„Ich liebe meinen Bruder“ von Adam
Maor
(ein Plädoyer für seine Verweigerung des Militärdienstes)
(Aus dem
Hebräischen: Nurit Peled-Elhanan)
Ich habe große Schwierigkeiten, wenn ich meine
Weigerung, in der israelischen Armee zu dienen, zu erklären versuche.
Ich habe Mühe, den Weg aufzuzeigen auf dem meinem Gewissen klar wurde,
dass für mich der Militärdienst heute im Gegensatz zu den meisten meiner
Werte steht. Es ist auch schwierig für mich, den Prozess zu beschreiben,
der mich zu dem Schluss brachte, wenn ich in die Armee eintrete,
bedeutet das für mich, dass ich ein Komplize der Übeltäter gegenüber
fast 10 Millionen Menschen werde.
Die Besatzung ist
nämlich nicht unsere einzige Sünde seit 1967; sie besteht aus einer
Reihe von Sünden, die mit schlechter Verwaltung unmoralischer Handlungen
zusammenhängt. Besatzung ist eine unmoralische, andauernde Tätigkeit. Es
ist eine sich immer wieder erneuernde Sünde, die Hunderte und Tausende
von Sünden auf täglicher Basis begeht. Sogar jetzt, wo wir hier in
diesem wunderschönen Gebäude zusammensprechen, wütet die Besatzung frei
durch ganz Palästina und verschont niemanden. Checkpoints, Fahrverbot,
häufige Ausgangssperren, aber am schlimmsten die erstickende Gegenwart
der Unterdrückung durch die Siegerarmee, die die Einwohner Palästinas
quält, so wie sie sie in den vergangenen 36 Jahren gequält hat.
Da ich hier, trotz
der Schwierigkeiten, Zeugnis darüber ablegen muss, habe ich ein paar
typische Beispiele ausgewählt, die ich selbst erlebt habe und die mich
besonders berührt haben.
Ich will vor Ihnen
die Fälle und Fakten darlegen, die ich erfahren habe, aber auch meine
persönliche Ansicht über die Dinge und die Folgerungen daraus. Am Ende
meines Zeugnisses will ich über die Faktoren reden, die bei der Bildung
meiner Weltsicht, meines Gewissens und meiner Ideen wichtig waren und
die die israelische Besatzung der Westbank und den Militärdienst
betreffen.
Taayush
( T. ist eine
israelisch-palästinensische Organisation, die es sich zur Aufgabe
gemacht hat, Palästinensern beim täglichen Überlebenskampf unter
Besatzung zu helfen und unnötige Schikanen an den Checkpoints und auf
den Straßen zu verhindern)
Aktion im Dorf
Yanun. Yanun ist ein winziges
Dorf nicht weit vom palästinensischen Ort Akraba und der israelischen
Siedlung Itamar. Nach dem Osloabkommen zwischen Israel und Palästina und
der Idee einer permanenten Lösung sollte Itamar aufgelöst werden. Um die
Auflösung zu verhindern, entschied man, eine durchgehende Reihe von
Siedlungen zwischen Itamar und dem Jordantal zu schaffen, einer Region,
die keine israelische Regierung aufgeben wollte. Um die durchgehende
Linie aufrecht zu erhalten, wurden 4 Siedlungen gegründet: Gidonim
1,2,3. und die For-ever-Ranch – nach israelischem Gesetz alles illegale
Siedlungen. Alle diese Siedlungen umgeben die Ruinen von Yanun und
liegen auf den Hügeln rund herum. Übrigens war es für Yanun seit 1992
von der zivilen Verwaltung Israels verboten, sich auszudehnen. Durch die
verbotene Expansion und dem Verbot, neue Häuser zu bauen, verurteilte
die zivile Verwaltung– ohne ersichtlichen Grund – alle jungen Paare,
außerhalb des Ortes zu leben, und begrenzte so die Bevölkerung auf alte
Leute und ihre kleinen Kinder.
Nach dem Ausbruch
der Intifada, fingen die Siedler an, die Dorfbewohner zu tyrannisieren,
um sie wegzuscheuchen. Die Siedler drangen in die Häuser der
Dorfbewohner ein, schlugen sie, wuschen sich, ihre Hunde und ihre Wäsche
in dem Trinkwasser des Dorfes. Sie beraubten die Dörfler und behinderten
sie an der Olivenernte – die Oliven sind aber die einzige
Lebensgrundlage. Nachts kamen die Siedler von Gideonim, stiegen auf die
Dächer von Yanun mit dem einzigen Ziel, die Bewohner in Angst und
Schrecken zu versetzen.
All diese
schrecklichen Taten waren dem Militär und den zivilen Behörden wohl
bekannt, weil dies in der Zone C geschah, die immer unter israelischer
Kontrolle war. In den andern von Israel besetzten Gebieten gab die Armee
und die zivilen Behörden stillschweigend zu solchen Aktionen ihr
Einverständnis und behinderte sie nicht daran, obwohl sie wussten, dass
solches Tun im Gegensatz zu jedem moralischen Maßstab war.
