Wie ich für „Christian Today“ im Mai
bereits schrieb, verursachte der historische Besuch
von Papst Franziskus im Heiligen Land Anfang dieses
Jahres eine ziemliche Aufregung. Zunächst einmal
reiste er über Jordanien in die Westbank, was die
israelische Regierung verärgerte, die von
VIP-Besuchern erwartet, dass sie besondere Anerkennung
für Israels 47-jähriges Imperium in der Westbank
gewähren, indem sie ihre Besuche in Tel Aviv beginnen.
Alle früheren Papst-Besuche waren in diese Falle
getappt. Aber der Moment, der am meisten ins Auge
fiel, war, als der Papst für ein improvisiertes
Pressefoto und um ein Gebet an der israelischen
Trennmauer in Bethlehem zu sprechen, anhielt. Das
Graffiti im gebrochenen Englisch auf der 25 Fuß-hohen
Mauer, besagte: „Papst, wir müssen über Gerechtigkeit
sprechen“ und „Bethlehem sieht aus wie ein
Warschau-Ghetto“. Die Parallelen zum Holocaust waren
töricht, aber – kein Wunder – einige israelische Gruppen
kritisierten den Vatikan, dass er dem Pontifex erlaubte,
von seinen palästinensischen Gastgebern „manipuliert“ zu
werden. In Wirklichkeit wusste der Papst ganz genau,
was er tat.
Vielleicht wurde der kontroverseste
Teil von Papst Franziskus Reise am wenigsten beachtet.
Der Vatikan hatte Monate vor dem Besuch verdeutlicht,
dass der Heilige Vater nicht etwa nur die „besetzten
palästinensischen Gebiete“ besuche, wie die Westbank,
Gaza und Ostjerusalem wenig elegant von der
internationalen Gemeinschaft genannt wird, sondern er
besuche den „Staat Palästina“. Dies verlieh Palästina
einen formellen diplomatischen Status, der, obwohl
er von der UN-Generalversammlung mit 138 zu 9 Stimmen im
November 2012 indossiert wurde, noch nicht von Israel,
den Vereinigten Staaten, Großbritannien bzw. vielen
anderen westlichen Ländern anerkannt wurde.
Und die Terminologie war kein
diplomatischer Versprecher, der Papst selbst bezog sich
auf „den Staat Palästina“ in seiner Rede in Bethlehem.
Also, weshalb ist Großbritannien
nicht dem Vorbild des Papstes gefolgt? Es verweigert,
Palästina anzuerkennen (obwohl wir der Palästinensischen
Diplomatischen „Mission“ in London bestimmte Privilegien
geben), weil – wie die Regierung behauptet – dies zu
tun, den Ausgang von jeder verhandelten Friedensregelung
zwischen Israel und Palästina so vorverurteilen könnte.
Die britische Position wurde von dem damaligen
Außenminister, William Hague, in einer Rede im Parlament
im November 2011 dargelegt: „ Wir behalten uns vor,
einen palästinensischen Staat in einem Augenblick
unserer Wahl anzuerkennen und dann, wenn dies am besten
dazu verhelfen kann, Frieden zu schaffen.“
Dies sind die zwei größten Probleme
mit dieser Haltung von Großbritannien. Das erste ist,
dass das Warten auf eine Friedensregelung in Israel und
Palästina, wie das Warten auf Godot ist, besonders
angesichts von Israels zunehmenden harten Kurs und
seiner Politik der Ablehnung (besonders unterstützt von
den USA). Die unter einem schlechten Stern stehenden
Oslo-Abkommen von 1993 – 1995 sollten eigentlich einen
großen Schritt in Richtung eines verhandelten Friedens
markieren, besonders, da sich die palästinensische
Führung in den Abkommen zu einer de facto Anerkennung
von Israel und dessen Recht, „in Frieden und Sicherheit
zu existieren“ verpflichtete (es gab keine gleiche
israelische Anerkennung der palästinensischen Rechte).
Aber die folgenden zwei Jahrhunderte haben für dieses
Zugeständnis der Palästinenser kaum eine Gegenleistung
eingebracht, im Gegenteil, sie wurden Zeugen einer
ständigen Besetzung durch das Militär und der massiven
Ausbreitung von israelischen Siedlungen in Ostjerusalem
und der Westbank sowie des humanitären Desasters in Form
von Israels Blockade und der regelmäßigen Anschläge auf
Gaza. Da die verhandelte Regelung, die die Anerkennung
durch Großbritannien auslösen würde, in immer weitere
Ferne rückt, fragen viele Menschen: „Sollten wir denn
nicht den mutigen Schritt tun und Palästina nun
anerkennen?“
Das zweite Problem ist, dass
Großbritanniens Politik des „Warten-und-Sehens“ beide
Parteien bei dem Disput völlig unausgewogen lässt.
England erkannte formell den Staat Israel am 28. April
1950 an, weniger als zwei Jahre nach seiner Gründung.
