„Islamofaschismus“
Mohssen Massarrat 03. 07. 1008
Israels
Regierung und die US-Neokonservativen um George W. Bush und Dick
Cheney trommeln
noch einmal für einen Militärschlag gegen den Iran. Anfang Juni
drohten Schaul
Mofas und Banjamin Ben-Elieser, beide amtierende Minister der
israelischen
Regierung, dem Iran mit Krieg: „Die Sanktionen sind unwirksam.
Es wird
unvermeidlich
sein, den Iran anzugreifen, um seine Atompläne zu stoppen.“ Fast
gleichzeitig
forderte Ehud Olmert in Washington in Anwesenheit von George W.
Bush
und den beiden
US-Präsidentschaftskandidaten dazu auf, die „iranische
Bedrohung“
zu stoppen, „mit
allen möglichen Mitteln“. Das Forum dazu organisierte die
zionistische
Lobbygruppe American Israel Public Affairs Committee (AIPAC).
Tatsächlich
erreichten auch die Kriegsvorbereitungen eine neue Stufe. Unter
der
Überschrift „Preparing
the Battlefield“ (Vorbereitung des Schlachtfelds) berichtet
Seymour M. Hersh
in der neusten Ausgabe des Magazins The New Yorker vom
30.
Juni, dass die
Bush-Regierung ihre geheimen Aktivitäten im Iran ausgeweitete
habe.
Diesem Bericht
zufolge hat der Kongress Ende 2007 dafür bis zu 400 Millionen
Dollar
bewilligt.
Die Motive
Israels und der US-Neokonservativen sind unterschiedlich, das
Ziel aber
ist das gleiche.
Die Regierung in Tel Aviv fürchtet einen Iran mit Atomwaffen,
weil
Israel sein
Monopol, als einziges Land im Nahen und Mittleren Osten mit
Atomwaffen
ausgestattet zu
sein, endgültig verlieren und nicht länger in der Lage sein
würde,
seine
politischen Ziele einer ganzen Region zu diktieren und die
Besatzung
Palästinas
aufrecht zu erhalten. Und die Neokonservativen, mit dem
militärindustriellen Komplex im Rücken, wollen durch einen
regime change im Iran
das größte
Hindernis beseitigen, um den gesamten „Greater Middle East“ und
dessen Öl- und
Gasquellen für weitere Jahrzehnte zu kontrollieren. Sind Irans
Atomwaffenambitionen für Israel das eigentliche Angriffsziel, so
stellen sie für Bush
und Cheney
lediglich einen Vorwand dar, um einen Krieg zu legitimieren.
Beide
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Seiten sehen die
nächsten Monate der Amtszeit von Bush als letzte Chance um
zuzuschlagen.
Die
US-Neokonservativen wollten seit langem und unmittelbar nach dem
Sturz von
Sadam Hussein im
Irak auch die Regierung der Islamischen Republik Iran
beseitigen. Das
Kriegsdesaster im Irak hat jedoch ihre Kriegspläne gegen den
Iran
nur verzögert,
aufgegeben haben sie diese Pläne nie. Ein neuer Krieg, der das
Chaos im
Mittleren und Nahen Osten um ein Vielfaches potenzieren würde,
widerspricht
allerdings jedweder Logik, er wäre völkerrechtswiderig und
moralisch
auch illegitim.
Die wahren Kriegsziele und die vorgebrachten Begründungen
klaffen
tatsächlich
auseinander wie der Himmel von der Erde. Um diese Lücke zu
schließen,
bedienen sich
die Kriegstreiber in Jerusalem und Washington und deren
Propaganda-Agenturen einer höchst emotionalisierten Strategie
und malen den
Vormarsch des
Islamofaschismus und einen zweiten Holocaust an die
Wand. Damit
übertreffen Sie
bei weitem alles, was Huntingtons Krieg der Kulturen an
Feindbildern
zur
Legitimierung der US-Kriege in den letzten zehn Jahren
heraufbeschworen hatte.
