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Israels Rechte hat Augen und sieht nicht, hat Ohren und hört nicht

 Carlo Strenger, 10.1.11

 

Zukünftige Historiker werden darüber debattieren, wie Israels Führung nur so blind sein konnte. Sie werden sich darüber wundern, wie es möglich war, dass Israel – 43 Jahre lang – nicht erkennen konnte, was David Ben Gurion nur wenige Wochen nach dem Sechs-Tage-Krieg sah: dass die Besatzung der Westbank für Israel eine Katastrophe war.

Sie werden sich noch mehr darüber wundern, was die Regierung von Benyamin Netanyahu im Sinne hatte, als er die Zerstörung des Shepherd-Hotel, die Vertreibung der Palästinenser in Sheik Jarrah und Silwan erlaubte; sie werden sich  fragen, was bei der 18. Knesset geschah, als Parlamentarier mit einander  mit ihrer antidemokratischen Gesetzgebung in Wettbewerb traten.

Sie werden  von der totalen Blindheit dieser Parlamentarier und Minister gegenüber Israels Platz in der Welt erschrocken sein und auch über  ihren totalen Mangel an Vision über  die zukünftige Art des Staates Israel. Das einzige, worum sie sich anscheinend Sorgen machen, ist, wie sie ihren Patriotismus durch Judaisierung Jerusalems und anderer Gebiete verwirklichen können; noch ein Haus der Palästinenser wegnehmen;  zu zeigen, wie „jüdisch“ sie sind, beim Vorschlagen anti-arabischer Gesetze und beim Angreifen von NGOs, die versuchen, die liberale Demokratie Israels zu schützen.

 

Der Rausch,Jerusalem zu judaisieren, hat nun einen Punkt erreicht, an dem die internationale Gemeinschaft nicht länger bereit ist, nur daneben zu stehen und zuzuschauen. Vor kurzem forderten 26 ehemalige EU-Staatsmänner, die während ihrer Amtszeit überzeugte Freunde Israels waren, Sanktionen gegen Israel. Danach folgte der Aufruf von EU-Diplomaten, 1.Ost-Jerusalem als palästinensische Hauptstadt  anzuerkennen; 2.Beobachter an jeden Ort zu stellen, wo Israel weiter palästinensische Gebäude zerstören will.

Die Unheil verkündenden Anzeichen,  Israel werde bald unter großen internationalen Druck geraten, steigen, und die Vorschläge für spezielle Schritte von Boykott und Sanktionen  nehmen Gestalt an. Einer dieser Schritte ist, Israelis, die in der Westbank wohnen, den Zutritt zur EU zu verweigern und den Verkauf israelischer Produkte aus der Westbank zu verbieten.

 

Die gegenwärtige Regierung  wird auf diese Schritte mit Netanyahus üblichem Jammern reagieren, dass Israels Existenz delegitimiert würde; dass es keine Verbindungen gäbe zwischen Israels Aktionen und der Kritik vom Ausland. Avigdor Lieberman  wird sagen, dass Israel der internationalen Gemeinschaft  zeigen will, dass es Rückgrat habe und dass es unter Druck nicht kapitulieren werde.

 

Nichts, absolut nichts scheint in die Gehirne von Israels rechten Politikern zu dringen. Wenn man mit ihnen spricht, höre ich meistens, wie sehr sie über Israels Isolierung überrascht seien. Sie leben wie in einem tiefen Bunker, wo die einfachsten Wahrheiten nicht bis in ihre Gehirne dringen: für die Welt ist ein palästinensischer Staat entlang den 1967er-Grenzen mit Ost-Jerusalem als seiner Hauptstadt eine nicht zu verhandelnde Forderung.

