Nach den jüngsten Wahlen in
Israel
Al Fatah-Führer Hussam Khader: Die
palästinensisch-israelischen Friedensverhandlungen
müssen fortgeführt werden, aber in einem anderen
Rahmen.
Interview von Hakam Abdel-Hadi
Hussam Khader (46),
Mitglied des Palästinensischen Nationalrats
(Exilparlament), Vorsitzender des Komitees zur
Verteidigung der Rechte der palästinensischen
Flüchtlinge und ehemaliges Parlamentsmitglied,
wurde nach fünfeinhalb Jahren Haft in israelischen
Gefängnissen im August 2008 vorzeitig entlassen.
Seine Freilassung erfolgte im Zuge von Verhandlungen
zwischen dem palästinensischen Präsidenten, Mahmoud
Abbas (Abu Mazin) und dem israelischen
Ministerpräsidenten Ehud Olmert. Khader lebt im
Flüchtlingslager Balata bei Nablus und gilt als ein
wichtiger Al Fatah- Führer, der dafür bekannt ist,
dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. Obwohl er
entschieden für einen historischen Kompromiss
zwischen Palästinensern und Israelis und für die
Zwei-Staaten-Lösung eintritt, wird er sowohl von den
Mächtigen in der Autonomiebehörde als auch von
Israel gefürchtet Das Interview mit ihm führte Hakam
Abdel-Hadi kurz nach den jüngsten Wahlen in Israel:
Frage: Wird die
Fortsetzung der Verhandlungen zwischen der PLO unter
Führung von Fatah und Israel nach dem jüngsten
Wahlsieg der israelischen radikal-nationalistischen
Parteien erfolgreich sein oder eher die Position von
Hamas stärken?
Antwort: Ich meine,
dass die Verhandlungen unbedingt fortgesetzt werden
müssen, aber über welche Verhandlungen reden wir?
Wird es dabei um die Anerkennung der nationalen
Rechte des palästinensischen Volkes oder um die
bisherigen Gespräche gehen, die sich im wesentlichen
auf Fragen der Sicherheit und nicht der Politik
konzentriert haben? Historisch hat der rechte Block
bewiesen, dass er mehr als die linken Parteien,
oder die sich so nennen, die Fähigkeit besitzt,
Frieden zu schaffen. Dennoch glaube ich, dass die
israelische Gesellschaft sich in einer tiefen Krise
befindet. Nun haben wir es nach dem Gaza-Krieg und
dem Scheitern von Kadima und der Arbeitspartei, eine
Regelung mit den Palästinensern zu erzielen, mit
zwei Richtungen zu tun: Die Anhänger der einen
Richtung reden über Frieden und machen Krieg, und
die anderen reden über Krieg und machen Krieg. Wir
Palästinenser haben auch zwei Richtungen: Fatah hat
sich strategisch für die Verhandlungen entschieden,
und Hamas spricht über den Widerstand, bemüht sich
aber um die Hudnah (Waffenstillstand). In den
vergangenen vier Jahren hat Hamas - sieht man von
den Raketen gegen israelische Siedlungen ab - in der
Westbank überhaupt keinen Widerstand gegen die
Besatzung geleistet.
Es ist an der Zeit,
Nägel mit Köpfen zu machen: Entweder werden die
nationalen Rechte des palästinensischen Volkes von
Israel durch Verhandlungen anerkannt und umgesetzt,
oder die internationale Gemeinschaft übernimmt
direkt die Durchsetzung der allgemein anerkannten
Zwei-Staaten-Lösung.
Frage: Der Krieg im
Gazastreifen und die ergebnislosen
palästinensisch-israelischen Verhandlungen scheinen,
wie eine Umfrage (Februar 2009) des von Ghassan
Khatib geleiteten „Jerusalemer Zentrums für
Informationen und Kommunikation“ zeigt, dass Hamas
stärker als Fatah in der Westbank sei. Können Sie
durch ihre täglichen Begegnungen in der Westbank
dieses Ergebnis bestätigen?
