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Verhängnisvolle Fussion
Siedler machen das Leben zur Hölle
Deutscher Emil Zola gewünscht.
Reuven Moskovitz im November 04

 

 

TRANSLATE

 

Älterwerden
Sterne der Jugend wohin seid ihr hinabgefallen?
Keinen mehr von euch allen seh in Gewölk ich ziehen.
Ihr meiner Jugend Genossen,
Ach wie früh mit der Welt habt ihr Frieden geschlossen!
Dennoch kämpfe ich weiter.
Steh entgegen der Welt!
Kann ich nicht siegen als Held, will ich doch fallen als Streiter.

(Hermann Hesse)

 

Reuven Moskovitz- Jahresbrief 2007

 

Ich schreibe meinen Jahresbrief zum jüdischen Neujahr, weil ich Euch mitteilen möchte, dass es unsere Adresse Lloyd-George-Straße nicht mehr gibt. Wir mussten die Wohnung verkaufen. Es war für uns kein leichter Abschied, mehr als ein Drittel unseres Lebens haben wir dort gelebt. Hunderte von Freunden, Bekannten und Mitstreitern haben uns dort besucht und uns dorthin geschrieben. Beim Ausräumen habe ich viele der Briefe wieder gelesen, sehr gerührt und mit viel schlechtem Gewissen, weil ich sehr selten antworten konnte. Ich habe große Hemmungen, insbesondere, wenn ich Deutsch schreiben muss, denn ich habe nie Deutsch schreiben gelernt. Nun kommen die Herbstfeste und der Tag der Versöhnung, Jom Kipur. Vor diesem Tag ist jeder verpflichtet, seine Freunde und Bekannten um Verzeihung zu bitten für Ärgernisse, Versäumnisse oder mangelnde Achtsamkeit. Die Sünden zwischen Mensch und Gott verzeiht Gott am Jom Kipur, nicht aber die Sünden zwischen Mensch und Mensch. Also jetzt eine gute Gelegenheit, um Verzeihung zu bitten bei den vielen, vielen Menschen, die uns freundliche und dankbare Briefe geschrieben haben.

Unsere neue Adresse ist:

 

Zeev-Vilnai-Str.4, Hotel Migdalei Kedem Zimmer 721 Postfach 3686 Jerusalem.

 

Nun jährt sich der Beschluss der Vereinten Nationen, Palästina zwischen Juden und Palästinensern zu teilen, zum 60.Mal. Wenige in Israel und in der Welt wissen, dass die damals vereinbarte Teilung 54 % des Landes für die Juden bedeutete und 44 % für die Palästinenser. Jerusalem, eine für drei Religionen bestimmte heilige Stadt, sollte von der UNO verwaltet werden. Da die Palästinenser die Teilung unglücklicherweise nicht akzeptierten, folgte der sogenannte Unabhängigkeitskrieg Israels, der erst 1949 endete. Durch - u.a.- seine bessere kriegerische Ausstattung gelang es Israel, eine ethnische Säuberung durchzuführen, die schon vor der Staatsgründung begann. So konnte es fast die Hälfte des den Palästinensern zugeteilten Gebietes annektieren. Die übrigen 22 % wurden nicht den Palästinensern zugeschlagen, sondern blieben unter der Herrschaft von Jordanien und Ägypten.

 

In den folgenden Jahren unternahm Israel jede Anstrengung, mehr Land zu nehmen und die Grenzen auszuweiten, angeblich, um sie besser verteidigen zu können.

 

Heute bleiben durch die dichte Besiedlung durch Juden und durch den Mauerbau auf palästinensischem Land nur noch etwa 11-12 % des eigentlich palästinensischen Landes für die Palästinenser übrig. Auf diese 11-12% verzichten zu müssen, nennt Israel, und das ist auch eine in Deutschland wiederholte Behauptung, einen ‚schmerzhaften Kompromiss‘.

Für die Palästinenser aber bedeutet es - kompromisslos! - eingesperrt zu sein hinter Zäunen und Mauern, in drei getrennten Zonen leben zu müssen, in denen sie weiterhin der israelischen Machtwillkür ausgesetzt sind: inner-palästinensischen Checkpoints, Hinrichtungen, Festnahmen, Enteignungen, nächtliche Durchsuchungen, etc, etc.

 

Trotz des wagemutigen Besuchs Sadats in Jerusalem in den 70-er Jahren, der zum Frieden zwischen Israel und Ägypten führte, und trotz des gelungenen Friedens mit Jordanien in den 90-er Jahren, wurden aber die hoffnungsvollen Abkommen von Oslo systematisch durch Israel mit ihrer Siedlungspolitik unterlaufen; das gilt auch, wenn die Palästinenser ihre Verpflichtungen nicht immer gehalten haben.

 

Noch sieht es so aus, als ob auch einem weiteren wichtigen Friedensplan dieses Schicksal beschieden ist: Das Angebot der 22 arabischen Länder und der Hamas in diesem Jahr wird von Israel, dem „Quartett" und der westeuropäischen Welt einfach ignoriert!

