SIMON PERES ist ein
Genie. Ein Genie der Imitation.
Sein Leben lang
arbeitet er an seinem öffentlichen Image. Das Image ersetzt den
Mann. Fast alle Artikel, die seit seiner Erkrankung über ihn
geschrieben wurden, handeln von dem imaginären Menschen, nicht von
dem echten.
Wie die Amerikaner zu
sagen pflegen: “Er ist so unecht,
dass er
echt ist.”
OBERFLÄCHLICH
betrachtet gibt es einige Parellelen zwischen ihm und mir.
Er ist 39 Tage älter
als ich. Er kam einige Monate nach mir in dieses Land, beide waren
wir 10 Jahre alt. Man schickte mich nach Nahalal, einem
Genossenschaftsdorf, ihn nach Ben Shemen, einem landwirtschaftlichen
Jugenddorf.
Man kann sagen, dass
wir beide Optimisten sind und unser Leben lang aktiv waren.
Damit enden unsere
Parallelen.
ICH KAM aus
Deutschland, wo wir eine wohlhabende Familie waren. In Palästina war
unser gesamtes Geld sehr schnell verbraucht. Ich wuchs in äußerster
Armut auf. Er kam aus Polen. Seine Familie
war auch in Palästina wohlhabend.
Ich behielt einen deutschen
Akzent, er einen sehr starken polnischen.
Bereits in seiner
Kindheit gab es etwas, das die Wut seiner Klassenkameraden in der
jüdischen Schule seines kleinen Heimatortes auf sich zog. Sie
schlugen ihn oft. Sein jüngerer Bruder verteidigte ihn gewöhnlich.
Er erzählte, Shimon habe ihn gefragt: “Warum hassen sie mich so?”
In Ben Shemen war sein
Name noch Persky. Einer seiner Lehrer schlug ihm vor, einen
hebräischen Namen anzunehmen, was fast alle von uns taten. Er schlug
Ben Amotz vor, den Namen des Propheten Jesaja. Aber dieser Name
wurde von Musia
Tehilimsager, einem anderen Schüler, weggeschnappt, der auch berühmt
wurde. Deshalb schlug der Lehrer Peres vor, den Namen eines großen
Vogels.
WIR TRAFEN UNS zum
ersten Mal im Alter von 30 Jahren. Er war bereits der
Generaldirektor des Verteidigungsministeriums, Ich war der
Chefredakteur eines Magazins, das das Land in Aufruhr versetzte.
Er lud mich in sein
Ministerium ein, um mich zu bitten, einen investigativen Artikel
nicht zu veröffentlichen (über das Versenken eines illegalen
Flüchtlingsschiffs durch die Hagana im Hafen von Haifa vor der
Gründung Israels). Unsere Begegnung war eine Geschichte
gegenseitiger Antipathie auf den ersten Blick.
Meine Antipathie war
bereits vor dem Treffen vorhanden. Im Krieg von 1948 (dem
“Unabhängigkeitskrieg”) war ich ein Mitglied einer Kommandoeinheit,
die sich “Simsons Füchse” nannte. Jeder von uns Kampfsoldaten dieses
Krieges, verachtete Mitglieder unserer Altersgruppe, die sich nicht
zum Militärdienst einschrieben. Auch Peres tat dies nicht. Er wurde
von David Ben-Gurion ins Ausland gesandt, um Waffen zu kaufen. Ein
wichtiger Job – aber einer, der von einem 60-Jährigen ausgeübt
werden konnte.
Diese Tatsache
schwebte eine sehr lange Zeit über Peres Haupt. Sie erklärt,
weshalb Mitglieder seiner Altersklasse ihn verachteten und Yitzhak
Rabin, Yigal Alon and deren Kameraden liebten.
SHIMON PERES war von
Kindheit an Politiker – ein echter Politiker, durch und durch ein
Politiker und nichts Anderes. Keine anderen Interessen, keine
Hobbys.
Es begann bereits in
Ben Shemen. Peres war dort ein "Außenseiter-Junge”, ein neuer
Einwanderer, der sich von all den sonnengebräunten, athletischen
einheimischen Jungen unterschied. Sein nicht sehr sympathisches
Gesicht war wenig hilfreich. Trotzdem zog er Sonia an, die Tochter
eines Zimmermanns, die seine Ehefrau wurde.
