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 Ist in unserem Land die Meinungsfreiheit als Grundrecht noch geschützt?

Abraham Melzer


Es gibt kaum einen Begriff, der so mit Emotionen beladen und so verworren ist, wie das Schlagwort „Antisemitismus“, wobei man es fast schon wörtlich nehmen kann, denn es ist in der Tat heute ein Schlagwort, eine „Keule“, wie es Martin Walser genannt hat, mit der man Menschen erschlagen kann.

Natürlich gibt es noch Judenhass auf der Welt, besonders aber in Europa, wo der Antisemitismus geboren wurde. Kontinente wie Asien, Afrika, Latein-Amerika, Australien und Nord-Amerika kannten dieses Phänomen nicht und wenn es dort trotzdem vorhanden ist, dann weil die europäischen Einwanderer es mitgebracht haben. Dennoch ist der nordamerikanische Judenhass niemals in Verfolgung und Vernichtung ausgeartet, wie in Europa. In Nordamerika drückt sich der Antisemitismus höchstens darin aus, dass manche Tennis- oder Golfclubs Juden (und Schwarze) nicht aufnehmen. In Europa entartete der Judenhass, der anfangs nur eine Konkurrenz der Religionen war, in einen rassisch-biologischen Krieg und am Ende zur Vernichtung von sechs Millionen Juden, fast die Hälfte des europäischen Judentums.

Das alles ist aber Schnee von gestern und vorgestern. Diese Art von Judenhass gibt es nicht mehr und fast ausnahmslos alles, was man heute Antisemitismus nennt, ist nichts anderes als die Auseinandersetzung mit dem Zionismus, der eine aggressive jüdische Expansions Politik auf Kosten eines anderen Volkes betreibt und deshalb weltweit Widerstand und inzwischen auch Verachtung erfährt und bekämpft werden muss. Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, sagte: „Es ist nicht so, dass der Antisemitismus zugenommen hat. Die Sympathie für Israel hat abgenommen.“

 

Antisemitisches Denken, Reden und Handeln haben keinen Platz in Deutschland und vielen Ländern Europas, auch wenn mit dem Begriff selbst inflationären Gebrauch gemacht wird. Rabbiner Joel Berger sagte unmissverständlich, dass man nur dann von Antisemitismus sprechen könne, wenn Juden von Staats wegen verfolgt werden. Dennoch gebraucht auch er diesen Begriff oft in seiner neuen Bedeutung, als Ersatz oder Synonym für Antizionismus. Dabei muss man nicht einmal Antizionist sein, um als Antisemit stigmatisiert zu werden. Es reicht Israels Politik zu kritisieren, um als Antizionist zu gelten und es reicht als Antizionist zu gelten, um als Antisemit diffamiert zu werden.

 Es mag sein, dass Israelkritik, eine für sich genommen legitime Sache, für manche zum Ventil wird, mit dem antijüdische Emotionen artikuliert werden. Bei der Mehrheit der Israelkritiker handelt es sich aber nicht um antijüdischen Emotionen, und erst recht nicht, wenn es sich um Juden handelt. Es handelt sich bei den meisten Kritiker auch nicht darum, dem Staat Israel das Existenzrecht abzustreiten oder Israel pauschal zu delegitimieren, sondern einzig darum einen gerechten und fairen Weg zur Lösung des Konflikts zu finden.

 

Es mag sein, dass hinter einer Israelkritik tatsächlich Antisemitismus verborgen ist, aber das berechtigt noch lange nicht sämtliche Kritiker israelischer Handlungen als Antisemiten zu diffamieren, zumal wenn sie Juden sind und andere Juden sie dann hämisch „koschere Antisemiten“ nennen.