Während einer der
Angriffe näherte sich der Dorfälteste den Siedlern, die dabei waren, das
Trinkwasser des Dorfes zu verunreinigen, und bat sie, dieses Wasser
nicht zu benützen, weil es die einzige Trinkwasserquelle des Dorfes
wäre. Ein paar Tage später kamen ein paar junge Männer zu seinem Haus
und schlugen ihn vor seiner Frau und den Kindern bewusstlos. Am selben
Tag erhielt er einen Anruf von einem Mann mit Namen Avri Ran. Er
übernahm die Verantwortung für das Schlagen und warnte ihn, sich noch
einmal in die Aktionen der Siedler einzumischen. Dieser Mann sagte, dass
diese Schläge nur eine Lektion war, die ihn lehren sollte, wer die
Region kontrolliert. Das nächste Mal würde es viel schmerzvoller werden.
Diese Aktionen war nicht einmalig. Sie wurden immer schlimmer und wurden
zur Routine. Nach zwei Jahren unaufhörlicher Schikanen gegenüber den
Einwohnern von Yanun, verließen sie das Dorf. Kurz vor dem Verlassen
ermordeten die Siedler Hani Ben Mania im Olivenhain in der Nähe des
Dorfes Akraba.
Ich kam mit einer
Taayush-Aktion ins Dorf, bei der Aktivisten im Dorf schlafen sollten, um
die Dorfbewohner, von denen einige dann tatsächlich nach Hause kehrten,
vor den Siedlern zu schützen. Der Weg dorthin war nicht ohne Probleme.
Die israelische Armee ist gegenüber solchen Aktionen sehr feindlich und
versucht sie zu stoppen und überall zu unterbrechen. Uns war gesagt
worden, dass es auf dem Weg nach Akraba eine Militärsperre gibt und dass
wir einen Umweg machen müssten auf einer Straße, die von der Armee
zerstört worden war, sodass Palästinenser nicht mehr auf ihr fahren
konnten. Wir wollten bei der Olivenernte helfen, doch weil wir zu spät
waren, gingen wir direkt zum Dorf. Unterwegs sahen wir Leute, die an
einem Generator arbeiteten, den die Siedler in Brand gesteckt hatten.
Im Dorf angekommen,
ließen wir uns in einem Haus nieder, das man uns geliehen hatte. Dann
gingen wir vor Sonnenuntergang durchs Dorf. In der Dämmerung sahen wir
Leute sitzen und mit einander plaudern und nicht weit von ihnen eine
Gruppe spielender Kinder. Es war ein unglaublicher Anblick, dessen sich
das Dorf erfreute. Und ich sah auf jedem Hügel, den Kreuzfahrerfestungen
ähnlich, die Höfe von Gideonim, die einen großen Schatten auf die ganze
Gegend warfen. Ich musste nicht weit gehen, um zu entdecken, dass die
Atmosphäre friedlichen Lebens, wie sie mir die Leute zu meiner Linken
vermittelten, nichts als eine Illusion war. Das Haus, aus dem ich kam,
war eines von denen, die das Tal überblickten. Von seiner Rückseite sah
ich das verlassene Dorf, seine im Zwielicht gespensterhaften Häuser, die
an dort begangene Gräueltaten erinnerten. Mir war klar, dass ich nicht
nur auf Yanun schaute, sondern auf eine Wiederholung verwüsteter Dörfer
in der Geschichte, auf Pogrome in anderen Ländern und zu einer anderen
Zeit – nur diesmal waren wir die Kossacken.
Jeder, der sah oder
hörte, was in Yanun geschah, würde erschreckt sein. Keiner mit gesundem
Menschenverstand würde die Tatsache in Frage stellen, dass Avi Ran, der
all diese Aktionen angeführt hatte, ein Terrorist ist, ein Beispiel für
einen Terroristen. Ich möchte aber betonen, dass mein Zorn sich nicht
gegenüber Avri Ran und seiner Bande erhob. Religiöser und national
fanatischer Fundamentalismus und rassistische Manifestationen wie diese
sind überall ein Teil der Geschichte, und das jüdische Volk unter
anderen Minoritäten hat diese immer wieder erlebt. Meiner Ansicht nach
ist nun die Frage, wie hat die gesunde/ vernünftige Mehrheit in solchen
Fällen reagiert?
Es ist ganz sicher,
wäre Avri Ran mit seinen Burschen in mein Haus eingebrochen, hätte er
mich geschlagen und ausgeraubt, das wäre nicht zwei Jahre lang
unbehelligt so weitergegangen oder nur mehr als einmal. Es ist auch ganz
sicher, wenn die pal.Dorfbewohner von Yanun sich einer jüd. Siedlung
genähert hätten, dann hätte die Armee sehr schnell reagiert. Aber Avri
und seine Burschen erfreuen sich der Immunität, wenn nicht gar der
Zusammenarbeit mit der Armee und allen anderen israelischen Behörden in
den besetzten Gebieten. Die vernünftige Mehrheit stoppt in diesem Fall
nicht nur nicht die Terroristen; sie finanziert und schützt sie und
kooperiert mit ihnen. So geschieht es, dass Leute, die nichts mit diesen
fanatischen Hooligans gemeinsam haben, sie schützen, zwischen ihnen und
deren Opfer unterscheiden und viele andere Taten der Armee unterstützen,
um die kriminelle Besiedlung der Westbank zu fördern, z.B. auch die
Annexion von Gebieten unter dem Vorwand von Sicherheitsbedürfnissen und
mit dem Ziel, später Siedlungen darauf zu bauen und noch mehr Vergehen
von Diskriminierung und Apartheid zu begehen. Wenn die Armee zum
Werkzeug der fanatischen Fundamentalisten wird, dann wird jeder einzelne
ihrer Soldaten, unwissentlich oder unbedacht selbst zu einem fanatischen
Fundamentalisten.
