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Israel und Palästinensergebiete: Die Hamas rächt den blutigen Einsatz mit Raketen - Israels Streitkräfte lassen wiederum Luftschläge auf Gaza folgen.

Der Nahostkonflikt eskaliert nach Drehbuch

 Peter Münch - 23. Februar 2023

Bei einem Einsatz der israelischen Armee im Westjordanland sterben elf Palästinenser, mehr als 100 werden verletzt. Die Geschehnisse von Nablus und die Rache darauf zeigen: Keine Seite schreckt mehr vor irgendetwas zurück.

Am Mittwoch herrschte Krieg in der Kasbah, der Altstadt von Nablus im palästinensischen Westjordanland. Geschossen wurde aus allen Rohren, vier Stunden dauerten die Feuergefechte zwischen israelischen Truppen und palästinensischen Milizionären. Panzerabwehrraketen kamen zum Einsatz, Gewehre aller Art und Brandbomben. Szenen sind das, die man schon kennt - aktuell aus der erfolgreichen Netflix-Serie "Fauda" und realiter aus den weit zurückliegenden Jahren der Intifada.

An Kriegszeiten erinnert auch die Zahl der Opfer: Der Einsatz in Nablus hat auf palästinensischer Seite mindestens elf Tote gefordert und mehr als 100 Verletzte. Drei Senioren jenseits der 60 sind unter den Toten, drei Journalisten unter den Verletzten. Ähnlich blutig mit zehn Toten war schon vor drei Wochen ein Einsatz im nicht weit entfernten Dschenin verlaufen. Und aus dem Vorfall in der Nachbarstadt lässt sich auch ableiten, welche Folgen nun zu befürchten sind: Racheakte und Raketenbeschuss.

Die Raketen kamen gleich schon in der Nacht aus dem Gazastreifen und lösten Sirenenalarm aus in den israelischen Städten Aschkelon, Sderot und in anderen Gemeinden rund um die palästinensische Küstenenklave. Zur Vergeltung flog die israelische Luftwaffe umgehend Angriffe auf Stellungen der dort herrschenden Hamas. In Erwartung möglicher Terrorattacken sind Israels Sicherheitskräfte überall im Land in erhöhter Alarmbereitschaft und zeigen verstärkte Präsenz. Schließlich waren am Tag nach dem Dschenin-Einsatz in Jerusalem sieben Menschen vor einer Synagoge erschossen worden.


Israels Sicherheitskräfte hätten wissen müssen, was so ein Einsatz bedeutet
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Umstrittene Justizreform in Israel
Benjamin Netanjahus autokratische Wende


Netanjahu will eine Reform durchdrücken, die die Kontrollfunktion der Justiz aushebeln würde. Den Protest der Öffentlichkeit könne er wohl ignorieren, schreibt Ido Baum, nicht aber die Kapitalflucht der Investoren

Ido Baum -  21.02.202

Nach fünf Parlamentswahlen in drei Jahren, von denen vier mit einem politischen Patt endeten, hat es der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Ende letzten Jahres geschafft, eine Koalition aus rechtsgerichteten und ultraorthodoxen Parteien zu bilden. Doch statt wieder Stabilität in Israels zunehmend dysfunktionalem politischen System zu schaffen, nutzt Netanjahu seine sechste Amtszeit, um in einer Hauruck-Aktion Verfassungsreformen durchzudrücken, die Israel – sollten sie verabschiedet werden - in eine Autokratie verwandeln werden.

Vor ein paar Wahlzyklen, im Jahre 2020, urteilte der Oberste Gerichtshof Israels einstimmig, dass Netanjahu nicht vom Amt des Ministerpräsidenten ausgeschlossen werde, solange er seine Position nicht dazu nutze, um Einfluss auf das gegen ihn laufende Korruptionsverfahren zu nehmen. Doch Netanjahu hat nicht nur die an dem Verfahren beteiligten Staatsanwälte weiterhin attackiert, sie hätten sich angeblich verschworen, ihm sein Amt zu nehmen. Er hat sich auch trotz des Urteils des Obersten Gerichtshofs nicht davon abhalten lassen, einen juristischen Staatsstreich vorzuschlagen.

Nur wenige Tage nach Bildung von Netanjahus neuer Regierung hat Justizminister Yariv Levin einen umfassenden Plan zur Neugestaltung des israelischen Rechtssystems vorgelegt. Laut Levin solle die vorgesehene Reform die israelische Demokratie stärken und das Gleichgewicht zwischen Justiz auf der einen sowie Exekutive und Legislative auf der anderen Seite wiederherstellen.

