Manfred Spies
Erklärung für die Medien
1.2.03
Darmstädter Rede von Paul Spiegel, 26.1.2003
Erklärung für die Medien
1.2.03
Darmstädter Rede von Paul Spiegel, 26.1.2003
Der Zentralratsvorsitzende der Juden in Deutschland, Paul Spiegel,
kritisiert die Bundesregierung.
Sie sei „a priori gegen Krieg. Die Konzentrationslager sind nicht durch
Demonstranten sondern durch
die Rote Armee befreit worden.“
Diese zwei Sätze beinhalten gleich mehrere Unterstellungen und historische
Fehler.
1. Deutschland ist nicht „a priori“ und uneingeschränkt gegen einen Krieg(GG). Aber zwischen Angriff
und Verteidigung liegen völkerrechtlich Welten. Den Irak anzugreifen, dem
die Kontrolleure der
Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) die Note Zwei für seine
Kooperationsbereitschaft gegeben
haben, würde mit einem Schlag die Weltordnung auf den Kopf und alle
Bündnisse infrage stellen.
2. Die Alliierten haben mit Verteidigung reagiert, nachdem Hitler einen
Angriffskrieg begonnen hatte.
3. Die Befreiung der Konzentrationslager erfolgte erst, nachdem dieser
Angriffskrieg Hitlers 6 Jahre
dauerte und bereits 6 Millionen Juden ermordet waren. Die Tatsachen des
Genozid waren nicht nur
dem Vatikan, sondern auch den „Befreiern“ vor 1945 bekannt. Und die Rote
Armee war zufällig als
erste in Auschwitz und in den im Osten gelegenen KZ. Das zu einem
humanitären Akt zu stilisieren ist
gerade angesichts früherer russischer Progrome gegen Juden und einem
offenen Antisemitismus ein
Witz. Getreu ihrem Pakt mit Hitler unterdrückte die UDSSR lange die
Nachrichten über die Judenverfolgungen der Nazis. Die Transportwege zu den KZs wurden nie angegriffen
und zerstört!
4. Die Alliierten führten den Kampf gegen Nazi-Deutschland nicht, um die
Juden zu befreien. Das war
nicht die Absicht des Krieges, sondern eine der Folgen. Moralische
Überlegungen spielten - wie auch heute -
in der damaligen Politik keine Rolle.
5. Ungetrübt von moralischen Überlegungen wurde der britische Premier
Clement Richard Attlee 1945,
direkt nach dem Holocaust, zum brutalen Gegner der jüdischen Einwanderung
nach Palästina, denn das
bankrotte England war auf Öl und damit die Sympathie der arabischen Länder
angewiesen. (Kommt
bekannt vor!) Sein Außenminister Ernest Bevin sparte nicht mit
antisemitischen Haßtiraden, beschränke
die Einwanderungsquote auf ein Fünftel der von dem US-Präsidenten Truman
geforderten Zahl und
ließ fast alle Schiffe mit Juden, die nach Palästina wollten, aufbringen.
Am bekanntesten ist der Fall der EXODUS mit 4500 eingepferchten Juden, die
beschossen, gekapert
und nach Deutschland zurück gebracht wurden. Dort kamen sie in mit
Stacheldraht bewehrte Lager und
fühlten sich wieder wie im KZ.
6. Im August 1945 legte der mit einer Untersuchung der deutschen
Juden-Lager beauftragte
Earl G. Harrison den amarikanischen Behörden seinen Bericht vor, in dem er
schrieb: „Es sieht so aus,
als behandelten wir (die US-Militär-Bewacher) die Juden kaum anders, als
es die Nazis taten...Zu
Tausenden werden sie in Konzentrationslagern anstelle der SS von unserer
Armee bewacht. Man muß
sich fragen, ob das deutsche Volk nicht annehmen muß, wir folgten dem
Beispiel der Nazis.“
Der US-General Patton beurteilte den Harrison-Bericht über die Lager der
Displaced Persons (DP =
zurückgekehrte, ehemals verschleppte Personen) menschenverachtend und mit
kaum zu steigerndem
Antisemitismus: „Leute wie Harrison halten die DPs für Menschen. Das sind
sie aber nicht. Das gilt
speziell für die Juden. Die stehen noch unter den Tieren.“
Der damalige US- Verteidigungsminister James Forester versuchte im
November 1947 - vor der UN-
Abstimmung über die Teilung Palästinas in einen arabischen und einen
jüdischen Teil - die amerikanischen Regierungsmitglieder zu beschwichtigen und zu motivieren: „Es gibt
dort 30 Millionen Araber
und 600.000 Juden. Die Araber schmeißen die Juden doch früher oder später
sowieso ins Meer.“
So viel nur zu den hehren Motiven der Befreier der Konzentrationslager, zu
diversen Parallelen
zu heute und zum unvorstellbaren Leid und zur Diskriminierung der Juden.
Nach all der Gewalt,
die diesen Menschen angetan wurde, mag es verständlich sein, daß sie
selbst Gewalt als einziges Mittel
gegen Unsicherheit und Bedrohung ansehen.
Wir aber sollten demonstrieren dürfen, ohne dafür kritisiert oder gar
diskreditiert zu werden.
Manfred Spies
Kopien an Zentralrat der Juden, Kirchen, Gruppen der Friedensbewegung
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