Die Höhlen in
den südlichen Hebroner Bergen.
Eine andere Aktion von Taayush, an der
ich mich beteiligte, war die Fahrt in die südlichen Hebroner Berge. Wie
man uns im voraus sagte, verhinderten Siedler die Kinder daran, zur
Schule zu gehen, da die Straße zu ihr an einer Siedlung vorbeiläuft. Sie
würden Steine auf die Kinder werfen und sie mit ihren Waffen bedrohen.
Die Folge dieser Drohungen: die Kinder müssten zweimal am Tag 7km
laufen, statt des üblichen 1km Schulweg. Deshalb war ein Drittel der
Kinder – meist 1. und 2. Klasse - der Schule ferngeblieben, da sie
unfähig waren, so weit zu gehen. Unsere Aufgabe war es nun, die Kinder
zur Schule zu begleiten und sie vor ihren Angreifern zu schützen. Wir
brachten auch zwei LKWs mit Wasser mit und Schulbedarf. Ich kam also, um
die Kinder gegenüber den Siedlern abzusichern. Keiner stoppte die
Schikanen gegenüber diesen Kindern.
Aber als wir
ankamen, erfuhren wir, dass die Siedler das geringste Problem waren.
Hier – im Gegensatz zu Yanun – war es nicht die Armee und die
Zivilbehörden, die den Siedlern halfen, sondern umgekehrt, diese halfen
ihnen, Verbrechen zu begehen. Die südlichen Hebroner Berge waren wieder
C-Gebiet, das vollkommen von Israel beherrscht wird. Die (pal.) Bewohner
leben dort seit 1830 und haben eine einzigartige Kultur und eine
besondere Lebensweise entwickelt. In den 1970er Jahren wurde dieses
Gebiet zum militärischen Sperrgebiet erklärt, wieder unter dem
unerklärten Vorwand von Sicherheitsbedürfnissen. Aber seitdem hat an
diesem Platz nie eine Armeeübung stattgefunden. 1977,1982 und 1997 gab
es Versuche, die Bewohner zu vertreiben, indem ihre Hütten und Gebäude
zerstört wurden. Später wurden sie von ihren Besitzern wieder aufgebaut.
1984 gab es eine endgültige Vertreibung der Bewohner von Hirbet Algeneba.
Die Höhlen, in denen die Leute seit Generationen lebten, wurden
blockiert und die Brunnen mit Dreck gefüllt. Der Status der südlichen
Hebroner Berge hat sich 1994 vollkommen verändert, als die Option einer
israelisch-palästinensischen Lösung zur Sprache gebracht wurde. Moshe
Yaalon, heute der Generalstabschef der israelischen Armee, sagte am 15.
Februar 2000 bei einem Gespräch mit israelischen Schriftstellern, dass
in dem Augenblick, wo Israel ein Abkommen über endgültige Grenzen
bevorsteht, es ein Interesse gibt, dieses Gebiet in israelischen Händen
zu halten. Das bedeutet, dass dies von der einheimischen Bevölkerung
„gereinigt“ werden müsste und mit israelischen Bürgern besiedelt werden
sollte. Mit einem anderen Wort: Transfer, Vertreibung.
Im November 1999
vertrieb das Militär 750 Menschen aus ihren Wohnbereichen und zwang sie
so, sich bei Winterkälte im Freien aufzuhalten. Armeebulldozer
zerstörten jede Unterkunft, jede Hütte, jedes Strohhütte und Gebäude und
verschloss alle Höhlen. Im Frühling 2000 nach einem harten Winter der
Heimatlosigkeit und einem fortdauernden Kampf durch
Menschenrechtsgruppen informierte der Oberste Gerichtshof die Armee, die
Leute wieder in ihre Heime zurückkehren zu lassen.
Eine gründlichere
Vertreibung geschah im Juli 2001 nach dem Mord von Yair Har Sinai, einem
Siedler der Gegend. Die Armee kam ein paar Tage nach dem Mord und
zerstörte das Dorf in beispielloser Weise. Die Höhlen, die beim ersten
Mal nur verschlossen worden waren, wurden nun vollkommen zerstört, die
Ernte vernichtet, das Vieh getötet, die Brunnen vollkommen zerstört. Das
Eigentum der Leute wurde verwüstet, und die ganze Aktion wurde durch
unbarmherzige Akte der Gewalt begleitet. Schockgranaten wurden gegen
unbewaffnete Zivilisten geworfen, die sich in ihren Wohnhöhlen versteckt
hielten, um die Vertreibung zu beschleunigen. Unschuldige Leute wurden
zusammengeschlagen, obwohl sie keiner Sache beschuldigt wurden. Unter
den Vertriebenen waren Leute, die vom Obersten Gericht informiert waren,
dass sie in ihre Wohnhöhlen zurückkehren könnten.