Die Reform untergräbt die Gewaltenteilung
In Wahrheit soll die Reform der Justiz ihre Fähigkeit nehmen, die Exekutive zu kontrollieren. Die Reform der Regierung umfasst eine Reihe von Bestimmungen. Darunter ist eine Regelung, die es der Regierung erlauben würde, Richter, einschließlich der Richter des Obersten Gerichtshofes, einseitig zu ernennen.   mehr >>>

 

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H2: The Occupation Lab Q+A with Co-Director Noam Sheizaf, moderated by Libby Lenkinski

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Der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich nimmt an einer Kabinettssitzung im Büro des Premierministers in Jerusalem teil, 23. Februar 2023
 

Israel: Pro-Siedler-Minister erhält Befugnisse im Westjordanland durch "De-jure-Annexion

Experten sagen MEE, dass die neue Regelung Bezalel Smotrich zum "Gouverneur" des Westjordanlandes macht und die "Kolonisierung Palästinas" vertieft


Oscar Rickett - 24. Februar 2023 - Übersetzt mit DeepL

Israel hat am Donnerstag weite Teile der Verwaltung des besetzten Westjordanlandes vom Militär an einen rechtsextremen Minister übertragen, was nach Ansicht von Experten einer "de jure Annexion" gleichkommt.

Die Übertragung wurde zwischen Premierminister Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Yoav Gallant und Finanzminister Bezalel Smotrich vereinbart.


Im Rahmen der Vereinbarung erhält Smotrich, der auch als Minister im Verteidigungsministerium tätig ist, weitreichende Befugnisse für zivile Angelegenheiten im besetzten Westjordanland.

Dazu gehören Befugnisse in Bezug auf nicht genehmigte Siedleraußenposten, die Planung und den Bau von Siedlungen sowie die Ernennung von Beamten in der Zivilverwaltung - Israels Leitungsorgan im Westjordanland.

Dies würde einen Wechsel von der israelischen Militärregierung, die seit der Besetzung des Westjordanlandes durch Israel im Jahr 1967 die Norm ist, zu einer zivilen politischen Verwaltung bedeuten. Israel hat das Westjordanland nie formell annektiert, und selbst wenn es dies täte, wäre sein Status nach internationalem Recht weiterhin als "vorübergehende militärische Besetzung" definiert.

Das Abkommen könnte es Smotrich - selbst Siedler und langjähriger Befürworter einer Annexion des Westjordanlandes - ermöglichen, den Siedlungsbau erheblich auszuweiten, Israels Präsenz im Westjordanland zu verstärken und die Entwicklung der Palästinenser zu behindern.

Mehr als 600.000 Siedler leben in über 200 Siedlungen in Ostjerusalem und im Westjordanland und verstoßen damit gegen das Völkerrecht.

Der rechtsextreme Minister hat sich vehement dafür eingesetzt, dass ihm diese Befugnisse im Rahmen seiner Rolle in der von Netanjahu geführten Regierungskoalition übertragen werden.

Der israelische Menschenrechtsanwalt Michael Sfard sagte, die Übertragung mache Smotrich effektiv zum "Gouverneur des Westjordanlandes" und käme, wenn sie umgesetzt würde, einer "De-jure-Annexion" des besetzten Gebietes gleich. De jure" ist ein Rechtsbegriff, der eine rechtlich anerkannte Praxis beschreibt, unabhängig davon, ob sie in der Realität stattfindet oder nicht.

"Es handelt sich um eine radikale Änderung der Regierungsführung im Westjordanland und in den besetzten palästinensischen Gebieten im Allgemeinen", so Sfard gegenüber Middle East Eye. "Die israelische Regierung wird nun direkt die Verwaltungsbefugnisse über die besetzten Gebiete behalten. Die Beamten, die diese Befugnisse haben, werden von Smotrich, dem neuen Gouverneur des Westjordanlandes, ernannt, und der militärische Befehlshaber wird weitgehend umgangen."

Die weitgehende Übertragung von Befugnissen auf eine zivile israelische Regierung sei, so Sfard, "eine Manifestation der israelischen Souveränität jenseits der grünen Linie", der Grenze, die Israel vor 1967 von den besetzten palästinensischen Gebieten trennt.

"Es ist eine Vertiefung der Apartheid, die Israel weiter in Konflikt mit dem Völkerrecht bringt, da es verboten ist, Souveränität mit Gewalt zu erkaufen".

Jüdische Vorherrschaft über alle Palästinenser

Der Schritt wurde von Smotrich und Siedlergruppen in Israel gefeiert und von der Palästinensischen Autonomiebehörde verurteilt.

"Die formale Annexion, die von der internationalen Gemeinschaft stets als rote Linie betrachtet wurde, ist überschritten worden", sagte Wesam Ahmad, ein palästinensischer Menschenrechtsanwalt bei Al-Haq, gegenüber MEE. "Leider war die Reaktion meist Schweigen. Welche Botschaft sendet dies an Israel und welche Botschaft an das palästinensische Volk?"

Ahmad sagte, dass "man vor Ort das Gefühl hat, dass die internationale Gemeinschaft nicht die notwendigen Schritte unternehmen wird, um Israel zur Rechenschaft zu ziehen, egal wie viele Worte der Verurteilung fallen. Die Botschaft ist, dass wir uns nicht darauf verlassen können, dass das internationale Recht uns schützt, weil es keinen politischen Willen gibt, es durchzusetzen.