Er ersehnte die Liebe
seiner Kameraden und wollte als einer von ihnen akzeptiert werden.
Er trat der “Arbeiterjugend” bei, der Jugendorganisation der
allmächtigen Histadruth-Gewerkschaft und wurde sehr aktiv. Da die
heimischen Jungen, die den Spitznamen “Sabras”
(Kaktuspflanze)
hatten, an politischen Aktivitäten
nicht interessiert waren, stieg Peres die Karriereleiter hoch und
wurde schnell zum Ausbilder.
Seine erste
Gelegenheit kam, nachdem er seine Studien in Ben Shemen beendet
hatte und sich einem
Kibbutz der Arbeiterpartei (Mapai) anschloss, die die jüdische
Gemeinschaft mit eisener Faust beherrschte. Die Partei spaltete
sich. Fast alle Jugendleiter schlossen sich der “Fraktion B” an, der
Oppositionsgruppe. Peres war fast der Einzige, der der
Mehrheitsfraktion treu blieb. Dadurch zog er die Aufmerksamkeit des
Parteiführers Levi Eshkol auf
sich.
Es war eine brilliante
politische Übung. Seine einstigen Kameraden verachteten ihn, aber er
hatte nun Kontakt zu der Führungsspitze der Partei. Eshkol stellte
ihn Ben-Gurion vor und als der Krieg im Jahre 1948 ausbrach, sandte
Ben-Gurion
ihn zum Kauf von Waffen in die USA.
Seitdem agierte Peres
als Ben Gurions rechte Hand, bewunderte ihn und – was das Wichtigste
ist - wurde sein politischer Nachfolger.
BEN-GURION prägte dem
neuen Staat seine politische Einstellung auf, und man könnte sagen,
dass der Staat sich auch heute noch auf den Weichen bewegt, die von
ihm gestellt wurden. Peres war einer seiner Haupthelfer dabei.
Ben-Gurion glaubte
nicht an Frieden. Seine Ansichten basierten auf der Annahme, dass
die Araber niemals Frieden mit dem jüdischen Staat eingehen würden,
der auf dem gegründet worden war, was
zuvor ihr
Land war. Zumindest eine lange, lange Zeit lang würde es keinen
Frieden geben. Deshalb brauche der neue Staat eine starke Westmacht
als Verbündeten. Die Logik diktiere, dass solch ein Verbündeter aus
den Reihen der imperialistischen Mächte käme, die den arabischen
Nationalismus fürchteten.
Es war ein
Teufelskreis: Um sich gegen die Araber zu verteidigen, brauchte
Israel einen kolonialistischen anti-arabischen Verbündeten. Solch
eine Allianz würde nur den Hass der Araber auf Israel verstärken.
Und so weiter, bis heute.
Der erste zukünftige
Verbündete war Großbritannien. Aber diese Verbindung scheiterte: die
Briten bevorzugten es, sich den arabischen Nationalismus zu eigen zu
machen. Jedoch im richtigen Augenblick erschien ein anderer
Verbündeter auf der Bühne: Frankreich.
Die Franzosen hatten
ein weites Imperium in
Afrika. Algerien, ein offizielles
Department von Frankreich, rebellierte im
Jahre 1954. Beide Seiten kämpften mit äußerster Grausamkeit.
Da die Franzosen ihren
Algeriern nicht zutrauten, sich gegen sie aufzulehnen, schoben sie
die gesamte Schuld auf den neuen Führer, der in Kairo an die Macht
gekommen war. Aber kein Land war bereit, sie bei ihrem “schmutzigen
Krieg” zu unterstützen – außer einem.
Ben-Gurion,
mittlerweile im Alterungsprozess, fürchtete den neuen pan-arabischen
Führer Gamal Abd-al-Nasser. Jung, energisch, gutaussehend und
charismatisch, war “Nasser” ein Redner, der begeisterte, im
Gegensatz zu den alt-bekannten Arabern, an die Ben-Gurion gewöhnt
war. So ergriff Ben-Gurion, als die Franzosen ihre Hand nach ihm
ausstreckten, diese begierig.
Es war wieder der alte
Teufelskreis: Israel unterstützte die französische Unterdrückung der
Araber, der arabische Hass auf Israel verstärkte sich, Israel
brauchte die kolonialistischen Unterdrücker noch mehr. Vergeblich
warnte ich vor diesem katastrophalen Prozess.