Antwort: Ja, ich halte
dieses Ergebnis für richtig und führe es darauf
zurück, dass die Autonomiebehörde weiterhin die
Mitglieder von Hamas verfolgt und inhaftiert; dazu
kommt, dass die Fatah-Führung nichts gegen die
Korruption in ihren eigenen Reihen unternimmt. Ich
meine, dass die Sympathie der Bevölkerung in der
Westbank für Hamas, insbesondere nach der
israelischen Aggression gegen den Gazastreifen,
stark zugenommen hat; das Gegenteil ist in Gaza
eingetreten, weil Hamas schreckliche Maßnahmen
gegen Fatah-Mitglieder ergreift: Attentate,
Verhaftungen etc. Auf der anderen Seite übernimmt
Fatah die Verantwortung für den Fortgang der bisher
erfolglosen Verhandlungen, was natürlich ihre
Popularität negativ beeinflusst. Hamas, die neben
Fatah den Widerstand gegen die israelische Invasion
in Gaza führte, bemüht sich ihrerseits um den
Waffenstillstand und letztlich ebenfalls um
internationale Anerkennung sowie um Aufnahme in die
Verhandlungen mit Israel.
Frage: Schließen Sie
aus, dass Fatah oder zumindest einige ihrer
Mitglieder
- hier ist die Rede
von Muhammad Dahlan, dem einstigen Fatah-Führer in
Gaza – versuchen werden
, Hamas in Gaza militärisch zu vernichten?
Antwort: Das halte ich
für sehr unwahrscheinlich. Hamas ist militärisch
stärker geworden und die Möglichkeit, Hamas mit
Waffengewalt zu besiegen, ist kläglich gescheitert.
Selbst die gewaltige israelische Kriegsmaschinerie
konnte Hamas nicht bezwingen. Dahlan wird niemals
nach Gaza zurückkehren, selbst wenn die nationale
Führung durch den Dialog zwischen Fatah und Hamas
ihre Herrschaft über den Gazastreifen
wiederherstellen würde, schließe ich es aus, dass
Dahlan wagen würde, nach Gaza zurückzukeren. Fatah
lehnt es entschieden ab, mit israelischen Panzern
nach Gaza einzumarschieren. Sie setzt sich für die
Abhaltung von fairen und geheimen Wahlen ein; nur
dadurch sollte ein Machwechsel stattfinden. Ich bin
für einen echten Dialog zwischen beiden Bewegungen.
Die Autonomiebehörde muss damit aufhören,
Hamas-Mitglieder zu inhaftieren, und Hamas muss ihre
kriminellen Maßnahmen gegen Fatah-Mitglieder in
Gaza einstellen.
Frage: Lassen Sie mich
abschließend eine Frage stellen, die mit der
Geschichte der Spaltung der Palästinenser
zusammenhängt und in den westlichen Medien nach wie
vor aktuell ist: Stimmt die These, dass Muhammad
Dahlan - kurz vor der Spaltung im Juni 2007 - mit
Rückendeckung und Waffen der USA und Israels Hamas
militärisch liquidieren wollte, was ihren damaligen
„Putsch“ gegen die Fatah-Führung herbeigeführt
hatte?
Antwort: Es gibt viele
Erklärungsversuche für die Spaltung. Ich neige zu
folgender Auffassung: Nach dem Wahlsieg von Hamas
und der Bildung ihrer ersten Regierung geriet sie
in Konflikt mit den Interessen der Fatahfraktion,
die wirtschaftlich und sicherheitspolitisch mit
Israel verbunden ist. Die Anhänger dieser
privilegierten Schicht versuchten die Regierung von
Hamas zu stürzen, obwohl die offizielle Fatah durch
den von ihr eingeführten demokratischen Prozesses
Hamas ermöglicht hatte, die Regierung zu bilden.
Fatah akzeptierte die Führung von Hamas im Rahmen
der gemeinsamen Regierung, und dennoch erklärte sich
diese privilegierte Fatah-Wirtschaftsfraktion nicht
bereit, ihre unverantwortlichen Maßnahmen gegen
Hamas einzustellen. Dann kam die überzogene, nicht
gerechtfertigte und besonders gewalttätige Reaktion
von Hamas. Sie ist in die Falle der erwähnten
Fatahfraktion getappt und übernimmt damit die
Verantwortung für die äußerst schwierige Situation,
in der sich das palästinensische Volk befindet.
Hamas muss ihre
Vorstellungen durch Dialog durchsetzen: Reform der
PLO, Rücktritt des illegitimen Exekutivkomitees der
PLO, Reform der Sicherheitsinstitutionen. Dies muss
im Rahmen der PLO und nicht gegen sie erfolgen.
Hamas und Fatah müssen gemeinsam die Verantwortung
für die Verwirklichung der Einheit des
palästinensischen Volkes und seiner nationalen
Ziele übernehmen.
........................ ENDE
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