Das Abkommen beseitigt den juristischen Deckmantel der "vorübergehenden militärischen Besetzung", der bisher den zionistischen Expansionismus verschleiert hat.

Naomi Linder Kahn, Direktorin der rechtsgerichteten israelischen Siedlerorganisation Regavim, lobte den Schritt als "sehr guten Schritt in die richtige Richtung".

"Wir fordern schon seit Jahren den Abbau der Verwaltung im Westjordanland", sagte Kahn gegenüber MEE.

Ihr Endziel sei die israelische Zivilverwaltung des gesamten Westjordanlandes, so Kahn.

"Die Situation ist beispiellos in der Welt", sagte Kahn. "Wir sprechen davon, das Leben der dort lebenden Menschen zu normalisieren. Das Mandat der Verwaltung bestand darin, die Dinge unter Kontrolle zu halten, aber das ist keine richtige Regierung."

Nimer Sultany, ein palästinensischer Dozent für öffentliches Recht an der SOAS-Universität in London, sagte, dass der Schritt dazu beitrage, "den Prozess der Kolonisierung Palästinas zu vertiefen".

"Er beseitigt den rechtlichen Deckmantel der 'vorübergehenden militärischen Besetzung', der bisher den zionistischen Expansionismus verschleiert hat", sagte er gegenüber MEE.

Sultany sagte, dass es schon vor dem Abkommen "nicht mehr glaubwürdig war, Israels Regime der jüdischen Vorherrschaft durch das Prisma des internationalen Besatzungsrechts zu bewerten, weil es davon ausgeht, dass die längste militärische Besatzung seit dem Zweiten Weltkrieg 'vorübergehend' ist".

Er fügte hinzu, dass das Abkommen über das Westjordanland zwar nicht mit der Annexion Jerusalems oder der Golanhöhen gleichzusetzen sei, aber der Unterschied sei "unbedeutend, wenn man die tatsächlichen Auswirkungen auf die Palästinenser betrachtet. Die Siedler im Westjordanland, die im Obersten Gerichtshof, im Parlament und in der Regierung sitzen, versuchen, die jüdische Vorherrschaft über alle Palästinenser zu festigen". Quelle



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VIDEO - Israelische Filmemacher fürchten Zensur I ttt

(Das ist schon eine Sensation in Deutschland.
Man vergisst zwar zu benennen, was mit den Palästinensern geschieht.
Aber hätte sich jemand noch vor wenigen Wochen vorstellen können, dass in der bekannten Kultursendung:
Titel: Thesen, Temperamente der Moderator Max Moor fragt: "Würden Sie einem Mann Ihre
ihre Geschäfte anvertrauen, der vor Gericht steht wegen: Bestechung, Betrug und Treuebruch?")


 

Kulturförderung in Israel
Filmemacher befürchten Zensur


Seit Wochen protestieren Hunderttausende gegen Pläne der neuen ultrarechten Regierung in Israel. Von den befürchteten Kürzungen im Kulturbereich dürften als erste Filmautoren betroffen sein, die sich mit heiklen Themen wie der israelischen Besetzung der Palästinensergebiete befassen.


Joseph Croitoru - 16.02.2023

Einige israelische Dokumentarfilmer sind bereits ins Visier des neuen Kultur- und Sportministers Miki Zohar geraten. Schon kurz nach Amtsantritt verkündete der Likud-Politiker: "Heute Morgen habe ich den neuen Finanzminister Bezalel Smotrich angeschrieben und gebeten, einem Film, der sich gegen Armeesoldaten richtet, nachträglich die Zuschüsse zu streichen.“

Allerdings hatte Kulturminister Zohar zu jenem Zeitpunkt die monierte Filmdokumentation "Two Kids a Day“ (Zwei Kinder am Tag) von David Wachsmann, die kritisch die Inhaftierung und Internierung vier palästinensischer Minderjähriger durch die israelische Armee beleuchtet, noch gar nicht gesehen.

Das hinderte ihn aber nicht daran, den Filmautor Wachsmann zu bezichtigen, er stelle die israelischen Soldaten als Kindesmisshandler und palästinensische Terroristen als unschuldige Opfer dar – was den Tatsachen in keiner Weise entspricht.

Inspiriert war Zohar offensichtlich von einer kleinen, aber lauten rechtsradikalen israelischen Organisation mit dem biblischen Namen "BeZalmo“ (Nach seinem Ebenbild), deren Mitglieder gegen die Vorführung des Films in der israelischen Stadt Herzliya mit der Parole demonstriert hatten: "Nein zu den Terroristen, Ja zu den Soldaten“.

Keine Förderung mehr für kritische Filme?