 Leserbriefe, Zuschriften, Rufe aus dem Publikum, aber auch Reden von Politiker und Vertreter der Zionistischen Organisation in Deutschland oder hasserfüllte Pamphlete jüdischer Polemiker, bestätigen, dass ganz bewusst ein Popanz erzeugt wurde, um ihn dann mit aller Kraft und großer Wut bekämpfen zu können, um aber auch das wichtigere Thema zu verdecken. Der Popanz heißt Israelkritik und wird von beiden Seiten aufgeblasen. Die einen meinen Israelkritik sei Antisemitismus und die anderen meinen, es sei erlaubt und sogar notwendig Israel zu kritisieren. Natürlich ist Kritik an der Politik des Staates Israel erlaubt, aber wenn man dieses Recht in Anspruch nimmt, kommt prompt die Kritik an der Kritik ausgerechnet von denen, die immer laut sagen, dass Kritik selbstverständlich erlaubt und kein Tabu sei. Offensichtlich ist nur solche Kritik erlaubt, die die zionistische Zensur passiert hat. Denn sonst sind solche Kritiker sehr schnell „Antisemiten“.

 

Zurück aber zur Sprachverwirrung. Heute ist schon jemand ein Antisemit, der Netanjahus Politik kritisiert, ohne dabei Israel zu hassen. Das zeigt doch wie absurd und krankhaft der Begriff ist. Heute muss man gar nicht Juden hassen, um als Antisemit bezeichnet zu werden, es reicht sich für das Existenzrecht der Palästinenser einzusetzen. Deshalb behaupte ich, dass der klassische Antisemitismus längst tot ist und der Diskurs darum künstlich von denjenigen am Leben gehalten wird, die daran Interesse haben. Unsere Welt hat heute viel ernsthaftere Probleme, als diese Scheingefechte und dieser Kampf gegen Windmühlen. Die (relativ) wenigen Antisemiten, die es tatsächlich noch gibt, kann man bedauern und „nicht einmal ignorieren“, wie es Karl Valentin treffend formuliert hat. Und Israel wird sich daran gewöhnen müssen nach normalen rechtsstaatlichen Kriterien beurteilt zu werden, ohne dass man gleich behauptet, der Kritiker sei ein Antisemit.

 

In Deutschland tobt wieder die Antisemitismus-Debatte, die alle Jahre wieder aus der Versenkung hochkommt und die Gemüter erregt. Diesmal wird die Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Hildesheim durch die Gassen gejagt. Emanuel Nachshon, Sprecher des israelischen Außenministeriums hyperventiliert sogar: „Das ist keine Universität – das ist eine Hassfabrik“. Wie schon öfters mischt sich Israel in innerrdeutsche Angelegenheiten ein und begründet das mit dem Vorwurf des Antisemitismus. Dabei geht es, wie immer, um das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit, der Meinungsfreiheit und der Rechte, die unser Grundgesetz uns einräumt und um die grundsätzliche Frage, wer darf  bestimmen, was an deutschen Hochschulen gelehrt wird, und was deutsche Bürger sehen und welche Bücher in Deutschland verlegt werden dürfen? Das israelische Propagandaministerium, der Zentralrat der Juden in Deutschland, jüdische Journalisten aus Jerusalem, das Simon Wiesenthal Institut, Henryk M. Broder oder vielleicht Prof. Micha Brumlik. Ist in unserem Land die Meinungsfreiheit als Grundrecht noch geschützt?

 Sacha Pommrenke schrieb am 11.08.2016 in Telepolis über den Mitarbeiter der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung (HAZ), Norbert Mirzowsky, dass dieser sich in „Unkenntnis des kritisierten Gegenstandes“ für die „Meinungsfreiheit“ entschieden hätte. Als ob Pommrenke selber weiß wovon und worüber er schreibt. Seine Unkenntnisse sind noch viel gravierender und peinlicher und im Übrigen muss man überhaupt keine besonderen Kenntnisse haben, um sich für die Meinungsfreiheit einzusetzen. Meinungsfreiheit steht jedem zu, auch wenn es eine „falsche“ Meinung ist. Man muss nur Mut und Charakter haben.

