden wurden. 

Diese Tatsachen bedeuten auf keinen Fall, dass die arabische Welt und die Palästinenser nicht aktiv zur Schaffung und Eskalierung dieser Tragödie beigetragen haben. Mit einem wesentlichen Unterschied: die verständliche Empörung über das Wagnis der Vereinten Nationen, einen Teil von Palästina den Juden zu geben, war es, die in der arabischen Welt und bei den Palästinensern eine hassvolle antijüdische Hetze entfachte – mit Vernichtungsdrohungen, die nicht weit vom Nazi-Antisemitismus entfernt waren.

Während sich die israelischen Staatsgründer nach außen um ein demokratisches und friedfertiges Gesicht bemühten und dafür keine Lippenbekenntnisse scheuten,  wurden fleißig Tatsachen geschaffen.  Diese sollten nicht nur den von der UNO zugeteilten Teil Palästinas legitimieren, sondern zugleich auch den Anspruch der Palästinenser und der arabischen Welt auf einen Teil Palästinas delegitimieren. Diese Hetze und die hartnäckige Verweigerung des Existenzrechtes Israels dienten letztendlich mehr der israelischen Politik als der palästinensischen.

 

Diese Tatsachen und die erfolgreiche Entwicklung Israels sowohl zu einer erstaunlich leistungsfähigen Wirtschaftsmacht als auch zur „einzigen Demokratie im Nahen Osten“ haben zu einer verklärten Bewunderung geführt.

Diese wird nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Teilen der westlichen Welt noch durch Israels geniale Fähigkeit erhöht, Millionen Menschen aufzunehmen und die meisten wohlhabend zu machen.

 

Bestimmt von der furchtbaren Vergangenheit und dem Trauma beider Völker, Juden und Deutsche, hat sich meiner Meinung nach die oben erwähnte pervertierte Symbiose entwickelt.

 

Die Benutzung der "Auschwitz-Trumpfkarte" (Idith Zertal) durch Israel und viele deutsche Juden nimmt  oft Formen von geistiger Erpressung an. Dadurch  werden viele anständige und sensible Deutsche traumatisiert. Sie haben Angst, als  Antisemiten verunglimpft zu werden. So haben sie sich abgefunden, Israel als sakrosankt zu betrachten.

Mit dem Umlenken der deutschen Politik auf die neoliberale Schiene wird ihre Haltung zur israelischen Politik nicht nur von einem unkritischen Ethos und Gewissen bestimmt, sondern auch durch macht- und wirtschaftspolitische Überlegungen.

 

Wenn die symbiotische Beziehung offensichtlich zu einer verharmlosenden Beurteilung der israelischen Unrechtspolitik führt, ist dies aber nicht nur ein moralisches Versäumnis, sondern auch ein realpolitischer Fehler. Deutschland kann als politisch und wirtschaftlich wichtigste Macht Europas viel durch die Verschärfung des Konfliktes mit der islamischen und der „Dritten Welt“ einbüßen. Anstatt sich aktiv an den aussichtslosen Kriegen und Konflikten - als Anti-Terror-Kriege bezeichnet -  zu beteiligen, würde Deutschland als Export-Weltmeister und ehrlicher Vermittler viel besser fahren.

 

 

An dieser Stelle muss endlich der Begriff "Terror" differenziert werden: palästinensischer Widerstand kann nicht mit Al- Qaida-Terror gleichgesetzt werden, auch wenn die Widerstandsformen der palästinensischen Hamas oder der libanesischen Hisbollah nicht zu rechtfertigen sind.

 

Auch den Iran betreffend sollte Deutschland aus der pervertierten symbiotischen Beziehung mit Israel aussteigen. Es kann dem Weltfrieden und dem Frieden im Nahen Osten nichts Gutes bringen, wenn es als selbstverständlich hingenommen wird, dass Israel die einzige atomare Macht im Nahen Osten ist. Was hindert ein friedenssuchendes Deutschland und Europa daran, darauf zu bestehen, dass der Nahe Osten eine atomfreie Zone wird? Schließlich ist Israel nicht nur der Staat, der Dutzende Angriffskriege und –aktionen verantworten muss, sondern auch der einzige Staat im Nahen Osten, der mit der atomaren Überlegenheit fuchtelt und droht, sie gegen den Iran einzusetzen.

Wenn man meine Meinung zu hart formuliert findet, muss man bedenken, dass die verklärte Symbiose mit Israel auch die Ursache dafür ist, dass die meisten Deutschen über die Geschehnisse in Israel schlecht informiert sind.

Israel mangelt es nicht nur an politisch anerkannten geografischen Grenzen, auch moralisch hat es jedes Maß verloren, zum Entsetzen einer sensiblen, immer neu erschreckten Minderheit.

In meiner Studie über deutsch-jüdische Gemeinsamkeiten mit dem Titel "Juden und Deutsche zwischen Macht des Geistes und Ohnmacht der Gewalt" spielt die Grenzenlosigkeit eine Rolle. Ich wurde beeindruckt von vielen deutschen Historikern, die behaupten, dass hauptsächlich die Maßlosigkeit Deutschlands das Land zu den zwei verheerenden Niederlagen im 20. Jahrhundert geführt hat.  Diese Maßlosigkeit zeigt sich in der israelischen Politik und Gesellschaft.

 

Deutschland sollte einen Weg finden, sich von diesem maßlosen politischen Israel zu distanzieren, ansonsten könnte es eines Tages in die Verantwortung genommen werden - nicht nur für die schreckliche Vergangenheit, sondern auch für das Akzeptieren unserer gegenwärtigen Maßlosigkeit! Eine Maßlosigkeit, die Israel mit einem schrecklichen Untergang bedroht.

 

Jerusalem im November 2009 / Januar 2010

 

(In Absprache mit dem Autor bearbeitete Fassung durch Kluge/ Belz)

 

 

 

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