Die Armee war so
eifrig, dass sogar die vom Roten Kreuz zur Verfügung gestellten Zelte
zerstört und alle humanitäre Hilfe verboten wurde. Diese Aktionen
wurden ohne Vorwarnung ausgeführt und mit vollständiger Nichtbeachtung
der Order des Obersten Gerichtshofes. Nach Zeugenaussagen, die von der
Menschenrechtsorganisation B’tselem gesammelt worden waren, waren 15
Zivilisten unter den Militärs, einige mit einer Kippa auf dem Kopf. Die
Soldaten sagten zu den Einwohnern, dass sie einen Vater von neun Kindern
getötet hätten und dass ihre Strafe noch zu leicht sei.
Die Dörfler, die
zum größten Teil Hirten waren, konnten nicht weggehen und blieben dort
obdachlos, ohne Wasser und ohne Herde. Als wir in dieses Gebiet kamen,
wurde uns von der Armee gesagt, dass dies eine Militärsperrzone sei. Das
Wasser, das wir irgendwie den dort gebliebenen Leuten brachten, war am
nächsten Tag ausgelaufen, weil die Soldaten den einzigen Brunnen
gesprengt hatten....
Da wir nicht tun
konnten, was wir tun wollten, fuhren wir durch das Gebiet und sahen
dort, was wir schon in Yanun gesehen hatten: Zerstörung, Ruinen und ein
paar verzweifelte Leute. Wir verbanden unser Telefon mit Lautsprechern,
um in der Lage zu sein mit den Leuten zu sprechen – und was ich niemals
vergessen werde: von der anderen Seite der Leitung hörten wir plötzlich
die Kinder, die wir eigentlich zur Schule bringen wollten. Sie sangen
Friedenslieder. Wieder sah ich mich einer Situation gegenüber, die ich
nicht ertragen konnte. Dieses Mal war es im Gegensatz zu Yanun, nicht
die Aktion von ein paar Wahnsinnigen vom Rande der Gesellschaft, sondern
ein organisiertes Verbrechen, begangen von Soldaten in meinem Alter oder
gar jünger. Von jungen Leuten, die nicht unbedingt diese Aktionen gut
heißen und die vielleicht gar nicht begriffen haben, was sie getan
haben. Sie erhielten einen Befehl zu vertreiben – und sie gehorchten.
Sie gehorchten Befehlen, die kategorisch unmoralisch waren.
URI.
Doch kann ich nicht die Schuld für
all die üblen Taten, die ich bis jetzt beschrieben habe, den Soldaten in
die Schuhe schieben, die sie tatsächlich begangen haben, weil ich die
Soldaten genau so wie die Palästinenser, ja, auch die Opfer der
Selbstmordattentäter als Opfer der israelischen Besatzung sehe. Deshalb
will ich ihnen von Uri erzählen, den ich im Gefängnis getroffen habe,
natürlich nicht weil er den Dienst verweigert habe. Ich traf Uri während
meiner ersten Nacht im Gefängnis. Ich hatte kein Bett, er bemerkte es
und „organisierte“ mir eines, was gar nicht so einfach war.
Wenn man ins
Gefängnis kommt, wird man kurz über den Ort und die Normen unterrichtet
und erst später wird man nach der Art des begangenen „Verbrechens“
gefragt, und woher man kommt und warum man hier ist. Die Reaktionen auf
Verweigerung aus Gewissensgründen waren unterschiedlich, wurden aber
gewöhnlich irgendwie anerkannt. Die meisten Fragen betrafen gewöhnlich
technische Aspekte und die Konsequenzen solchen Tuns. Einige fragten
nach den Motiven. In jener Nacht war die Reaktion untolerant und zornig.
Besonders einer der Mitgefangenen schrie mich an und Uri beschwichtigte
ihn. „Ich möchte wissen, was er zu sagen hat“. Später saßen wir zusammen
und redeten. Jeder erzählte von seinen Erfahrungen in den besetzten
Gebieten. Unser Gespräch war von da an immer höflich und ruhig. Uri
kommt aus Yeruham, einer armen und benachteiligten Stadt im Negev, wo
der größte Teil der Bevölkerung marokkanischen Ursprungs ist und
orthodox was dieReligion betrifft.
Uri behauptete,
dass er, als er zur Armee ging, ziemlich frei von irgend welchen
politischen Neigungen war; außer einem tiefsitzenden Hass gegenüber
allen Arabern und dem Wunsch, sie alle zu töten, der sich bei der Armee
entwickelte. Er kümmerte sich sonst nicht um Politik und Politiker.
