Die Zerstörung der
al-Aqsa ist keine Verschwörungstheorie
Ilan
Pappe
10.11.15
( people/ Eelectronic intifada, 10.11.15
„Es ist sinnlos“,
behauptet der Kolonist in Albert Memmis klassischer Abhandlung, die
Aktionen der Kolonisten vorauszusagen. Sie sind nicht voraussagbar“
Es scheint dem Kolonisten, dass seltsam beunruhigende Impulsivität
die Kolonisierten kontrolliert.
Die einzige
Erklärung, die das offizielle Israel und seine Unterstützer geben
könnten, warum die Palästinenser sich vor kurzem erhoben, ist ,
dass sie von islamischer Propaganda beeinflusst waren. Diese
Propaganda, die so leicht die „impulsiven und nicht voraussehbaren
Palästinenser in den letzten Wochen aufhetzte – nach israelischem
Spin.
Allgemein gesprochen:
die westlichen Kommentatoren sind bereiter gewesen, den Widerstand
in den größeren Kontext der Unterdrückung der Palästinenser zu
setzen.
Doch diese westliche
Annäherung, vor allem von liberalen Akademikern und Journalisten hat
etwas mit der israelischen zu tun. Sie betrachtet die Behauptung –
Israel plane die Al-Aqsa zu zerstören, um einen 3. Tempel zu bauen -
als grundlos und irrelevant. Die Behauptungen erscheinen in den
westlichen Medien als ein reiner Vorwand, der nur beiläufig die
Palästinenser zum Aufstand brachte.
Man kann nicht
leugnen, dass nach fast 50 Jahren brutaler Kolonisierung, nicht weit
sehen muss, um die Tiefe der Verzweiflung und der Wut bei den
Palästinensern zu sehen und zu verstehen.
Doch dieser
verständliche Impuls, gegen die Unterdrückung zu handeln, sollte uns
nicht dahin bringen, Israels Pläne gegenüber dem Haram al Sharif zu
ignorieren. Noch sollten wir akzeptieren, dass arabische und
palästinensische Vorahnungen über Israel, Erfindungen
orientalischer Vorstellungskraft sind und nicht in der Realität
wurzelt. In der Tat können sie bewiesen werden.
Es ist deshalb
wichtig zu fragen – egal ob man religiös oder säkular ist: Ist die
Al-Aqsa in Gedahr? Wenn sie es ist, dann ist ihre gefährliche
Zukunft nicht nur eine Beleidigung gegenüber dem Islam, sondern
auch ein weiterer Indiz , wie weit Israels koloniales
Siedlerprojekt gehen kann.
Archäologisches
Verbrechen
Arabische und
islamische Stätten in Jerusalem zu zerstören, ist der israelischen
Politik und Einstellung nicht unbekannt. 1967 zerstörte Israel das
marokkanische Viertel in der Altstadt Jerusalem. Dies war ein
architekturisches Kleinod islamischer Zivilisation aus dem späten
12. Jahrhundert und war Gastgeber der bedeutendsten islamischen
religiösen Regeln.
Als der Zionismus in
Palästina erschien, versuchten seine Führer nicht nur Land für
Siedlungen zu kaufen, sondern auch das zu kaufen, was sie als
jüdisches Jerusalem ansahen.
Baron Edmond
Rothschild versuchte am Ende des 19. Jahrhunderts das Viertel zu
kaufen, wie die zionistische Führung unter britischem Mandat – doch
vergebens. Wenn das Kaufen nicht möglich wurde, wurde es mit Gewalt
während des 1967er Krieges getan und zerstört.
Die Zerstörungen
schlossen die Zerstörung der Sheikh Eid-Mosche ein, die vom Sohn von
Saladin gebaut wurde, der Jerusalem von den Kreuzfahrern befreit
hat. Als Jahre später der Historiker und Vizepräsident der
israelischen National Akademie der Wissenschaften Benjamin Kedar
davon erfuhr, schrieb er in der israelischen Zeitung, dass dies „ein
archäologisches Verbrechen“ war.