 

Es ist kaum zu glauben, aber sie verstehen wirklich nicht, dass Israels Aktionen in Ost-Jerusalem und  das anhaltende Bauen in den Siedlungen Israel als den Friedensverweigerer hinstellt. Sogar unser hoch gebildeter Ministerpräsident und Verteidigungsminister, der  scheinbar weltmännische Netanyahu und Barak, haben vollkommen die Verbindung zur Außenwelt verloren. Netanyahus Klagen, es sei die Schuld der Palästinenser und Baraks Behauptung, dass während seiner Amtszeit als Ministerpräsident mehr gebaut wurde als jetzt, zeigt, dass ihr Horizont jetzt ausschießlich von ihrem Wunsch bestimmt wird, an dieser Koalition der Schande noch ein paar Monate länger festzuhalten.

Ich wünschte, ich wüsste einen Weg, um diesen Wahnsinn aufzuhalten, aber die Aussichten für die nächste Zukunft sind trübe. Die menschliche Natur nimmt nicht gern Schuld  und Verantwortung auf sich. Die  an der Macht befindlichen rechten Politiker weigern sich, in den Spiegel zu schauen und zu begreifen, dass ihre Aktionen dieses Unglück über Israel bringen. Sie benötigen einen internationalen Sündenbock, den sie dafür anklagen können, dass Israel jetzt so angegriffen wird.

Deshalb  werden wir wahrscheinlich Zeugen wachsender Angriffe auf NGOs, Akademiker, Literaten und  auf Bürger, die seit Jahren versuchen, das Desaster von Israel abzuwenden und Israel vom Kurs, eine antiliberale Ethnokratie zu werden, abzubringen. Die Knesset wird ihre Versuche, die Kritik zum Schweigen zu bringen, verstärken und behaupten,  die Kritiker Israels seien für die Sanktionen verantwortlich, obwohl genau das Gegenteil der Fall ist. Sie werden alles tun, um  sich nicht der Wahrheit stellen zu müssen: ihre Aktionen und nicht Israels liberale Kritiker bringen Israel in eine beispiellose internationale Isolierung.

 

Während ich nicht voraussagen kann, wann es genau sein wird: der Tag wird kommen, an dem Israel  aus seinem nationalistischen und rassistischen Alptraum aufwachen wird, in den es gefallen ist. Bis Israels Wählerschaft aufwacht und begreift, dass eine zurechnungsfähige/ vernünftige Regierung  gewählt werden muss, ist es an Israels ziviler Gesellschaft, die Vision lebendig zu halten, was aus Israel werden kann.

Rechtsgelehrte wie Ruti Gavison, Schriftsteller wie David Grossman, Philosophen wie Avishai Margalit und politische Historiker wie Zeev Sternhell zusammen mit Institutionen wie das israelische Demokratie-Institut, seine Akademien, seine Theater, seine Musiker und Filmemacher halten die Moral und die politische Vision lebendig, auf der das Israel von  Morgen seine Fundamente errichten kann. Der Tag wird kommen, an dem die moralische Klarheit und politische Weisheit jener, die ihren Kopf und ihr Herz intakt gehalten haben, Israels Zukunft bestimmen werden.

Ein Schlusswort zur Mehrheit der Juden in aller Welt, deren Weltbild zum größten Teil liberal ist, und zu den  vielen Freunden Israels, die von seinen Aktionen enttäuscht sind: Dies ist für Freunde Israels eine schwierige Zeit und wir hatten  nie Freunde nötiger als jetzt, die uns durch diese Zeit helfen, bis Israel eine lebensfähige Moral und politische Vision für die Zukunft wieder gewinnt.

 

Wir müssen uns daran erinnern, dass Länder Fehler machen. Die McCarthyistische Woge rollte durch die USA und verdunkelte ein paar Jahre lang den Horizont, aber am Ende überwand die amerikanischen Freiheitsliebe diese schreckliche Episode. Im Grunde ist Israel eine Gesellschaft, die an das Leben, die Freiheit und an Kreativität glaubt. Indem wir Israels Potential jenseits der Fehler seiner Politiker sehen, halten wir das Wissen lebendig, dass Israel die blühende, kreative, gerechte und liberale Demokratie wird, die wir sein wollen.

 

(dt. Ellen Rohlfs)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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