Was ist geschehen? Die promovierte aber äußerst empfindliche, einäugige jüdische Religionspädagogin Rebecca Seidler erhielt im Juni 2015 von Christa Paulini, der Dekanin der Fakultät für Soziale Arbeit und Gesundheit an der HAWK eine Anfrage, ob sie einen Lehrauftrag übernehmen könne. Dabei ging es um zwei sehr gegensätzliche Seminare zu Israel und Palästina. Ihre palästinensische Kollegin Ibtissam Köhler bietet seit Jahren ein Seminar „Zur sozialen Lage der Jugendlichen in Palästina“ und die Jüdin Rebecca Seidler sollte das Seminar „Jüdisches Leben in Deutschland und in Israel“ leiten. Wie üblich vertraute die zionistische Jüdin ihrer Kollegin nicht und sichtete die Seminarmaterialien des „gegensätzlichen“ Seminars. Über das Ergebnis war sie offensichtlich so schockiert, dass sie die Dekanin darüber informierte. Diese nahm es locker und kümmerte sich nicht um die „sensible Wahrnehmung“ oder besser gesagt um die paranoide Reaktion einer Jüdin.

Erbost lehnte Seidler den Lehrauftrag ab und statt die Materialien zurückzugeben, reichte sie sie weiter an die Amadeu Antonio Stiftung, mit der Bitte um ein „unabhängiges“ Gutachten. Da wurde der Bock zum Gärtner gemacht. Die Amadeu Antonio Stiftung ist bekannt für ihre pro israelische, pro jüdische und paranoide Einstellung zu Israel und zum Antisemitismus und so fiel das Gutachten entsprechend eindeutig aus. „Es vermittelt den Studierenden ein zutiefst antiisraelisches, in Teilen antisemitisches Weltbild.“ Das Gutachten war kurz, unsachlich und persönlich.

Das Kurzgutachten bestätigte Seidlers Annahme und bestärkte sie darin gegen die im Seminar ihrer „Konkurrentin“ vermittelten Inhalte vorzugehen. Da die Hochschule weiterhin jegliche Kritik von sich wies, setzte sich Seidler mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland in Verbindung. Da lief sie offensichtlich offene Türen ein und Dr. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats nahm sich dieser Sache an, obwohl sie ihn eigentlich nicht anging und er noch weniger wusste, als der Gutachter der Amadeu Antonio Stiftung. Im Mai 2016 überprüfte dann die Ethikkommission der HAWK das Seminar und plädierte für dessen Fortsetzung. Die Kommission schrieb: „Die Ethikkommission hat keine Bedenken gegen die Fortführung der Lehrveranstaltung. Sie sieht keinen Anhaltspunkt, dass in dieser Lehrveranstaltung antiisraelische oder antisemitische Inhalte unzulässiger Weise Propagiert werden.“

Damit ist die Deutungshoheit des Antisemitismus dem Zentralrat und der israelischen Botschaft aus der Hand entrissen worden und das durfte so nicht stehen bleiben. Am Ende haben Zentralrat und Botschaft auch tatsächlich gesiegt und diese ominöse Deutungshoheit in der Hand behalten.

Aufgrund dieser Reaktion wandte sich Frau Seidler an die Presse, ausgerechnet an die Jüdische Allgemeine, die als Sprachrohr der israelischen Politik bekannt ist und die die Sache mit Genugtuung aufgriff und am 21. Juli 2016 unter dem infamen Titel „Hass an der Hochschule“ erstmals über die Vorwürfe öffentlich berichtete. Aber erst der gehässige und hetzerische Artikel von Benjamin Weinthal in der Jerusalem Post, machte das Ganze zu einem Skandal. Von allen Seiten wurde die Hochschule angegriffen und zum „Austragungsort des Palästina-Konflikts gemacht.“ Ziel der zionistischen Attacke war offenbar, mit allen Mitteln zu verhindern, dass unterschiedliche Sichtweisen zu diesem Konflikt an der Hochschule zu Wort kommen, besonders natürlich Israel kritische Sichtweisen. Es sollte mit moralischem Druck und dem unberechtigten Vorwurf des Antisemitismus erzwungen werden, dass nicht genehme Ansichten aus der Hochschule verbannt werden. Das ist eine bekannte, üble und oft angewendete Taktik der Zionisten, die man auch gegen die Nakba-Ausstellung angewendet hatte, in Zusammenarbeit mit diversen jüdischen Gemeinden, mit der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft (DIG) und oft genug mit Parteien und Gewerkschaften. Und obwohl immer wieder Gerichte festgestellt haben, dass die Nakba-Ausstellung weder anti-israelisch noch und besonders antisemitisch sei, wollten es die ewig gestrigen nie akzeptieren und wahrhaben.