Die Zerstörung von
Moscheen war keine neue Praxis oder auf Jerusalem beschränkt. Die
zionistischen Kräfte ließen während der Nakba nur sehr wenige
Moscheen in den zerstörten palästinensischen Dörfern und Städten
zurück – es war die ethnische Säuberung. Israelische Behörden
verwandelten viele der verbliebenen Moscheen in Klubs, Restaurants
und sogar Viehställe um
Geographie der
Zerstörung
Auf diese Weise waren
weder historische Denkmäler in Jerusalem noch Moscheen in Palästina
vor der zerstörenden Politik der Kolonisten geschützt. Diese
Ruinierung islamischen Erbes des Landes steckt tief im
palästinensischen kollektiven Gedächtnis. Die Palästinenser waren
häufig Zeugen, wie Israel Gebäude mit bewaffneten D-9-Bulldozer
zerstörten, die von der US-Firma Caterpillar geliefert wurden .
Doch ist es nicht nur
diese lebendige Erinnerung der israelischen Geographie der
Zerstörung, die Ängste unter vielen verbreitet, was die Zukunft der
Al-Aqsa betrifft. Es ist eine realistische Analyse der Ideologie
einiger mächtiger politischen Kräften heute in Israel, die mit
Benjamin Netanjahu‘s heutiger Regierung vertreten sind.
Die bedeutendste von
ihnen ist die ständig wachsende, religiöse nationalistische
Bewegung. Sie pflegte eine Randerscheinung zu sein, aber heute ist
sie ein Teil des Establishments.
Wie Or Kashti von
Haaretz kürzlich enthüllte, ist ein Teil des Schul-Kurrikulums
dieser Bewegung ein Programm , das zum Bau des 3. Tempels
aufruft.(In Israel gibt es drei Schulsysteme: ein säkular jüdisches,
ein national-religiöses und das „arabische“Schulsystem.)
Der Bau des Tempels
ist der Ehrgeiz der Menschheit als Ganzes, wird den Schülern
erzählt. Kashti sprach zu Experten, die das Programm lasen. Und
obgleich er betonte, dass das Programm keinen direkten Hinweis hat ,
die Al-Aqsa zu sprengen, sind die Schüler voll mit der Idee, dass
sie am Rand der jüdischen Erlösung auf dem Berg stehen (Geula).
Das Programm wird
von Naftali Bennet, dem Bildungsminister unterstützt; Uri Ariel und
Bennett sind ein Teil der Jewish Home-Partei, die engagiert sind,
die Al-Aqsa durch einen jüdischen Tempel zu ersetzen . Nach der Wahl
Anfang dieses Jahres war Ariel zum Landwirtschaftsminister ernannt.
In seiner früheren Rolle als Wohnungsminister, rief er explizit dazu
auf, den neuen Tempel über der Al-Aqsa zu bauen. Er ist kein
Politiker vom Rande, auch seine Partei nicht.
Die israelische
Regierung unterstützt mit Geld und andern Mitteln verschiedene
Organisationen, die offen für solch einen Plan stimmen . Die
Wichtigste von ihnen ist Das Tempel-Institut in Jerusalem,
gegründet von Rabbi Yisrael Ariel. Die Finanzierung ist von Uri
Blau untersucht worden.
Das Hauptziel des
Instituts (nach der Website) ist, wie Israel den Heiligen Tempel auf
dem Berg Moria in Jerusalem in Übereinstimmung mit den biblischen
Geboten baut.
Da gibt es nichts
Lächerliches oder Unvorstellbares , wenn man annimmt, dass ein
übereifriger Zionist eines Tages solch einen Plan ausführen wird.
(Der Autor, Ilan
Pappe, hat mehrere Bücher geschrieben ist Professor für Geschichte
und Direktor des Europäischen Zentrums für palästinensische Studien
an der Universität Exeter ( vorher Haifa)
( dt. Ellen Rohlfs –
ich habe die vielen Internetseiten im Text weggelassen
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