Er wusste nichts von einer „Grünen Linie“ ( die
Grenzlinie, die Israel vor 1967 von den besetzten Gebieten trennte),
oder was das Oslo-Abkommen war. All diese politischen Begriffe waren für
ihn ohne Bedeutung. Uri diente in einem regulären Regiment und war
mächtig stolz auf seine Einheit. Er behauptete, dass er all seine Werte
während des Militärdienstes erworben habe und dass seine Persönlichkeit
dort geprägt wurde. Als ich ihn fragte, wie einige der Dinge, die er
tat, mit den Idealen .
der Menschenwürde
zusammenpassten und mit der „Reinheit der Waffen“, antwortete er ohne zu
zögern: „Dies zählt nicht; die Palästinenser sind keine menschlichen
Wesen.“
Eines Nachts nahmen
Uri und seine Einheit einen Mann gefangen, der im Begriff war, in eine
Siedlung einzudringen. Sie überließen ihn während der Nacht den
Siedlern. Am nächsten Morgen fanden sie ihn blutend und voll blauer
Flecken an einem Baum festgebunden; ein Zehennagel und einige Zähne
fehlten. Die Soldaten ließen ihn noch einen letzten Wunsch aussprechen.
Er bat um eine Zigarette. Sie zündeten eine Zigarette an und löschten
sie auf seiner Zunge aus. Sie waren im Begriffe – auf Befehl ihres
Kommandeurs – ihn zu töten, als einer der Siedler kam und ihnen sagte,
die Gefangennahme eines lebenden Terroristen sei berichtet worden, und
dass Reporter auf dem Wege seien. Bei einer anderen Gelegenheit nahmen
Uri und seine Freunde die drei Kinder einer Familie eines nach dem
anderen und simulierten, sie zu töten, um die Zusammenarbeit ihrer
Eltern zu erzwingen.
Es gibt wenig
Menschen, deren Freundschaft ich so sehr schätze wie die von Uri. Aber
ich konnte nicht glauben, dass dieser sensible, rücksichtsvolle und
weiche Bursche dieselbe Person ist, die all diese Taten begangen hat,
von denen er mir erzählt hat.
Nachdem ich in
psychologischer Fachliteratur nachgelesen hatte, verstand ich dies
besser: Uri dient in der Armee unter Bedingungen der Furcht. Die Furcht
weckt in ihm den Impuls der Aggressionen. Selbst nach dem die Bedrohung
neutralisiert war ( der Mann war unbewaffnet), blieb er voller
aggressiver Gefühle. Er hasste den Mann und wollte ihn töten. Er wurde
eine gespaltene Persönlichkeit: er konnte Uri den moralischen Mann nicht
mit Uri dem aggressiven versöhnen, so hat er die Menschlichkeit des
anderen ( des Palästinensers) geleugnet und so sich von der Schuld des
Folterns freigesprochen.
Ein anderer Aspekt
muss berücksichtigt werden, der soziale. Wenn Uri nicht seinen
Verteidigungsmechanismus aktivieren kann, der ihm erlaubt, aggressiv zu
sein , riskiert er, ein Ziel der Verachtung, der Kritik und sogar der
Bestrafung durch den Kommandeur zu werden. Sehr wenige dieser jungen
Leute können diesen Preis ertragen. Ein Artikel, den ich las, endete mit
folgendem Satz: „Auf diese Weise wird aus einem 19 jährigen Gymnasiasten
auf einmal ein Richter, ein Henker und ein Totengräber ... Auf diese
Weise wird aus einem unschuldigen, sensiblen Jungen ein gewalttätiger“
Was wird aus Uri in
der Zukunft? Eine übertriebene Anwendung des Verteidigungsmechanismus’
macht einen oberflächlich, hart und verschlossen. Es ist eines der
Merkmale einer kranken Persönlichkeit und einer der Gründe für einen
möglichen Nervenzusammenbruch in der Zukunft, wie es immer wieder in
psychologischen Berichten über Soldaten und Ex-Soldaten nachgewiesen
wird.
Unerträgliche
Schuld, Scham, Alpträume und Ruhelosigkeit, Angstanfälle sind nur ein
paar der Nachwirkungen von begangenen Taten, ohne sie dem eigenen
Gewissen zuzugestehen.
Das wissen wir von Leuten, die um Hilfe bitten.
Die meisten bleiben innerhalb dieses Gefühlstrudels, ohne zu erkennen,
was mit ihnen geschieht.
Wenn man weiß, dass
das Hinausschicken von Leuten, um eine zivile Gesellschaft zu erobern
und zu unterwerfen, nicht nur unnötig sondern auch kriminell ist, wenn
man weiß, dass solch ein Dienst das Urteilsvermögen trübt und ihn sein
Leben lang psychisch zum Krüppel macht, so kann und will ich es nicht
tun. Ich mache mir keine Sorgen um meine Seele, weil ich meinem
Bewusstsein und meiner Stärke vertraue, zwischen Moral und Unmoral
unterscheiden zu können. Aber ich will nicht bei einem doppelten
Verbrechen beteiligt sein: dem Verbrechen gegen die palästinensische
Bevölkerung und dem Verbrechen gegenüber der israelischen Jugend.
Nachdem ich Uri
kennen gelernt habe, bin ich noch sicherer, dass ein Mann in dieser
Situation kein moralisches Urteil haben kann. Sein Urteil ist von Furcht
und Angst getrübt und ist gegen Leute gerichtet, die nicht in der Lage
sind, sich selbst zu schützen, weil er hoch ausgerüstet ist. Ich will
keine Verantwortung für den psychischen Zustand von Soldaten und deren
Taten übernehmen, weder als Partner noch als Mittäter.