In Deutschland
hat dazu Josef Joffe mit seinem Leitartikel „Islamo-Faschismus“
bereits in
Die Zeit vom 18. März 2004 die Vorarbeit geleistet. Henryk
Broder
übernahm Joffes
Staffel. Der Holländer Leon de Winter gesellte sich diesem Kreis
der
Propagandisten der neuen Kampfparole in den deutschen Medien zu.
Ayaan
Hirsi Ali, die
aus Somalia stammende Holländerin, die seit kurzem in dem
US-Think
Tank American
Enterprise Institute ihr Brot verdient, ließ keine mediale
Gelegenheit
aus, um das neue
Feindbild „Islamofaschismus“ an die Wand zu malen, den Islam
insgesamt als
böse und inhuman darzustellen, den sie für ihr persönliches Leid
und
für die
Beschneidung der Frauen in Afrika auch dort, wo der Islam nie
Wurzeln
geschlagen hat,
verantwortlich macht. Diese und weniger prominenten Damen und
Herren, wie die
türkischstämmigen Necla Kelek und Seyran Atesh und obendrein die
im Zentralrat
der ExMuslime“ versammelte Mannschaft, hofieren sich gegenseitig
und reichen die
propagandistische Staffel weiter, und sie liefern in den Medien,
gewollt oder
ungewollt, auch die Rechtfertigung für den drohenden Krieg gegen
den
Iran. Das Ziel
des neuen Kampfbegriffs „Islamofaschismus“ liegt auf der Hand:
Er
legt nahe, der
Islam sei nicht Demokratie-, sondern Faschismus-kompatibel, ergo
müssten alle
westlichen in „Christlich-jüdischer“ Tradition stehenden
Demokratien
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endlich die
Gefahr eines neuen weltumspannenden, eben islamischen Faschismus
erkennen und USA
und Israel, die an vorderster Front gegen diese Gefahr ihren
präventiven
Krieg führen, nicht allein lassen, sondern sie unterstützen,
notfalls auch
durch den
Einsatz von Atomwaffen. Nichts sei daher für die westlichen
Staaten
wichtiger, als
einen us-israelischen Krieg gegen den Iran – die Speerspitze des
„islamischen
Faschismus“ – endlich gutzuheißen.
In seinem
rechtzeitig für die aktuelle Kriegspropaganda erschienenen
„Bestseller“
„Hurra, wir
kapitulieren. Von der Lust zum Einknicken“ warnt Henryk M.
Broder, u. a.
Gründer der
„Achse des Guten“, eindringlich vor der „Selbstaufgabe Europas
vor
moslemischen
Horden“. Er malt das Gespenst von „1,5 Milliarden Moslems in
aller
Welt, die
chronisch zu Beleidigtsein und unvorhersehbaren Reaktionen
neigen“ an
die Wand (S. 13)
und plädiert mit der Suggestivfrage, „was wären die Folgeschäden
eines iranischen
Atomschlages“ (S. 158), indirekt für einen präventiven Atomkrieg
gegen den Iran.
Der israelische Historiker Benny Morris haut in der Welt
vom 6.
Januar 2007 und
in der online-Ausgabe der FAZ vom 7. Mai 2008 in dieselbe
Kerbe,
indem er
wortreich einem „zweiten Holocaust“ das Wort redet, den nun
Irans
islamische
Führung mit Atombomben vom Zaun brechen wolle, die diese noch
gar
nicht besitzt.
Henryk M. Broder
ist allerdings nicht der Erste, sondern der late comer in einer
internationalen
Kampagne, die längst nach der gleichen Folie stattfindet. Mit
Überschriften in
englischsprachigen Medien wie „How Europe Died“, „While Europe
Slept“,
„Europe’s Suicide?“, „Eurabia is no Fairytale“, „Goodbye Europe“
u. ä. m.
hetzten unlängst
die Propagandisten die westliche Welt auf, den neuen globalen
Kreuzzug nicht
länger hinauszuschieben. Sie zielen mit den althergebrachten
Methoden darauf
ab, nun den Islam insgesamt und den Iran im Besonderen zu
dämonisieren und
mit dem Kampfaufruf „Westen erwache“ im Mittleren und Nahen
Osten den
Startschuss für einen Krieg gegen den „islamischen Feind“
auszulösen.