Sascha Pommrenke meint dazu, dass weil die Hochschule die Worte „nicht genehme Ansichten“, die sie in ihrer Entgegnung benutzt hat, nicht in Anführungszeichen gesetzt hatte, folgern zu müssen: „Der letzte Satz ergibt natürlich gar keinen Sinn, denn schließlich dient das Material doch „zur kritischen Auseinandersetzung“ oder sind die Materialien jetzt doch „nicht genehme Inhalte“? Solche Fragen kann freilich nur jemand stellen, der keine Ahnung vom Konflikt hat, der rein „akademisch“ an die Sache rangeht und möglicherweise einiges gelesen aber nichts verstanden hat. Nicht genehm sind die Ansichten immer wieder denselben „Verdächtigten“.

Besonders lächerlich macht sich Pommrenke bei seiner Kritik an Erich Fried, dessen hoch moralische Gedichte er kritisiert, ohne sie verstanden zu haben. Er mokiert sich über das Gedicht „Abwesende-Anwesende“, dem er auch noch Nähe zu dem Naziregime bescheinigt. In der gefühllosen Orwell'schen Sprache der israelischen Behörden werden eine Million israelischer Araber als "anwesende Abwesende" bezeichnet: sie waren 1948 in Israel zwar anwesend, aber von ihren Häusern abwesend, weil sie vertrieben wurden. Deshalb konnte ihr Besitz enteignet werden.

Ich wollte Pommrenke testen und fragte ihn: „Was meinen Sie mit: "Die Abwesenden-Anwesenden"? Er antwortete: „Das Gedicht von Erich Fried heißt "Die Abwesend-Anderen". Ist also ein Eigenname“. Damit war klar, dass er nichts kapiert hat und von dem bekannten Begriff, Anwesende-Abwesende (Nochechim-Nifkadim), das eigentlich ein Fach-Terminus war, und inzwischen ein geflügeltes Wort in Israel wurde, keine Ahnung hatte.

Dieses Phänomen kommt oft vor, dass Philosemiten, die keine Ahnung haben, glauben, uns Juden beschützen zu müssen. Da sind mir Antisemiten schon lieber, sie sind zumindest ehrlich. Philosemiten sind aber gewöhnliche Antisemiten, die Juden lieben. Da verhält es sich wie mit einer Person, die einen liebt und die man nicht leiden kann, ja sogar verachtet. Die Person drängt ihre Liebe auf und man hat keine Ahnung, wie man sie loswerden könnte. Da hilft nur das Gebet: „Gott schütze mich vor meinen Freunden, vor meinen Feinden werde ich mich selber schützen.“

Antisemitismus ist immer wieder der Lackmustest der Meinungsfreiheit, ja der Demokratie allgemein, auch wenn Leute wie Pommrenke es nicht glauben und sich darüber lustig machen. Offensichtlich gibt es immer noch Schwierigkeiten beim Erkennen von Antisemitismus, denn die meisten Menschen denken immer noch an den klassischen Antisemitismus, den es aber seit 1945 nicht mehr gibt. Selbst die üblichen Verdächtigten, Pommrenke inklusiv, geben zu, dass dieser Antisemitismus kaum noch verbreitet ist.

Pommrenke, der hier aber nur stellvertretend erwähnt wird für alle Antideutschen, Zionisten und Sprecher der israelischen Hasbara (Propaganda), werden nicht müde Israel Kritiker zu beschimpfen, weil sie angeblich Israels Kriegsverbrechen und tagtäglichen Verletzungen des Völkerrechts mit den Taten Nazi-Deutschland zu vergleichen. Sie selber scheuen sich aber nicht von „Ritualmordlegenden“ zu sprechen, wenn selbst israelische Fachleute wie die Pädagogin und Sozialwissenschaftlerin Nurit Peled-Elhanan, die selber ein Kind bei einem Attentat verloren hatte, von „systematische routinemäßige Ermordung von Kinder“ spricht und beklagt, dass die Schuldigen niemals zur Rechenschaft gezogen werden.“ Für Pommrenke ist das „die Ritualmordlegende im neuen Gewand.“ Die inzwischen Tausenden Kinder, die tatsächlich ermordet wurden, vergleicht er mit den erfundenen Toten der Ritualmordlegenden.