Brian:
hier ist zunächst
ein Zitat aus dem Bericht von Brian Ivory, einem Freiwilligen der ISM
über die Ereignisse des 5. November 2002 in Jenin: „An jenem Tag wachte
ich nachmittags von einem langen Schlaf auf, da ich die Nacht über in
den Ambulanzen des lokalen palästinensischen Hilfswerkes Dienst getan
hatte. Einige Freunde kamen und wir entschieden uns, hinunterzugehen,
weil wir wussten, dass palästinensische Kinder auf der Straße spielten,
obwohl Ausgangssperre war, und sie verletzt werden könnten. Wir trugen
unsere leuchtend roten Jacken und gingen hinaus. Wir sahen kein Militär
auf der Straße und gingen nach Süden, um andere Freunde zu treffen. Dann
hörten wir Armeefahrzeuge sich nähern. Wir dachten, es ist klug, stehen
zu bleiben, und sie vorbeifahren zu lassen, um keinen Verdacht aufkommen
zu lassen. Die Fahrzeuge waren mit Kanonen bestückt. Wir hoben unsere
Arme hoch, um ihnen zu zeigen, dass wir keine Gefahr darstellen. Es war
früher Abend und alle Straßenlaternen waren an. Plötzlich wurde von den
Fahrzeugen aus geschossen. Ich wurde ins Gesicht getroffen und fiel zu
Boden und versuchte, am Leben zu bleiben. Als ich aufwachte, war ich im
Rambam-Krankenhaus in Haifa in der Abteilung für Kiefernchirurgie.
Alles, was ich weiß, ist, dass wir während des Schießens die einzigen
weit und breit waren, und dass die Soldaten nicht anhielten und
keinerlei Hilfe anboten.“
Ich traf Brian im
Krankenhaus, wo ich selbst behandelt wurde. Den Ärzten war es gelungen,
seinen rechten Kiefer mit Knochen aus seinem Schädel wieder
herzustellen, einen Teil seines Mundes wieder herzustellen auch einen
Teil seiner oberen Backenknochen, damit sie sein Auge wieder einsetzen
können, und er sehen kann.. Als ich in sein Zimmer kam, las er. Ich
stellte mich vor. Zunächst war der Anblick unerträglich. Er war sehr
dünn, weil er nur direkt über den Magen ernährt wurde. In seinem Hals
ist ein Loch zum Atmen und über seinen Kopf läuft eine große Narbe. Es
ist sehr hart für mich, die Schwere des Schocks zu beschreiben, den ich
beim Treffen mit Brian empfand, weniger wegen seines schrecklichen
Aussehens, sondern weil man ihn nicht ansehen konnte, ohne daran zu
denken, was er durchgemacht hat und was ihm noch bevorsteht. Ich war mir
sicher, dass er nicht gern mit Leuten zusammentraf, noch dazu Israelis.
Aber ich hatte mich geirrt.. Er hieß mich herzlich willkommen,
freundlich und klug und wir hatten viele interessante Gespräche.
Brian kam als
Freiwilliger der ISM-Bewegung in die besetzten Gebiete. Ihre Aktionen
waren ganz verschieden: Unterricht in Schulen, von alltäglicher Hilfe
für die Bevölkerung bis zum aktiven Protest gegen die Zerstörung von
Häusern und anderen unbarmherzigen Taten durch die Armee. Sie hatten
auch die Rolle von Beobachtern der Menschenrechte und berichten jede
Verletzung. Genau deshalb war Brian an diesem Abend auf der Straße,
speziell gekleidet, sodass man ihn leicht erkennen konnte.
Die Armee tut
alles, um die Aktivitäten der Freiwilligen zu unterbrechen. Einige von
ihnen sind schon lange Zeit ohne Gerichtsurteil verhaftet gewesen,
einige sind zusammengeschlagen worden, ihre Computers wurden konfisziert
und in ihre Büros war eingebrochen worden. Die letzte Aktion gegen sie
ist die, in der Brian verletzt wurde, das unerwartete Schießen ins
Gesicht oder das Töten durch einen Bulldozer, wie es gegenüber Rachel
Corrie, einem anderen ISM-Mitglied geschah. Bei Folgendem muss ich
zugeben, dass es meine Interpretation ist: denn die Armee leugnet, dass
das Töten/ Verletzen der drei Freiwilligen so kurz hinter einander
absichtlich war. Tatsache ist, dass keiner der „Killer“ bestraft wurde.
Brian war zornig
aber auch voller Zuneigung und nannte Haifa seine 2. Heimat, wegen all
der Leute, die sich um ihn sorgten und ihn besuchen kamen. Er ist ein
Optimist. Er will dieses schreckliche Geschehen überwinden. Brian ist
(inzwischen) zurückgekehrt und muss sich noch einer Reihe von
Operationen unterziehen. Die Armee weigert sich, sie zu bezahlen. Sie
behauptet, sie hätte nichts mit dem Schießen zu tun. Seine einzige Sünde
– so er selbst - war es, in der Schusslinie der Armee gestanden zu
haben. Und dass er sich nicht mit dem Schlimmen abfinden kann, das
Menschen gegenüber getan wird, egal wie weit weg sie von seinem eigenen
Lande leben.