Die Drohung des Ministers stieß bei israelischen Cineasten auf heftigen Protest, bislang hat sie aber Filmautor Wachsmann eher genützt als geschadet: Etliche Kinos im Land melden sich bei ihm und wollen nun seine Doku auch zeigen. Von den Protesten ließ sich Kulturminister Zohar nicht sonderlich beeindrucken.

Im israelischen Rundfunk kündigte er an, sich für neue rechtliche Regelungen bei der Kulturförderung stark zu machen: "Ich denke über ein Gesetz nach, das Inhalte, egal welcher Art, wenn sie dem guten Namen des Staates Israel schaden können, von der staatlichen Förderung ausschließt.“ Es sei nicht einzusehen, dass der Staat Inhalte fördern solle, die ihn  mehr >>>


 

Die siedlungskolonialen Ursprünge von Israels Verfassungskrise

Der Angriff der Regierung auf die Justiz wird von demselben Drang angetrieben wie die Gründer des Staates: ihre Macht zu schützen, Juden gegenüber Palästinensern zu privilegieren.


Yousef Munayyer - 24. Februar 2023 - Übersetzt mit DeepL

Zehntausende Israelis haben in den letzten Wochen die Straßen der großen Städte gefüllt, um gegen die bedeutenden Justizreformen zu protestieren, die die neue rechtsextreme israelische Regierung, die Ende letzten Jahres gewählt wurde, mit einer knappen Mehrheit in der Knesset durchsetzen will. Diese Entwicklungen wurden als eine große Verfassungskrise bezeichnet und haben zu Gerüchten über einen israelischen "Bürgerkrieg" geführt und die Einmischung besorgter Außenstehender hervorgerufen. Bei dieser Krise geht es jedoch nicht darum, vom Wesen des israelischen politischen Systems abzuweichen, sondern vielmehr darum, es weiterzuführen. Um zu verstehen, warum das so ist, muss man sich die Ursprünge der israelischen Verfassungskrise ansehen, die von dem Wunsch des Staates geprägt war und ist, dem Siedlerkolonialismus Vorrang vor einer liberalen Staatsführung zu geben.

Ein Land ohne Verfassung

Die Abgrenzung der Befugnisse zwischen den Regierungszweigen, wie der gesetzgebenden Knesset und dem Gerichtssystem, ist in anderen Zusammenhängen eine Angelegenheit, die durch höchstes Recht, wie in einer Verfassung, geregelt wird. Israel hat jedoch keine Verfassung. Dies hat einen fruchtbaren Boden für die Regierungszweige des Landes geschaffen, um das Ausmaß ihrer eigenen Befugnisse in diesem System neu zu gestalten. Dies war der Fall beim Obersten Gerichtshof Israels in den 1990er Jahren, der Schritte unternahm, um eine Hierarchie in Gesetze zu interpretieren, die gerichtliche Kontrolle auszuweiten und die Standards für Rechtsverletzungen durch die Regierung festzulegen. Dieser Moment in den 1990er Jahren wurde als Israels Verfassungsrevolution bekannt; die neue rechtsgerichtete Regierung versucht jedoch heute, gegen diese Änderungen vorzugehen und die Befugnisse des Gerichts weiter einzuschränken, indem sie die letzte Autorität der Knesset überträgt. Im Mittelpunkt der gegenwärtigen Krise steht eine Gesetzesreform, die es der Knesset ermöglichen würde, ein Gerichtsurteil mit einer Stimme Mehrheit außer Kraft zu setzen. Da es keine Verfassung gibt, ist das einzige, was den Ausgang dieses Kampfes bestimmen wird, die politische Macht.

Aber warum hat Israel keine Verfassung? Es gibt eine lange Antwort auf diese Frage, aber die kürzeste Version läuft auf ein Element hinaus, oder vielmehr auf einen Mann: David Ben Gurion, Israels erster Premierminister, der auch der dienstälteste Premierminister war, bis Benjamin Netanjahu ihn in den letzten Jahren ablöste, und der eine entscheidende Rolle bei der Gründung des Staates in seinen ersten Jahren spielte. Als Israel im Mai 1948 seine Unabhängigkeit erklärte, geschah dies inmitten der Nakba und einer internationalen Krise, die sich aus dem Versagen der internationalen Gemeinschaft bei der Lösung der Palästina-Frage entwickelte. Hunderttausende von palästinensischen Flüchtlingen wurden aus ihren Häusern vertrieben und suchten bis zum Ende des Krieges 1949 Zuflucht in den Nachbarstaaten. Doch in der israelischen Unabhängigkeitserklärung - ein Dokument, das viele israelische Liberale als Beweis für das liberale Ethos des Staates anführen - heißt es, dass Israel bis Oktober 1948 eine Verfassung verabschieden würde. Ein Dreivierteljahrhundert später ist dies immer noch nicht geschehen.