Dies geschah trotz der Tatsache, dass Israel zu diesem
Zeitpunkt bedeutend mehr vom Mandat Palästina gewaltsam
besetzt hatte, als dem „Jüdischen Staat“ nach dem
UN-Teilungsplan von 1947 zuerkannt worden war (im Jahre
1950 kontrollierten sie ca. 77 Prozent des Landes, im
Vergleich zu den 56 Prozent, die laut dem Plan
vorgesehen waren) und trotz der Tatsache, dass Israel
bereits im Jahr 1950 (bis heute) seine genauen Grenzen
nicht festgelegt hatte. Wie ein ehemaliger britischer
Generalkonsul in Jerusalem, der die Anerkennung durch
Großbritannien unterstützt, kürzlich schrieb: „Ein
Volk hat einen Staat, das andere verdient einen.
Ich behaupte, dass jetzt die Zeit für unsere Regierung
ist, den Staat Palästina anzuerkennen, genauso, wie wir
Israel im Jahre 1950 anerkannt haben.“
Israel ist natürlich lautstark gegen
die Anerkennung des Staates Palästina. Eine Entscheidung
Anfang des Monats durch Schweden, Palästina anzuerkennen
(die erste große westeuropäische Nation, die dies tut)
wurde von der israelischen Regierung scharf kritisiert.
Aber Israels Motivation ist klar. Es ist verzweifelt
bemüht, die derzeitige Asymmetrie der Macht zwischen
sich und den Palästinensern zu bewahren. Es gibt
keine Sicherheitsinteressen von Israel, denen durch die
Anerkennung geschadet wird. Alle Parteien erkennen auch
weiterhin Israels Recht an, sich selbst und seine Bürger
in sicheren Grenzen zu verteidigen, sogar, wenn diese
Grenzen niemals definiert wurden.
Deshalb wird ein „backbench“-Antrag
(Hinterbank-Antrag) am kommenden Montag, 13. Oktober, in
dem britischen „House of Commons“ diskutiert werden, der
erhebliche Beachtung auf sich gezogen hat. Von einer
parteiübergreifenden Gruppe aus Parlamentsmitgliedern
unterstützt - darunter der altgediente jüdische Gerald
Kaufman, PM -, fordert der Antrag die britische
Regierung auf, „den Staat Palästina neben dem Staat
Israel anzuerkennen“. Der Antrag ist nicht bindend für
die Regierung und - da kein Druck ausgeübt wird und dies
am ersten Geschäftstag nach der Konferenzpause
geschieht, dürfte er nicht viele PMs in die Kammer
ziehen. Aber genau aus diesen Gründen könnte der Antrag
möglicherweise durchgehen. In diesem Fall würde es ein
tapferer Aussenminister sein, der auf der aktuellen
Politik Großbritanniens gegen den ausdrücklichen Willen
des Parlaments beharren würde. Kein Wunder, dass die
Organisationen, die sich einem gerechten Frieden in
Israel und Palästina verpflichtet haben, wie z. B. die
„Palestine Solidarity Campaign“
(Palästina-Solidaritäts-Kampagne) und die „Quaker“, ihre
Unterstützer dringend aufgefordert haben, auf ihre
Parlamentsabgeordnete einzuwirken, diesen Antrag zu
unterstützen.
Auch ich hoffe, dass der Antrag
durchgeht und habe an meine Abgeordnete geschrieben und
sie gebeten, ihn zu unterstützen. Eine Entscheidung
Großbritanniens, Palästina anzuerkennen, könnte in hohem
Maße symbolisch sein, aber sie wird schlagkräftig sein,
besonders im Zusammenhang mit unserer schäbigen
Geschichte im Hinblick auf den
israelisch-palästinensischen Konflikt, nicht zuletzt die
imperialistische Anmaßung der Balfour Erklärung von 1917
und unser grobes Leugnen der palästinensisch-arabischen
Rechte während des Britischen Mandates von 1920 – 1948.
Es (die Anerkennung Palästinas I.Ge.) könnte andere
westliche Nationen motivieren, dem Beispiel zu folgen
und die USA (die weiterhin ihr Veto im Sicherheitsrat
zur Unterstützung von Israels Interessen gegen die der
Palästinensenr einlegen), in einer zunehmend isolierten
Position lassen. Israel muss sich bewusst sein, dass es
dem palästinensischen Volk auf Dauer dessen Rechte nicht
verwehren kann. Warten-und-Sehen hat nicht gewirkt. Wir
warten seit über 20 Jahren und haben nur Fehler und
Obstruktionspolitik bei den sogenannten
Friedensgesprächen gesehen, dazu fast eine halbe Million
illegale Siedler mehr in Ostjerusalem und der Westbank.
Die Zeit für eine Anerkennung
durch Großbritannien ist jetzt. Die Palästinenser haben
bereits viel zu lange darauf gewartet.
Jeremy Moodey ist Direktor von
Embrace the Middle East, einer christlichen
Entwicklungs-Charité. More details at
embraceme.org. (mehr Details siehe unter...)
ins Deutsche übersetzt
von Inga Gelsdorf
CHRISTIAN TODAY
Veröffentlicht am 08 Oktober 2014 Jeremy Moodey