Geheimes britisches Dokument klagt
Israel an
Chris McGreal, Jerusalem, The Guardian,
25.Nov. 2005
Ein vertrauliches
Dokument des Außenamtes klagt Israel an, in Eile arabische Gebiete von
Jerusalem zu annektieren, indem es illegalen Siedlungsausbau und den Bau
der Mauer in der Westbank ausnutzt, um zu verhindern, dass es eine
palästinensische Hauptstadt wird.
Bei einem
ungewöhnlich offenen Einblick in britische Beurteilung israelischer
Absichten sagt das Dokument, dass Ariel Sharons Regierung die Aussichten
auf ein Friedensabkommen aufs Spiel setzen, indem sie versucht, die
Zukunft des arabischen Ost-Jerusalems ohne Verhandlungen zu bestimmen,
und damit riskiert, die dort lebenden Palästinenser in radikale Gruppen
zu treiben. Das von The Guardian erlangte Dokument wurde am Montag (
21.11.)bei einem EU- Ministerratstreffen vorgelegt, das der britische
Außenminister Jack Straw leitete. Man empfahl, der israelischen Politik
entgegen zu wirken und die palästinensischen politischen Aktivitäten in
Ost-Jerusalem anzuerkennen.
Der EU-Rat aber
hält - nach Informationsquellen - das Problem auf italienischen Druck
hin bis nächsten Monat unter Verschluss. Israel betrachtet Italien als
seinen verlässlichsten EU-Verbündeten.
Israel hat eine
Empfehlung – die EU-Sitzungen mit der Palästinensischen Behörde von
Ramallah nach Ost-Jerusalem zu legen (als Anerkennung des arabischen
Anspruches ) - als einen „negativen Akt“ beschrieben. Es behauptet, der
im Krieg 1967 eroberte östliche Teil Jerusalems sei Teil der
„unteilbaren Hauptstadt“. Fast alle Regierungen haben ihre Botschaften
in Tel Aviv, weil sie den israelischen Anspruch nicht anerkennen.
Das vom britischen
Konsulat in Ostjerusalem ( z.Zt auch Teil der brit. Präsidentschaft der
EU) aufgezeichnete Dokument besagt, dass Israels Politik darauf
angelegt sei, zu verhindern, dass Jerusalem eine palästinensische
Hauptstadt wird – besonders durch Siedlungserweiterung rund um die
Stadt. Es besagt auch, dass Sharons Plan, Jerusalem mit der Siedlung
Maale Adumim in der Westbank durch den Bau von Tausenden neuer Häuser zu
verbinden, „die vollständige Umzingelung der Stadt mit jüdischen
Siedlungen und gleichzeitig die Teilung der Westbank in zwei
geographisch getrennte Gebiete droht.“
Außerdem: „Die
israelischen Aktivitäten in Jerusalem sind eine Verletzung der Road Map
- Verpflichtungen und des Völkerrechts.“
Das Außenamt kam
auch zu dem Schluss, dass die ausgedehnte Betonmauer, von der Israel
behauptet, sie sei eine Sicherheitsmaßnahme, dafür benutzt wird, um
arabisches Land in und rund um die Stadt zu enteignen. „Diese
De-facto-Annexion von palästinensischem Land wird unumkehrbar sein, ohne
dass in großem Ausmaß erzwungene Evakuierungen von Siedlern
durchgeführt werden und die Mauer einen anderen Verlauf erhält.
Das
Dokument spricht auch von den sehr scharfen israelischen Kontrollen über
die Bewegung der Palästinenser innerhalb und außerhalb der Stadt als
einen Versuch, das Anwachsen der palästinensischen Bevölkerung zu
unterbinden. „Wenn die Mauer fertig gestellt ist, wird Israel den
gesamten Zugang nach Ost-Jerusalem kontrollieren und seine
palästinensischen Satellitenstädte wie Bethlehem und Ramallah mit der
Westbank abschneiden. Dies wird ernsthafte ...Konsequenzen für die
Palästinenser haben.
„Israels Hauptbeweggrund ist ziemlich sicher demographischer Natur ...
der Jerusalemer Gesamtplan hat ein ausgesprochenes Ziel: das Verhältnis
der palästinensischen Jerusalemiten darf nicht mehr als 30% der gesamten
Bevölkerung sein. All dies reduziert beträchtlich die Aussichten einer
Zwei-Staaten-Lösung, weil die Herrschaft über den Ostteil der Stadt eine
Kernforderung der Palästinenser ist.
„Die Palästinenser sind sehr über die Situation in Ost-Jerusalem
beunruhigt“, besagt das Dokument. „Sie fürchten, dass Israel im Schatten
des Siedlerabzugs damit durchkommt. Die israelischen Maßnahmen laufen
auch Gefahr, die bisher ruhige Bevölkerung von Ost-Jerusalem zu
radikalisieren.“ Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Marc
Regev, sagte: „Israel glaubt, dass Jerusalem die „vereinigte Hauptstadt
Israels“ sein solle. Gleichzeitig aber habe Israel sich verpflichtet,
Jerusalem als eines der Probleme der Endverhandlungen zu betrachten.“
(dt. Ellen Rohlfs) |