Und er zitiert aus dem Lehrmaterial des Seminars: „Die Kinder in Israel werden innerhalb einer unnachgiebig rassistischen Weltanschauung erzogen. Die rassistische Weltanschauung stoppt nicht an den Checkpoints, sondern regiert alle menschlichen Beziehungen in diesem Land“. Was aber von vielen Israelis bestätigt wird. Pommrenke weiß es aber besser. Er kommentiert wie folgt: „Alle Juden sind auch noch Rassisten.“ Wo war hier die Rede von „allen Juden“? Er macht den klassischen Fehler aller Kritiker der Kritik an Israel. Er setzt immer voraus, dass wir „alle Juden“ meinen, wenn wir Israelis sagen. Dabei versuchen wir immer zu differenzieren, allein die israelische Politik, Benjamin Netanjahu und unwissende wie Pommrenke machen es uns schwer, und natürlich Juden wie Schuster, Knobloch und andere auch. Wenn Israels Politik alle Juden der Welt als Zionisten, als potentielle Israelis, als tatsächliche Israelis vereinnahmt und die Juden in der Welt sich nicht dagegen wehren, sondern noch treu und brav, wie Charlotte Knobloch, bekennen, dass „mein Herz in Israel ist“ und sie alle treu und blind hinter Israel stehen, dann sollte man sich nicht wundern, wenn man Juden für die Verbrechen der Israelis verantwortlich macht. Hat nicht auch Broders Rechtsanwalt Gelbert bekannt: „Wir alle sind Israel“?

Wenn man Zahlen und Fakten zu palästinensischen Flüchtlingen, die von der Deutsch-Palästinensischen-Gesellschaft kommen, als unseriös betrachtet und selbstgerecht fragt, ob es „keine anderen seriösen Quellen“ gäbe, dann disqualifiziert man sich selbst. Man diffamiert das Palästina Portal von Erhard Arendt als „pro-palästinensisches“ Portal ohne zu prüfen, ob es sachliche und wahre Berichte bringt und wirft Arendt vor, er würde Israels Verhalten als „Böse, einfach böse, sadistisch böse“ bezeichnen. Dabei hat der bekannte „seriöse“ israelische Publizist Gideon Levy, dessen Text Arndt veröffentlichte, in der bekannten „seriösen“ Tageszeitung Haaretz just diese Tage einen Artikel veröffentlicht mit dem Titel: „Israel is an Evil State“. Er schreibt am 31. Juli 2016 in Haaretz: „Israel mag nicht Nazi sein, nicht einmal ein faschistischer Staat. Dennoch ist es Mitglied derselben schrecklichen Familie, die Familie der bösen Staaten. Nachdem wir von Nationalismus und Rassismus, Hass auf Araber und Geringschätzung ihres Lebens, vom Kult der Sicherheit und die Ablehnung der Besatzung und der messianischen Aufopferung gesprochen haben, muss man noch eine Komponente erwähnen, ohne die man das Regime der israelischen Besatzung nicht erklären kann: das Böse. Das „lupenreine“ Böse, das sadistische Böse, das Böse schlechthin. Manchmal ist es die einzige Erklärung.“ Und ein Tag vorher konnte man im Leitartikel der Redaktion lesen: „Der Rassismus korrumpiert uns!“