Eine wichtige Rolle spielt dabei das prekäre Verhältnis des neu gegründeten Staates zur internationalen Gemeinschaft. Die internationale Legitimität der Idee eines jüdischen Staates in Palästina hing von der breiten Akzeptanz der UN-Resolution 181 ab, dem Teilungsplan von 1947, der die Aufteilung Palästinas in getrennte jüdische und arabische Staaten in wirtschaftlicher Union vorsah. An Problemen mit dem Plan von 1947 mangelt es nicht, und viele davon führten dazu, dass die Vereinigten Staaten ihre Unterstützung für die Resolution im März 1948 schließlich zurückzogen. Ein wichtiges Element des Plans war jedoch die Verpflichtung der neuen Staaten, eine Verfassung zu verabschieden, die "allen Menschen gleiche und nichtdiskriminierende Rechte in bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und religiösen Angelegenheiten und den Genuss der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Religions-, Sprach-, Rede- und Publikationsfreiheit, der Bildung, der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit" garantiert. Eines der ersten Ziele Israels nach der Unabhängigkeitserklärung war die Aufnahme in die Vereinten Nationen als Mitgliedstaat. Die Verpflichtung zur Verabschiedung einer Verfassung, wie sie in der Resolution 181 gefordert worden war, wurde mit diesem Ziel in die Erklärung aufgenommen.

Doch selbst als sich der israelische Staat durch die Eroberung von Gebieten während des Krieges etablierte, geriet der Prozess der Verabschiedung einer Verfassung ins Stocken - und niemand spielte dabei eine größere Rolle als David Ben Gurion, der die Bemühungen des verfassungsgebenden Ausschusses ablehnte und schließlich Anfang 1949 eine Kampagne gegen eine Verfassung für Israel startete. Für Ben Gurion, der einen Staat leitete, der noch in den Kinderschuhen steckte und vor großen Herausforderungen stand, war die Idee eines obersten Gesetzes, das die Macht des Staates beschränken würde, das Letzte, was der Staat brauchte. Eine der wichtigsten Herausforderungen für den neuen Staat war die Frage der Staatsbürgerschaft. Zu dieser Zeit unternahm der Staat große Anstrengungen, das Land demografisch umzugestalten, indem er einerseits palästinensische Städte und Dörfer entvölkerte und die Rückkehr von Flüchtlingen gewaltsam verhinderte und andererseits einen massiven Zustrom von jüdischen Einwanderern von außerhalb Palästinas ermöglichte. Wie konnte der Staat ein Konzept der Staatsbürgerschaft definieren, das sowohl den in der UN-Resolution festgelegten Grundsätzen der Gleichheit und Nichtdiskriminierung entsprach als auch Juden außerhalb Palästinas privilegierte und Palästinensern, die auf der Flucht waren, das Recht auf Rückkehr verweigerte?

Dieses grundlegende Problem veranlasste Ben Gurion, etwa 18 Entwürfe eines ersten Staatsbürgerschaftsgesetzes abzulehnen, und seine Frustration über solche von außen aufgezwungenen rechtlichen Gleichheitsgrundsätze veranlasste ihn, sich ganz gegen eine Verfassung auszusprechen. In einer großen Rede vor der Knesset im Jahr 1949 sprach sich Ben Gurion gegen eine Verfassung, eine gerichtliche Überprüfung und eine Hierarchie der Gesetze aus. Stattdessen vertrat er die Ansicht, dass der Staat über ein Höchstmaß an Flexibilität verfügen sollte, um die Probleme der Zeit zu bewältigen, und dass die damalige Generation von Gesetzgebern nicht das Recht habe, künftige Gesetzgeber zu binden, die mit anderen Problemen konfrontiert sein könnten. Wenn Israel in eine Verfassungsdebatte hineingezogen würde, so Ben Gurion, würde dies "den wesentlichen Bedürfnissen des Staates schaden: Vorbereitungen für die Alija [jüdische Einwanderung], Besiedlung, Erhöhung des Lebensstandards". Dann fügte er hinzu: "Dies sind meiner Meinung nach die dringendsten Angelegenheiten für die Knesset und den Staat. Die Frage der Verfassung wird uns völlig ablenken."

Letztlich wurde das Rätsel, vor dem Israel in jenen frühen Jahren stand und das aus dem der Idee einer jüdischen Demokratie in Palästina innewohnenden Widerspruch geboren wurde, durch einen Kompromiss "gelöst", der als Harari-Vorschlag bekannt wurde. Der Kompromiss, der nach dem Knessetmitglied Yizhar Harari benannt ist, der ihn vorschlug, erzielte einen Konsens über die Idee, die Grundgesetze stückweise zu verabschieden, anstatt eine ganze Verfassung auszuarbeiten. Dies würde dem Staat die nötige Flexibilität geben, um seine siedlungskoloniale Vision zu verwirklichen, ohne sich mit den Zwängen eines obersten Gesetzes auseinandersetzen zu müssen. Und mit der Zeit, so die Harari-Resolution, könnten die von der Knesset verabschiedeten Grundgesetze zu einer Verfassung zusammengefügt werden. Dies ist bis heute nicht geschehen.