Die Anti-Iran
und Anti-Islam-Propaganda hat seine Wirkung bisher durchaus
nicht
verfehlt. Selbst
innerhalb der Partei der „Linken“ ist eine Bundes-AG „BAK
Shalom“
kräftig und
leider auch ohne Widerspruch am Werk, für einen Krieg gegen den
Iran
zu werben. Sogar
der Fraktionsvorsitzende der „Linkspartei“, Gregor Gysi,
erklärte
vor kurzem die
Solidarität mit Israel zur „Staatsräson deutscher Aussenpolitik“.
Man
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kann sich
unschwer ausmalen, was diese Festlegung für Konsequenzen im
Falle
eines Konfliktes
mit dem Iran haben würde. Auch die Breitenwirkung der
Anti-Islam-
Propaganda
belegt eine Allensbach-Umfrage von 2006: demnach verbinden 98 %
der Deutschen
mit dem Islam Gewalt und Terror, nur 6 % bekunden Sympathie mit
dem Islam, 61 %
glauben nicht, dass der Islam neben dem Christentum friedlich
existieren kann
und 83 % schätzen Muslime als religiöse Fanatiker ein.
An der
psychologischen Kriegsvorbereitung von USA und Israel sind
Populisten vom
Schlage
Ahmadinedschads nicht ganz ohne Schuld. Irans Präsident liefert
mit seinen
antiisraelischen
Verbalattacken den westlichen PR-Agenturen reichlich Munition.
Wer
aber ernsthafte
Absichten zu einem Atomkrieg gegen Israel hegt, würde sich,
angesichts
Israels nuklearer Erstschlagskapazitäten, gleich für die eigene
Vernichtung mit
entscheiden. Das weiß die iranische Führung, das weiß auch
jeder,
der das
Einmaleins der nuklearen Abschreckungslogik kennt, das weiß
selbstverständlich auch Henryk Broder, dem es offenbar nichts
ausmacht, trotzdem
die
Öffentlichkeit zu täuschen.
Diese
Binsenwahrheit hinderte eine europäische Allianz aus
rechtszionistischen
Kreisen um
Broders „Achse des Guten“, den pro-israelischen „Antideutschen“
um
Matthias Küntzel
sowie iranische Exilgruppen, denen - ohne jegliche Basis im Iran
-
nur nichts
Besseres einfällt, als Mossad und CIA ihre Dienste ,anzubieten,
im
Frühjahr dieses
Jahres mit erheblichem finanziellen Aufwand gleich
hintereinander in
Wien und in
Berlin zwei anti-iranische Konferenzen zu organisieren. In
beiden
Konferenzen
durfte der prominenteste Gast, der israelische
Geschichtsprofessor
Benny Morris,
öffentlich Tel Aviv auffordern, „Irans Atomprogramm präventiv
mit
konventionellen
Mitteln, besser noch, mit Nuklearwaffen“ zu zerstören, da
insgesamt
ein
Nuklearschlag besser wäre als ein „zweiter Holocaust“, der sich
seitens der
islamischen
„Un-Zivilisation“ anbahne. Ende Mai fand zur Fortsetzung der
Pro-
Kriegs-Kampagne
dann in Köln die „Islamkritische Konferenz“ statt, die ebenfalls
mit
großem Aufwand
vom „Zentralrat der ExMuslime“, der „Giordano Bruno-Stiftung“
und
anderen Gruppen
veranstaltet wurde. Hier ging es nicht nur um Irans
„Islamofaschisten“,
sondern um die Muslime in Deutschland und Europa, die dabei
seien, „unsere
westliche Gesellschaft und Kultur“ systematisch und durch den
Bau
von Moscheen
auch wahrnehmbar zu unterwandern. Mit ähnlichen Zielen
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mobilisieren
Neonazis aus ganz Europa zu einem ihrer größten Treffen für
September in
Köln. Damit schlösse sich der Kreis einer höchst merkwürdigen
antiislamischen
Allianz, die das gesamte Spektrum zwischen rechtszionistischen
und
neonazistischen
Strömungen in Europa einschließt.