Pommrenke hat dazu aber nichts anderes zu sagen als: „Es ist der Duktus der Verleumdung und der Duktus des radikalen Fanatismus, der keine Differenzen kennt.“ Dabei hat Gideon Levy sehr wohl differenziert, Philosemiten wie Pommrenke wissen aber nicht zu differenzieren. Sie lieben Israel, sie lieben die Juden, aber es ist eine blinde Liebe, die die Fehler des Geliebten nicht einsehen will. Man will nichts von der „Israel-Lobby“ wissen und versucht die Behauptung „die Juden sind mächtig und können alle anderen mit der Antisemitismuskeule zum Schweigen bringen“ als Antisemitismus hinzustellen. Dabei stimmt diese Aussage nur in einem Wort nicht. Es sind nicht die „Juden“, sondern die Israelis. Wie kommt es sonst, dass der israelische Journalist Benjamin Weinthal, der möglicherweise gar kein Journalist ist, sondern ein Agent der israelischen Propaganda, wissen konnte, dass die Commerzbank mein Konto gekündigt hatte, noch bevor ich es wusste. Er schrieb mir am 8. Juni 2016 um 18:43: Shalom Herr Melzer, mein Name ist Benjamin Weinthal. Ich bin der Europa-Korrespondent der Jerusalem Post, Israels größter englischsprachiger Zeitung. Ich habe eine Frage; trifft es zu, dass Ihr Konto bei der Commerzbank geschlossen wurde? Am 9. Juli 2016 schrieb er: Mit welcher Begründung hat die Commerzbank Ihr Konto gekündigt? Und am 4. August 2016 steigerte er sein unzumutbares Drängen in ein inquisitorisches Fordern:; Können Sie mir bitte das Schreiben bezüglich der Schließung Ihres Commerzbank-Kontos zusenden?

Mir ist bis heute noch keine Begründung der Commerzbank zugegangen und ich frage mich, ob das nicht ein Fall für die Staatsanwaltschaft sei.

Pommrenke wirft aber dem Bremer Journalisten Arn Strohmeyer Antisemitismus vor, weil er „ohne Kenntnis der Sachlage“ geschrieben hatte: „Man kennt das inquisitorische Vorgehensmuster der Zionisten und der Israel-Lobby seit Jahren: jeden Hauch von Kritik an der israelischen Politik …mit dem Totschlagargument des Antisemitismus-Vorwurfes zu unterbinden.“ Wenn man freilich schon so lange dabei ist, wie Arn Strohmeyer oder wie ich, dann kennt man den „langen Arm der Israelis“. Wenn man aber keine Ahnung hat, wie Pommrenke, dann kann man auch Evelyn Hecht-Galinski vorwerfen, sie würde „ohne jegliche Kenntnis der Sachlage auf dem dezidiert „antizionistischen“ Onlineportal NRZ kommentieren. Warum das NRZ-Portal „antizionistisch“ ist kann und will Pommrenke nicht erklären. Warum auch? Es reicht wenn er es behauptet. Ich bin kein Freund von EHG, aber ihr vorzuwerfen, sie hätte keine Kenntnis der Sachlage, ist nicht nur naiv, sondern auch dumm.

Pommrenke bejammert die Tatsache, dass es in der Welt „der Arendt, Strohmeyers und Hecht-Galinskis“ keine Antisemiten mehr gibt. Da kann er aber einige hundert und tausend weitere Namen hinzufügen, von prominenten und weniger prominenten Kritiker der Israelischen Politik wie Uri Avnery, Gideon Levy, Amira Hass, Alan Hart, Noam Chomsky und, und, und. Es mag sein, dass es noch hier und da Antisemiten gibt, aber die sind mir und uns allen egal.

Beleidigend und ein Fall für die Staatsanwaltschaft oder zumindest für den Presserat wird Pommernke, wenn er Arn Stromeyer „Küchenpsychologie“ vorwirft und behauptet, der konkrete Fall der HAWK sei ihm egal, ebenso wie ihm das Schicksal von Köhler vollkommen egal ist. „Ihm geht es ausschließlich darum, einen neuen Anhänger zu haben, um seine antiisraelischen und antisemitischen Vorstellungen an seine Leserschaft zu bringen.“ Mir kommt das aber auch sehr „küchenpsychologisch“ vor, ganz abgesehen davon, dass es einige Paragrafen des Strafgesetzbuches erfüllt. Dabei bin ich der Meinung, dass es genau umgekehrt ist, der Israel-Lobby ist die HAWK und alle Beteiligten vollkommen gleichgültig und sie benutzen den Fall, so ähnlich wie Erdogan den „angeblichen“ Militärputsch benutzt hat: Ein Geschenk Gottes.