Ben Gurion argumentierte 1949, dass Gesetze mit einer Mehrheit von einer Stimme verabschiedet werden sollten und dass die Gerichte die Legislative in dieser Hinsicht nicht einschränken dürfen. Seine Argumente decken sich mit denen der rechtsextremen israelischen Regierung, die heute eine Justizreform anstrebt, und machen deutlich, dass ihre Agenda nicht darauf abzielt, die Ursprünge des Staates zu ändern, sondern mit ihnen im Einklang zu bleiben.

Die modernen Forderungen des Siedlerkolonialismus

Zu den Befürwortern einer "Justizreform" im heutigen politischen System Israels gehören die am weitesten rechts stehenden Kräfte in der israelischen Politik. Auch wenn Parteien wie der Likud und einige seiner religiös-nationalistischen Verbündeten Ben Gurion nicht als ihren politischen Vorfahren betrachten würden (ihre politische Abstammung geht auf Menachem Begins Herut-Partei zurück, Ben Gurions damaligem Rivalen), argumentieren sie dennoch ähnlich wie Israels erster Premierminister, und zwar aus ähnlichen Gründen.

Die Agenda der derzeitigen Regierung beginnt mit einer einzigen übergreifenden Vision, die die Koalition ursprünglich zusammengebracht hat. Wie Netanjahu es Ende letzten Jahres in einem Tweet ausdrückte: "Das jüdische Volk hat ein exklusives und unbestreitbares Recht auf alle Gebiete des Landes Israel. Die Regierung wird die Besiedlung in allen Teilen des Landes Israel fördern und entwickeln - in Galiläa, dem Negev, dem Golan, Judäa und Samaria."

Israels dienstältester Premierminister, Netanjahu, und sein zweitältester, Ben Gurion, sahen jeweils die Gerichte sowie Gesetze zur Begrenzung der staatlichen Macht als Haupthindernisse für ihre oberste Priorität: den Siedlerkolonialismus. Netanjahus Tweet macht zwar deutlich, dass sich der Umfang des Projekts seit den Tagen Ben Gurions vergrößert hat, doch der Schwerpunkt des Prozesses bleibt derselbe: die Sicherstellung, dass die jüdische Demografie den größtmöglichen Einfluss auf die palästinensische Geografie hat, ohne Rücksicht auf die Menschen- und Bürgerrechte.

Netanjahus Regierung und vor allem die von ihm ermächtigten radikalen Minister wollen die Annexion des Westjordanlands durch Israel, die Beschleunigung der Hauszerstörungen im Gebiet C und weitere barbarische Strafmaßnahmen gegen Palästinenser, die sich mit Waffengewalt gegen die Besatzung wehren, sowie gegen deren Familien. Sie wollen ihr Feuer auch über das Westjordanland hinaus auf palästinensische Bürger Israels richten, und hier könnten die Gerichte ein größeres Hindernis darstellen. Wie der Exekutivdirektor der israelischen Menschenrechtsorganisation B'Tselem, Hagai El-Ad, erklärt hat, hat das israelische Gerichtssystem in den letzten Jahrzehnten zunehmend die Willkür des israelischen Staates im Westjordanland abgesegnet, aber immer noch einen - wenn auch geringen - Widerstand geleistet, wenn es um die andere Seite der Grünen Linie geht.

Während Zehntausende Israelis gegen die Reformen protestieren, die Netanjahus Regierung in der Hoffnung durchsetzen will, "das Wesen" der israelischen Demokratie zu retten, vermeiden sie weitgehend eine Konfrontation mit dem Grundproblem, nämlich dass das Wesen des israelischen Systems darin besteht, den Siedlerkolonialismus über alle liberalen Grundsätze wie Demokratie, Gleichheit oder Menschenrechte zu stellen. Für die Menschen auf den Straßen sieht dies natürlich wie ein Kampf zur Rettung der Demokratie aus. Aber das liegt genau daran, dass nicht diese Menschen die Zielscheibe des israelischen Siedlerkolonialismus sind, sondern sie sind seine Nutznießer. Wie Ahmad Tibi, ein palästinensischer Bürger Israels, der als Abgeordneter fungiert, einmal sagte, ist Israel tatsächlich jüdisch und demokratisch: Es ist demokratisch gegenüber Juden und jüdisch gegenüber Arabern.

Opposition, aber wogegen genau?

Die derzeitige politische Opposition gegen Netanjahu, ein bunt zusammengewürfelter Haufen israelischer politischer Persönlichkeiten, die größtenteils über keine kohärente Ideologie verfügen und in erster Linie durch ihren Wunsch - und ihr wiederholtes Scheitern - verbunden sind, Netanjahu von der Macht zu verdrängen, steht vor ernsten Fragen, wenn sie den Widerstand gegen die Gesetzesreformen steuert, die sie als eine noch nie dagewesene Krise darzustellen versucht. Ist diese lose Gruppe gegen das Siedlerkolonialsystem, das durch diese Rechtsreformen weiter gefördert würde, oder strebt sie einfach eine Rückkehr zum Siedlerkolonialsystem an, allerdings ohne Netanjahu an seiner Spitze?