 

Dieses Angebot beinhaltet: Frieden mit Israel aufgrund gegenseitiger Anerkennung in den Grenzen von 1967, diplomatische, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen und die Lösung der palästinensischen Flüchtlingstragödie, ohne die Stabilität und die Sicherheit Israels zu gefährden.

 

Israel müsste im Gegenzug einen gefährlichen und schmerzhaften Schritt tun:

Alle Siedlungen in der Westbank aufzulösen oder eine Alternative zu finden, wie den Siedlern die Wahl lassen, als gleichberechtigte palästinensische Bürger dort zu leben und gleichzeitig die Palästinenser mit der ihnen weggenommen Fläche Land kompensieren.

 

Jetzt rufe ich als überlebender Jude und Israeli und Träger des Internationalen Aachener Friedenspreises Euch Deutsche zu einem Gedenken auf:

 

29. November 2007: 60. Jahrestag des Teilungsbeschlusses der Vereinten Nationen

Gedenkt und macht aufmerksam, dass von all dem, was damals beschlossen wurde, für die Palästinenser nichts umgesetzt wurde und ruft die Bundesregierung auf, das Angebot der 22 arabischen Länder zum Frieden mit Israel ernst zu nehmen, zu prüfen und schnellstens mit der Umsetzung zu beginnen.

 

Der Versuch, das "Quartett" einzusetzen, führt nur noch weiter in die Sackgasse.

Europa ist an diesem Konflikt mitverantwortlich – umso mehr ist es Deutschland, wegen seiner schrecklichen NS-Vergangenheit.

Deutschland stände es wohl an, die Aufgabe des Friedens- und Versöhnungsbotschafters zu übernehmen und den Friedensprozess in Israel/Palästina voranzutreiben.

 

Was mich anbelangt, bin ich fest entschlossen, trotz meines fortgeschrittenen Alters, dieses Datum nicht ohne Aufschrei oder ein Erinnern über die Gefahr eines weiteren Schweigens, vorbeigehen zu lassen und an Mahnwachen oder anderen Aktionen mitzuwirken. Gemeinsam müssen wir die Medien bewegen, über diese Aktionen und über das arabische Angebot zu berichten!

 

Auch in diesem Jahr habe ich sehr befriedigende und erfüllende Aufenthalte in Deutschland erlebt, wieder stärkte mich die Freundlichkeit, die Solidarität und die Bereitschaft zuzuhören meiner Freunde im ganzen Land und gab mir die Kraft, gesundheitlich und seelisch durchzuhalten - auch in diesen widrigen Zeiten.

 

Zwei Sorgen bewegen mich jedoch:

- Das Schreiben meines zweiten Buches hat sich verzögert. Der wesentliche Inhalt des Buches sollte die Vergangenheit sein, die ich nicht nur zornig, sondern auch mit Nachsicht betrachten wollte. Die maßlose Reaktion auf den 11.September, die den Krieg wieder legitimierte als Fortsetzung der Politik, und auf diesen wilden Tiger die israelische und z.T. die westliche Politik aufgesprungen ist, um weiter ihr Gewaltkonzept zu rechtfertigen, hat mich in meinem Schreiben gehemmt, aber auch auf eine neue Fährte gebracht. Ich werde jetzt schreiben über die zornige Sorge um die Gefahren der Gegenwart und Zukunft.

- Das Projekt „Friedensräume und Friedenswege in Neve Shalom/Wahat al Salam" geht nur langsam voran. Gerührt und ermutigt bin ich jedoch von der Reaktion auf dieses Projekt. Noch vor Jahresende werden Schilder aufgestellt, die NS/WaS und Umgebung in einem Zeitabriß darstellen, um so auf die Ergebnisse von Krieg und Hass aufmerksam zu machen.

Meine Grundidee des Projektes ist der Ausstieg aus dem unsinnigen nationalistischen Erinnerungskult hin zu einer universellen Solidarität sowohl mit allen Leidenden als auch mit „ Mutmachenden" und Widerständlern, unter Betonung der Juden, Palästinenser und Deutschen.

 

Selbstverständlich ist diese Idee nicht zu verwirklichen mit einer kleinen Schar von Freunden und Unterstützern - ich bitte deshalb alle meine Freunde, die diesen Traum ernst nehmen, zu überlegen, wie man die deutsche Bundesrepublik bewegen kann, nicht hauptsächlich militärische Projekte Israels, sondern diese Art Friedensarbeit mit viel bescheideneren Ansprüchen zu fördern.

 

In der Hoffnung, dass Deutschland und die neue, ausgeweitete Europäische Union, zu der jetzt auch mein Geburtsland Rumänien gehört, fest halten werden an dem einmaligen 60 jährigen Frieden, grüße ich Euch alle herzlich.

 

Euer Reuven

(verfasst während der jüdischen Feiertage, September 2007)

 

 

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