Pommrenke meint, dass die Israelis und nicht die Palästinenser in diesem Konflikt die wirklichen Opfer sind. Dabei hat doch der Zionist und selbst ernannte Reaktionär Henryk M. Broder gesagt: „Die Israelis sind Täter – und Täter sein macht Spaß“. Es geht also nicht, wie Pommernke meint, „um die Deutungshoheit, wer Opfer und wer Täter“ ist. Das ist schon allein angesichts der Zahl der palästinensischen Opfer und der Tatsache, dass sie ihre Heimat verloren haben, absolut klar und deutlich und wird von vielen Israelis zugegeben. 1952 hat der damalige Außenminister Moshe Sharett anlässlich einer Debatte über die Wiedergutmachung in der Knesset, gesagt, dass wenn man genügend Geld von den Deutschen bekommen würde, man auch die Palästinenser entschädigen würde. So spricht kein Opfer.

Pommrenke spricht immer wieder von „einseitige antiisraelische Propaganda, die nicht selten in überraschend plumpen Antisemitismus daher kommt.“ Er vergisst aber immer wieder zu verraten wie er das erkennt und wodurch sich seiner Meinung nach „plumper Antisemitismus“ ausdrückt. Er behauptet immer wieder „das Seminar verwende Material, dass ausschließlich dem Zwecke dient, Israel und häufig auch verallgemeinernd „die Juden“ zu dämonisieren und Israel zu delegitimieren“. Konkret nennt er aber keine Beispiele. Er fragt scheinheilig „Wie sieht es mit den Menschenrechten in den von den Hamas kontrollierten Gebieten aus?“ Dabei vergisst er zu erwähnen, dass alle von der Hamas kontrollierten Gebiete ihrerseits von den Israelis kontrolliert werden. Sind denn in einem Gefängnis die Gefangenen für die schlechten Zustände verantwortlich, oder die Wärter?

Pommrenke behauptet, dass die gesamte Materialauswahl zum Seminar an der HAWK darauf abzielt, Gefühle gegen Juden zu schüren. Gegen Juden? Nicht gegen Israelis? Dabei schreibt er einige Seiten weiter: „Es sollte also nicht darum gehen, den Involvierten der HAWK Antisemitismus vorzuwerfen.“ Worum sollte es dann sonst gehen? Um Israel?

Es ist schon erstaunlich wie sehr Israel und seine zionistische Regierung die Stimmung an deutschen und auch US-amerikanischen und anderen Hochschulen fürchten, mehr noch als alle arabischen Armeen zusammen. Warum fürchtet Israel den BDS-Boykott mehr als die iranische Atombombe (die es noch gar nicht gibt)? Ja, Israel fürchtet delegitimiert zu werden und tut aber alles damit es passiert. Israel behauptet die moralischste Armee der Welt zu haben und will nicht sehen, dass seine Armee genauso Kriegsverbrechen begeht, wie jede andere Armee auch. Israel will, wie es der biblische Prophet Jesaja gefordert hat, „ein Licht für die Völker“ sein, aber es ist nur ein Waffenhändler geworden, der die jüdische Ethik und Moral mit Militärstiefel zertritt.

Das tut weh und man will es nicht wahrhaben, andererseits will man aber auch die „süßen Früchte“ der diversen Siege behalten, ein anderes Volk weiter unterdrücken und sein Land rauben. Man verhandelt über Rückgabe bis es nichts mehr zurückzugeben gibt. Man verhandelt über die Verteilung einer Pizza, wie es Uri Avnery beschrieben hat, und isst währenddessen die gesamte Pizza auf. Es gibt schon lange nichts mehr, worüber Israelis und Palästinenser verhandeln könnten, aber man tut immer noch so als ob. Israels rechtsradikaler früherer Außenminister Avigdor Lieberman sagte: „Ich bin bereit noch 100 Jahre zu verhandeln, Haupsache es kommt nichts dabei heraus.“

Man ignoriert Kritik und behauptet, wie es Pommrenke macht, „Der extreme Anti-Israelismus, der heute die vorherrschende Meinung für antisemitische Vorurteilsbekundungen ist, hat nichts mit Israel-Kritik gemein. Anti-Israelismus ist eine feindselige Einstellung gegenüber dem jüdischen Staat und einfach nur destruktiv.“ Anti-Israelismus würde teils nur antisemitische Bilder vermitteln. „Klassisch könnte man auch sagen, hier werden die „Gerüchte über Juden“ gestreut.