Bisher deutet alles darauf hin, dass sie den letzteren Weg bevorzugen, und zwar nicht nur, weil sie ihn für politisch zweckmäßig halten, sondern auch, weil sie ideologisch gesehen ebenfalls dem System der jüdischen Privilegien verpflichtet sind. Aber gerade das Festhalten an diesem Privileg hat sie daran gehindert, echte Partnerschaften mit den palästinensischen Bürgern Israels aufzubauen, die tatsächlich die kritische Unterstützung leisten könnten, die nötig wäre, um den politischen Wind zu drehen. Für alle Palästinenser, einschließlich derer mit israelischer Staatsbürgerschaft, besteht wenig Anlass zu versuchen, die israelische Demokratie zu "retten", vor allem weil sie für sie nie existiert hat. Ein politisches System, das so konstruiert ist, dass es für einige, aber nicht für alle demokratisch ist, ist nicht nur keine Demokratie, sondern wird auch denjenigen, die es benachteiligt, nicht rettungswürdig erscheinen.  Quelle

 

 

Palästinensische Freiheitskämpfer in den Gefängnissen der Besatzungsmacht setzen ihre Schritte zur Ablehnung der repressiven Maßnahmen fort

Ramallah, 24. Februar 2023, WAFA - Übersetzt mit DeepL

Die palästinensischen Freiheitskämpfer in den israelischen Besatzungsgefängnissen setzten heute, den elften Tag in Folge, ihre Kampfschritte in der Ablehnung der repressiven Maßnahmen des faschistischen israelischen Ministers Itamar Ben Gvir fort, dessen israelische Gefängnisbehörde (IPS) ihre Absicht bekannt gegeben hat, mit der Durchsetzung dieser Maßnahmen in den Gefängnissen zu beginnen, wie die Gesellschaft der palästinensischen Gefangenen (PPS) heute mitteilte.

Er erklärte, dass die Freiheitskämpfer Mitte nächster Woche einen dramatischeren Schritt in ihrem Kampf machen würden, gemäß einem von allen Fraktionen vereinbarten und vom Obersten Notfallausschuss für Gefangene gebilligten Programm.

Das PPS betonte, dass die Gefangenen in mehreren Botschaften bestätigt hätten, dass dieser Kampf der Höhe und dem Ausmaß der beispiellosen Drohungen der Besatzungsbehörden gegen die Gefangenen und ihre Familien, insbesondere in Jerusalem, entsprechen und in einem Hungerstreik gipfeln werde, der am ersten Tag des jungen Monats Ramadan beginnen werde, der voraussichtlich am 23. März beginnen werde.

Er sagte, dass das IPS im Nafha-Gefängnis in der Naqab-Wüste damit begonnen habe, seine ersten missbräuchlichen Maßnahmen zu verhängen, die auf Empfehlung von Ben Gvir gekommen seien, in denen diese Menge an heißem Wasser für eine Dusche begrenzt werde und die Duschräume nur für eine Stunde zwischen 7 und 8 Uhr morgens geöffnet würden. Er berichtete, dass dieses Verfahren auf die neuen Abteilungen des Nafha-Gefängnisses angewandt wurde, bei denen es sich um drei Abteilungen handelt, in denen 360 Freiheitskämpfer inhaftiert sind.

In der vergangenen Woche verstärkte das PSI seine Maßnahmen in verschiedenen Gefängnissen, und die Repressionskräfte stürmten Abteilungen des Gilboa-Gefängnisses und verhängten eine Kollektivstrafe über die Gefangenen.

Palästinensische Freiheitskämpfer in israelischen Gefängnissen begannen am 14. Februar mit einer, wie sie es nannten, Meuterei, um gegen Ben Gvirs neue repressive Maßnahmen zu protestieren, die hauptsächlich den so genannten Sicherheitscheck behinderten, bei dem Gefangene abgeführt werden, während sie in Handschellen sind, und anstatt dass dieses Verfahren innerhalb eines bestimmten, kurzen Zeitraums stattfindet, braucht die IPS Stunden, um es durchzuführen.

Die Freiheitskämpfer riefen in einer Erklärung auch das palästinensische Volk dazu auf, am Freitag an einem Tag des Zorns teilzunehmen, um die Gefangenen und Jerusalem zu unterstützen.