Die Armee wählte
ihn als exemplarisches Opfer, eines von jenen, auf die sie ihre
berüchtigte Abschreckungsmacht baut.
Vor meinem
Schlusswort: Bevor ich zum
Ende meines Zeugnisses komme, will ich noch ein paar Worte über mich
selbst sagen, über die Umstände, die meine Weltsicht prägten, und die
mich direkt oder indirekt dahin brachten, das zu tun, was ich getan
habe. Ich beginne mit der Musik. Ich begann mit 13 Jahren, klassische
Gitarre zu spielen. Als ich älter wurde, wurde Musik das Wichtigste in
meinem Leben. Musik ist für mich kein Hobby . Sie bedeutet Kommunikation
und Schönheit ... Musik lehrte mich, das Wunder im Menschen zu sehen und
die Tiefe seines Wesens zu erkennen – und zwar bei jedem Menschen.
Nachdem mir dies klar war, empfand ich ein tieferes Mitgefühl gegenüber
Menschen......
Nebenbei habe ich
mich immer als Sozialist empfunden. So bin ich erzogen worden. Ich habe
immer geglaubt, dass es nur einen Weg gibt, in einer Gesellschaft zu
leben, indem man Gleichheit zwischen den Menschen schafft, damit jeder
ein erfülltes Leben leben kann ohne Unterschiede und Benachteiligung.
Als ich entdeckte, dass es in Israel Diskriminierung von verschiedenen
Gruppen von Bürgern und zwischen verschiednen Regionen gibt,
protestierte ich dagegen. Dann fand ich heraus, dass nicht weit von mir
Menschen in erdrückender Armut leben, in einem Teufelkreis stecken, dem
sie kaum entrinnen können und verurteilt sind da zu bleiben (wo sie
sind), nur weil Politiker und ihre Unterstützer dies so entschieden
haben.
Nach einer
wunderbaren Musikstunde dachte ich, wie wunderbar die Welt wäre, wenn
ich mit jedem diese meine Gefühle teilen könnte. Dann erinnerte ich mich
daran, dass es Menschen gibt, für die eine musikalische Ausbildung wie
die meine nur ein Traum ist. Dann wurde mir klar, dass ich anderen
Musikunterricht geben muss. Deshalb machte ich ein freiwilliges Jahr in
Kiryat Gat, einer anderen benachteiligten Stadt im Negev, wo ich 30
„gefährdeten Jugendlichen“ im Alter von 18 Musikunterricht gab.
Und dann, nachdem
ich diesen jungen Leuten das gegeben habe, was mir am meisten Freude
machte, wurde ich gerufen, um jungen Palästinensern genau dies zu
rauben. Mein Staat, der Staat Israel, ist dabei, die Palästinenser von
jeder Art eines normalen Lebens, ihrer wirtschaftlichen Entwicklung, der
Ausbildung ...zu berauben. Sicher, der Staat Israel beraubt auch seine
armen jüdischen Bürger eines normalen Lebens, indem es sein Budget in
erster Linie für die Expansion der Siedlungen und für die
Aufrechterhaltung der Besatzung verbraucht.
Ich weigere mich,
irgend jemandem die Möglichkeit zu versagen, die jedermanns Recht sein
sollte. Ich sehe den Militärdienst als genaues Gegenteil dessen an, was
ich in meinem Jahr des freiwilligen Dienstes getan habe. In der Armee zu
dienen, bedeutet für mich, das ungeschehen zu machen, was ich guten
Glaubens getan habe.
Eines der klarsten
Statements von Tolstoi in seiner Novelle „ Krieg und Frieden“ ist, dass
historische Entscheidungen nicht von Führern alleine gemacht werden.
Dass die Entscheidungen der Führer ein Teil eines größeren Ganzen von
Entscheidungen ist, an dem jeder teilhat, der sich mit in der Situation
befindet. Für mich hat dieses Statement nicht nur Gültigkeit für
Analysen historischer Ereignisse, sondern auch für die Frage der eigenen
Verantwortung, wann immer ich großen Entscheidungen gegenüberstehe. Da
gibt es keinen Zweifel in mir, dass die Entscheidung, ein anderes Volk
zu kolonisieren, unmoralisch und korrumpierend ist. Dies ist die
Grundlage für alle unmoralischen Taten der Armee (IDF), die das Werkzeug
ist, mit dem diese Entscheidungen erfüllt werden, und dass diese
Entscheidung die Hauptursache aller palästinensischen
Terroraktivitäten ist.
Aber die Frage der
Verantwortund ist viel komplexer. Meine Überzeugung ist, dass jeder, der
sich an der Besatzung beteiligt, für diese verantwortlich ist, daher
auch für den Terror mitverantwortlich ist. Ich denke nicht, dass das,
was den Leuten in den Bergen südlich Hebron widerfährt, mehr oder
weniger schrecklich ist als das, was israelischen Kindern geschieht, die
durch einen Selbstmordattentäter getötet werden. Beide Aktionen sind
gleich schreckliche, vorausgeplante Gräueltaten, die kaltblütig
ausgeführt werden, um politische Ziele zu erreichen. Aber ich weiß auch,
dass diese beide Aktionen den selben Ursprung haben und wenn ich mich
für den Militärdienst einschreibe, bin ich für beides verantwortlich.