Primitiver und absurder geht es nicht mehr. Als ob die Kritik an Israels Politik unbegründet und nur ein „Gerücht“ wäre. Als ob man ein Antisemit sein muss, um Israels Kriegsverbrechen zu verurteilen. Die israelische Bewegung „Breaking the Silence“ wird vom Staat diffamiert und dabei gehören dieser Bewegung inzwischen Tausende israelischer Soldaten. Von allen anderen Organisation ganz zu schweigen, die heute in Israel einen sehr schweren Stand haben, weil sie nichts anderes tun, als Unrecht zu bekämpfen, weil sie nichts anderes tun, als über Unrecht zu reden. Ich wünschte die Zionisten und Philosemiten in Deutschland würden es auch tun.

Besonders peinlich und man kann fast sagen widerlich wird Pommrenke, wenn er von der „deutschen Kontinuität“ schreibt. Er beklagt, dass es „einen latenten Antisemitismus gibt, der hier seinen Ausdruck im israelbezogenen Antisemitismus findet, getarnt als Israelkritik“. Wie es sich ausdrückt kann er freilich nicht beschreiben und richtet sich nach Henryk M. Broder, dem Urvater aller zionistische Polemiker - Warum sachlich, wenn es auch persönlich geht. Kritik an Israels Kriegsverbrechen ist halt antisemitisch: Weshalb? Deshalb! Man behauptet, dass Israel Ungerechtigkeiten „vermeintlich“ repräsentiert. Die mehr als 2000 Tote in Gaza waren nur „vermeintlich“ und zählen tun nur die 14 israelischen Toten, die in diesem Massaker gefallen sind. Die 500 Kinder, die 2014 getötet wurden, übergeht man.

Man jammert darüber, dass der Zentralrat der Juden, die Journalisten, die sich pro Israel positionieren und in diesem Fall Rebecca Seidler und viele anderen mit Beleidigungen und Drohungen überzogen werden. Dass aber Kritiker Israels seit Jahrzehnten mit Drohungen, Beleidigungen und Diffamierungen überzogen werden wird verschwiegen. Dabei ist doch die Behauptung man sei Antisemit eine der schlimmsten, gefährlichsten und existenzbedrohendsten Drohungen, die es seit Jahren gibt. Am Ende steht der Vernichtungswunsch, dessen sollte man sich bewusst sein, wenn man Antisemitismusvorwürfe erhebt. Und wenn es einen am Ende doch trifft, dann war er selber schuld. Existierende Fälle sprechen für sich. So behauptet Sascha Pommernke dass das kritisierte Seminar für den Konflikt an der HAWK die Schuld trägt, weil es, wie kann man es nicht sehen, antisemitisch sei.

Rosa Luxemburg, die tapfere Jüdin, sagte: „Freiheit ist immer auch die Freiheit des anders denkenden.“ Unser Grundgesetzt erlaubt uns anderer Meinung als der Zentralrat der Juden zu sein oder als die offizielle israelische Hasbara. Wir dürfen auch Netanjahus Meinung widersprechen und die Palästinenser dürfen ihre Version der Nakba verbreiten. Wenn es den Zionisten nicht Passt, dann dürfen sie ihre eigene Ausstellung machen und dort ihre Propaganda und ihre Lügen verbreiten. Keiner wird sie daran hindern.

Und deshalb dürfen wir hoffen und fordern, dass auch wir unsere Auffassung frei, unzensiert und ohne Drohungen und Diffamierungen verbreiten dürfen, auch wenn manches nicht wahr sein sollte. Wir erwarten, dass man dann auf falsche, unwahre Behauptungen aufmerksam gemacht wird, ohne dass man gleich eine Ausstellung schließt oder ein Seminar suspendiert.

 

 

 

 


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