Ben-Gurions Gesandter
für Frankreich war Shimon Peres. Mit seiner Hilfe erreichte der
Prozess ungeahnte Höhen. Zum Beispiel: Als die UN einen Vorschlag
zur Verbesserung der Gefängnisbedingungen für den algerischen Führer
Ahmed Ben Bella debattierte, kam die einzige Gegenstimme bei der UN
von Israel. (Die Franzosen selbst boykottierten die Versammlung).
Diese unheilige
Allianz erreichte ihren Höhepunkt im Suez-Krieg von 1956, in dem
Frankreich, Großbritannien und Israel gemeinsam Ägypten angriffen.
Diese Operation erfuhr eine einstimmige weltweite Verurteilung. Die
USA und Sowjetrussland machten gemeinsame Sache und die drei
Verschwörer mussten sich zurückziehen. Israel musste das riesige
Gebiet, das es besetzt hatte, zurückgeben.
Die Franzosen riefen
Charles de Gaulle zurück an die Macht. Dieser sah ein, dass er dem
sinnlosen Krieg ein Ende setzen musste. Peres fuhr
jedoch
fort, die Allianz zu loben, die, wie er verkündete, nicht auf reinen
Interessen sondern auf tiefen gemeinsamen Werten basierte. Ich
veröffentlichte diese Rede, Satz für Satz, indem ich jeden einzelnen
Satz widerlegte. Ich prognostizierte, dass Frankreich, sobald der
Algerienkrieg vorüber sei, Israel wie ein heißes Eisen fallen lassen
und seine Beziehungen zur arabischen Welt erneuern würde. Und das
ist natürlich genau das, was geschah. (Israel wählte stattdessen die
USA) .
Eine der Früchte der
Suez-Operation war der Atomreaktor in Dimona. Es heißt, dass er von
Frankreich an Israel als Geschenk zum Dank für Peres Dienste
übergegeben wurde. In Wirklichkeit war er ein Teil von Frankreichs
Handel mit Israel wie auch eine Ankurbelung der französischen
Industrie. Notwendige Ingredienzien wurden an vielen Stellen durch
Diebstahl und Betrug erhalten.
Peres wurde in Israel
in den Himmel gelobt. Es war ein Lob für einen Mann des Krieges,
nicht des Friedens.
DIE KARRIERE von Peres
ähnelt der Legende von Sisyphos, dem Held des altgriechischen
Mythos, der von den Göttern verurteilt wurde, einen schweren
Felsblock auf die Spitze eines Berges zu rollen, aber jedesmal, wenn
er sich seinem Ziel näherte, entglitt der Felsblock seinen Händen
und rollte wieder hinunter.
Nach dem Sinai-Krieg
erreichte Peres Glück neue Höhen. Der Architekt der Beziehungen mit
Frankreich, der Mann der den Atomreaktor erhalten hatte, wurde zum
Stellvertretenden Verteidigungsminister ernannt und war auf dem Weg,
ein angesehenes Kabinettsmitglied zu werden, als alles
zusammenbrach. Ben-Gurion bestand darauf, eine scheußliche
Sabotageaffaire zu veröffentlichen und wurde von seinen Kollegen
abgesetzt. Er bestand auf der Gründung einer neuen Partei, die Rafi
genannt wurde. Peres war sehr zu seinem eigenen Missfallen
gezwungen, daran teilzunehmen, ebenso wie Moshe Dayan, der es mit
demselben Missfallen tat.
Ben-Gurion war nicht
aktiv, Dayan tat nichts, wie gewöhnlich, und es oblag Peres, den
Wahlkampf zu betreiben. Mit seiner üblichen unermüdlichen Energie
beackerte er das Land. Aber bei den Wahlen gewann die Partei mit all
ihren brillianten Stars nur 10 Sitze in der Knesset, die aus 120
Mitgliedern besteht,
und ging in eine machtlose Opposition über. Peres Felsblock rollte
hinunter.
Und dann kam die
Rettung – fast. Abd-al-Nasser sandte seine Armee in den Sinai, in
Israel brach Panik aus. Die Rafi-Partei beteiligte sich an der
Regierung. Peres erwartete seine Ernennung zum
Verteidigungsminister, aber im letzten Augenblick erhielt der
charismatische Dayan die begehrte Position. Israel errang in sechs
Tagen einen haushohen Sieg, und der Mann mit der schwarzen
Augenklappe wurde eine weltweite Berühmtheit. Der arme Peres musste
sich mit einem geringeren Amt begnügen. Der Felsblock rollte wieder
hinunter.