Schlusswort:
An dem Abend, an dem ich mich entschied, den Militärdienst zu
verweigern, war ich zu Hause und beobachtete meinen 1Jahr alten Bruder
Daniel, wie er seine ersten Schritte machte. Keine Worte können meine
Gefühle dieses Augenblicks beschreiben, aber ich erinnere mich, wie ich
mir vorstellte, dass er lesen, schreiben und musizieren wird und wie wir
gemeinsam Ausflüge machen werden. Im Hintergrund berichtete das
israelische Fernsehen von den Geschehnissen der Woche. Es war
Freitagabend. Ich sah, wie palästinensische Kinder Steine gegen
monströse israelische Panzer warfen und wie sie dafür beschossen wurden.
Riesige, raffinierte Militärmaschinen waren eifrig damit beschäftigt,
die Infrastruktur und was von den palästinensischen Städten übrig
geblieben ist, zu zerstören, einschließlich Schulen und Krankenhäuser.
Dutzende von Leuten werden täglich getötet und verletzt.
An jenem Abend
wurde mir klar, wenn ich in die Armee gehe, dann beraube ich diese
Kinder all dessen, wovon ich für meinen Bruder träume. Sogar die für uns
selbstverständlichsten Dinge, ohne die wir uns das tägliche Leben nicht
mehr vorstellen können, wird von ihnen genommen: Wohnung, Nahrung,
Unterhaltung, Gesundheit und die persönliche Sicherheit.
Ich könnte nicht
mehr sagen, dass ich meinen Bruder liebe, ich könnte niemals mehr von
einer glücklichen Kindheit für ihn träumen, wenn ich an einem System
teilnehme, das andere Kinder unterdrückt. Weil an einem Ort, wo kleine
Kinder nachts aus ihren Betten gerissen und als Gefangene gehalten
werden, um aus ihren Eltern wahre oder falsche Geständnisse
herauszupressen, es keinen Platz für Kindheit gibt. Und ich will nie an
etwas teilnehmen, das solch einen Ort schafft. Aber das ist noch nicht
alles. Die Ereignisse, von denen ich Ihnen erzählte, sind nur ein
kleiner Teil von dem, was ich weiß – und das ist nur ein kleiner Teil
dessen, was wirklich geschieht.
Kolonialisierung
hat immer Protest hervorgebracht, der niemals endete, bevor die
Besatzung endete. Terror beeinflusst unser Leben in sämtlichen Bereichen
und verursacht die Entartung der israelischen Gesellschaft. Die
Fortdauer und Aufrechterhaltung der Besatzung bedeutet Fortdauer und
Aufrechterhaltung des Terrors.
Immer wieder bin ich von israelischen Führern
betrogen worden, die uns Frieden versprochen und ihr Wort nicht gehalten
haben. Ich beobachte den Verfall des Staates Israel. Ich will nicht
teilnehmen an der Schaffung eines Ortes, wo mein Bruder, wenn er das
Haus verlässt, jederzeit verletzt werden kann.
Ich weiß nicht, was
die israelische Regierung mit der fortgesetzten Weigerung, die Besatzung
zu beenden, zu erreichen versucht – oder beim andauernden Begehen der
schrecklichsten Verbrechen gegen die palästinensische Bevölkerung. Ist
es der Wunsch, einen „freiwilligen Transfer“ zu verursachen oder den
Geist des palästinensischen Volkes und die Hoffnung nach Unabhängigkeit
und Freiheit zu brechen? Ich weiß es nicht. Nur eines weiß ich, dass aus
diesen schlimmen, korrupten und unmoralischen Aktionen nur Schlimmes
kommen kann. Ich kann daran nicht teilnehmen. Ich kann mich nicht daran
erinnern, wie oft ich mit meinem kleinen Bruder während der 5 Monate
langen Haft gesprochen habe, um ihm dem dreijährigen Kleinkind zu
erklären, warum ich ihn nicht besuchen kann. Aber wenn er größer ist,
werde ich in der Lage sein, ihm zu sagen, dass ich das alles für ihn
getan habe und dass ich keine andere Wahl hatte.
*Zeugnis, abgegeben vor dem Militärgericht in
Jaffa am 15.7. 2003. Adam Maor ist ein 19 jähriger Israeli, der vor
Gericht steht, weil er sich weigert, an der Besatzung von
palästinensischem Land teilzunehmen und an Gewalt gegenüber
Palästinensern. Adams Vater, Alex, wird im Rahmen des Refuser Solidarity
Network ab 11.Oktober 2003 in Olympia mit einer Vortragsreise durch die
USA beginnen.
„Here’s freedom to him, who would speak, here’s freedom to him who would
write.
For
there’s non ever feared, that the truth should be heard. Save he
who the truth would indict.”
Robert Burns.
(Aus dem Englischen
übersetzt und leicht gekürzt: Ellen Rohlfs) |