Sechs Jahre lang
stagnierte Peres, wohingegen Dayan sich in der weltweiten
Bewunderung von Männern und insbesondere von Frauen sonnte. Und dann
hat sich das Blatt wieder gewendet. Die Ägypter überquerten den
Suez-Kanal und errangen einen unglaublichen Anfangssieg, Dayan
zerbröckelte wie ein irdischer Götze. Nach einiger Zeit waren sowohl
Golda Meir, als auch Dayan zum Rücktritt gezwungen. Peres war der
offensichtliche Kandidat als Premierminister.
Aber das Unglaubliche
geschah. Aus dem Nichts erschien Yitzhak Rabin, der einheimische
Junge, der Sieger des Sechstage-Krieges. Er wurde zum
Premierminister gewählt, war aber gezwungen, Peres, den er nicht
mochte, zum Verteidigungsminister zu ernennen. Der Felsblock war
wieder auf halbem Weg nach oben.
Die folgenden Jahre
waren die Hölle für Rabin. Der Verteidigungsminister hatte nur eine
Ambition im Leben: den Premierminister zu demütigen und zu
unterminieren. Es war ein „Fulltime-Job“.
Um Rabin zu ärgern tat
Peres etwas von historischer Bedeutung: Er schuf die ersten
Siedlungen mitten in der besetzten Westbank und begann mit einem
Prozess, der nun Israels Zukunft bedroht. Der wütende Rabin gab ihm
einen Spitznamen, der ihm seitdem anhaftet: "Der unermüdliche
Intrigant".
Ein paar Jahre später
musste Rabin Wahlen vorziehen, weil von den USA erhaltene
Kampfflugzeuge in Israel am Freitag ankamen, zu spät für die
Ehrengäste, um nach Hause zu gelangen, ohne den Sabbat zu entweihen.
Die religiösen Fraktionen rebellierten. Rabin führte
selbstverständlich die Parteiliste an.
Dann geschah etwas. Es
wurde ersichtlich, dass Rabin, nachdem er das Amt des Botschafters
in den USA aufgegeben hatte, ein Bankkonto in Amerika hinterließ –
etwas, das zu der Zeit verboten war. Rabins Ehefrau wurde angeklagt.
Rabin nahm die Schuld auf sich und trat zurück. So wurde Peres die
Nummer 1 auf der Liste und letztendlich näherte sich der Felsblock
der Bergspitze.
Am Abend des Wahltages
feierte Peres bereits seinen Sieg, als das Rad sich abrupt in der
Nacht drehte. Unglaublicherweise hatte Menachem Begin gewonnen, der
von vielen als Faschist angesehen wurde. Wieder rollte der Felsblock
hinunter.
Am Abend des
Libanonkrieges von 1982 (bei dem ich Yasser Arafat traf) gingen die
Oppositionsführer Peres und Rabin zu Begin und forderten ihn auf, in
den Libanon einzudringen.
Dann wurde Begin von
der Alzheimer-Krankheit befallen und von einem anderen ehemaligen
Terroristen ersetzt, Yitzhak Shamir. Eine Art Übergangsregierung
folgte, da keine der beiden großen Parteien alleine herrschen
konnte. Ein zweiköpfiges Rotationssystem entwickelte sich. In einer
seiner Perioden als Premierminister erntete Peres unumstrittene
Lorbeeren als der Mann, der Israels Inflation in dreistelliger Höhe
überwand und den Neuen Schekel einführte, der immer noch unsere
Münze (Münz-Währung) ist.
Der Felsblock ging
wieder nach oben, als sich etwas sehr Schlimmes ereignete. Vier
arabische Jungen entführten einen Bus voller Menschen und fuhren ihn
gen Süden. Der Bus wurde erstürmt. Die Regierung behauptete, dass
alle vier in dem Kampf getötet wurden, aber dann veröffentlichte ich
ein Foto, auf dem zwei von ihnen nach der Gefangennahme noch lebend
zu sehen waren. Daraus wurde ersichtlich, dass sie kaltblütig vom
Sicherheitsdienst exekutiert worden waren.
Inmitten dieser
Angelegenheit wurde Peres der Nachfolger von Shamir, wie zuvor
vereinbart worden war. Peres verschaffte allen Mördern eine
Begnadigung, einschließlich des Chefs des Shin Bets.
RABIN KEHRTE an die
Macht zurück, mit Peres als Außenminister. Eines Tages verlangte
Peres, mich zu sehen – ein ungewöhnliches Ereignis, da die
Feindschaft zwischen uns bereits Teil der Folklore war.
Peres belehrte mich
über die Notwendigkeit, Frieden mit der PLO zu schließen. Da dies
seit vielen Jahren mein Hauptlebensziel war, konnte ich mein Lachen
kaum verkneifen. Er berichtete mir dann streng vertraulich von den
Oslo-Verhandlungen und bat mich, meinen Einfluss geltend zu machen,
um Rabin zu überzeugen.
Peres hatte sicherlich
seinen Teil zu dem Abkommen beigetragen, aber Rabin war derjenige,
der die folgenschwere Entscheidung traf – und der sie mit seinem
Leben bezahlte.
In meiner Vorstellung
sehe ich den Mörder, der mit
der geladenen Pistole am Fuße der Treppen wartet, Peres ein paar
Zentimeter an sich vorbeigehen lässt und auf Rabin wartet, der ein
paar Minuten später hinunterkommt.
Das Nobelpreiskomitee
entschied zunächst, den Friedenspreis an Arafat und Rabin zu
verleihen. Peres Anhänger in der ganzen Welt setzten (jedoch) Himmel
und Hölle in Bewegung, bis das Komitee Peres mit auf die Liste
setzte. Die Gerechtigkeit verlangte, den Preis auch an Mahmoud Abbas
zu verleihen, der mit Peres unterzeichnet hatte. Aber die Statuten
erlauben nur drei Nobelpreisträger. Deshalb wurde Abbas kein
Nobelpreisträger.
Nach Rabins Tod wurde
Peres vorübergehend Premierminister. Hätte er sofortige Wahlen
angeordnet,
so hätte er einen Erdrutschsieg errungen. Aber Peres wollte nicht
auf der Erfolgswelle des Toten mitschwimmen. Er wartete ein paar
Monate, in denen er einen sinnlosen Krieg im Libanon führte. Am Ende
verlor er die Wahl an Binjamin Netanyahu.
(Das führte zu meinem
Scherz: "Wenn eine Wahl verloren werden kann, wird Peres sie
verlieren. Wenn eine Wahl nicht verloren werden kann, wird Peres sie
trotzdem
verlieren.”
In allen Wahlkampagnen
wurde Peres verflucht und beleidigt. Einmal beschwerte er sich über
“ein Meer von (obszönen) orientalischen Gesten”, die bewirkten, dass
er noch mehr von den Bürgern orientalischer Abstammung abgelehnt
wurde.
Während dieser Zeit
tat Peres etwas Kluges: er unterzog sich einer plastischen
Operation. Sein Aussehen verbesserte sich auffallend.
Die endgültige Blamage
kam, als Peres für die Wahl zum Staatspräsidenten antrat. Der
Präsident, eine zeremonielle Persönlichkeit, ohne wirkliche Macht,
wird von der Knesset gewählt. Jedoch Peres verlor gegen ein Nichts,
einen Likud-Partei-Mitläufer namens
Moshe
Katzav. Es schien eine letzte
Beleidigung zu sein.
Aber dann geschah
wieder das Unglaubliche. Katzav wurde inhaftiert und der
Vergewaltigung schuldig befunden. In der darauffolgenden Wahl wählte
die Knesset Peres, was nach einem Anfall von kollektiven
Gewissensbissen aussah.
Der Felsblock hatte
die Bergspitze endlich doch
erreicht. Aufgrund seiner unermüdlichen
Energie hatte Sisyphos am Ende gewonnen. Der lebenslängliche
Politiker, der nie eine Wahl gewonnen hatte, war nun Präsident – und
wurde über Nacht sehr populär.
Peres blieben mehrere
Jahre, um die neue Liebe des Volkes zu genießen, sein Lebensziel.
Und dann, vor zwei Wochen, erlitt er einen Schlaganfall und verlor
das Bewusstsein.
Ich hoffe, er wird
genesen.
Solche
Menschen findet man heute nicht mehr.
(übersetzt von Inga Gelsdorf)