Derzeit befinden sich 4780 Freiheitskämpfer in israelischen Gefängnissen, die bis Ende Januar inhaftiert waren, darunter 29 Frauen und 160 Minderjährige.  H.A   Quelle


 

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Bericht über den Schutz von Zivilpersonen
v. 31. Januar – 13. Februar 2023

21 Feb 2023

Besondere Ereignisse während der Berichtszeit

Dieser Abschnitt basiert auf den ursprünglichen Informationen verschiedener Quellen. Weitere bestätigte Einzelheiten werden im nächsten Bericht bereitgestellt.

    • Am 14. Februar erlag ein palästinensischer Mann den Wunden, die er im Januar 2021 erlitten hatte, als ein israelischer Soldat ihn in der Ar Rakeez-Gemeinde von Masafer Yatta (Hebron)  in das Genick geschossen hat, als er versuchte, die Beschlagnahmung eines elektrischen Generators zu verhindern.

    • Am 14. Februar wurde ein palästinensisches Kind von israelischen Streitkräften bei einer Fahndungs- und Verhaftungsoperation im Al Far’a-Flüchtlingslager (Tubas) getötet, bei der laut Berichten ein Schusswechsel mit Palästinensern stattgefunden hat.

 

Besondere Geschehnisse während der Berichtszeit

    • Israelische Streitkräfte töteten 6 Palästinenser und verletzten 11 mit scharfer Munition bei zwei Operationen, die einen Schusswechsel mit Palästinensern einschlossen, einen in Jericho und einen weiteren in Nablus. Am 6. Februar drangen israelische Streitkräfte in das Aqbat Jaber-Flüchtlingslager (Jericho) ein, wobei sie ein Gebäude umzingelten und ein Schusswechsel mit Palästinensern stattfand. Israelischen Medien zufolge, wurden mindestens 5 Palästinenser getötet und ihre Leichen einbehalten; weitere 4 wurden verletzt und verhaftet. Medizinischen Quellen zufolge eröffneten israelische Streitkräfte das Feuer und beschädigten mindestens zwei Krankenwagen und verhinderten deren Arbeit innerhalb des Lagers. Israelischem Militär zufolge, das israelische Medien zitierten, diente die Operation dazu, Palästinenser zu verhaften, die verdächtigt wurden, Schussangriffe in der Nähe einer israelischen Siedlung am 28. Januar ausgeführt zu haben, woraufhin israelische Streitkräfte die Bewegungsfreiheit in die und aus der Stadt Jericho 5 Tage eingeschränkt hätten. Am selben Ort zerstörten die israelischen Streitkräfte bei einer anderen Fahndungs- und Verhaftungsoperation am 4. Februar zwei Strukturen, darunter ein Wohngebäude, das aus zwei Häusereinheiten bestand, und beschädigten eine benachbarte Struktur, was zur Vertreibung von 6 Menschen, darunter zwei Kinder, führte.  Bei derselben Operation wurden 14 Palästinenser verletzt, zwei durch scharfe Munition, und 13 weitere verhaftet.  Am 13.  Februar drangen israelische Streitkräfte in die Stadt Nablus ein, wo sie ein Gebäude umstellten und sich einen Schusswechsel mit den sich den im Innern befindlichen Palästinensern lieferten.  Zwei der Besetzer wurden verletzt und danach von israelischen Streitkräften verhaftet. Die Operation dauerte mehr als vier Stunden, in denen die israelischen Streitkräfte scharfe Munition, gummi-ummantelte Stahlkugeln und Tränengaskanister auf die dort versammelten Palästinenser abfeuerten, die ihrerseits Steine (auf die Soldaten) schleuderten. Ein Palästinenser, Zuschauer, wurde getötet und 80 weitere verletzt, darunter fünf mit scharfer Munition, und die restlichen wurden aufgrund der Einatmung von Tränengas behandelt. Medizinischen Quellen zufolge verhinderten die israelischen Streitkräfte, dass die Krankenwagen in das Gebiet gelangten und hielten drei medizinische Volontäre 3 Stunden lang unter Arrest.

    • Israelische Streitkräfte töteten zwei palästinensische Kinder bei zwei Fahndungs- und Verhaftungsoperationen, die Schusswechsel mit Palästinensern in Nablus und Jenin beinhalteten. Am 6. Februar drangen israelische Streitkräfte in Nablus Stadt ein, wobei ein Schusswechsel mit Palästinensern stattfand, bei dem sie einen 17jährigen töteten, der nach Behauptungen des israelischen Militärs auf sie geschossen habe. Diese Behauptung wird von Augenzeugen und  Menschenrechtsorganisationen bestritten. Am 12. Februar führten israelische Streitkräfte eine Fahndungs- und Verhaftungsoperation in Jenin Stadt aus, wobei sie sich einen Schusswechsel mit Palästinensern lieferten und einen 14jährigen Palästinenser töteten. Menschenrechtsorganisationen zufolge sind die Gründe des Vorfalls noch nicht geklärt. Bei demselben Vorfall wurden zwei weitere durch scharfe Munition verletzt und drei verhaftet. Somit steigt die Anzahl palästinensischer Kinder, die von israelischen Streitkräften in der Westbank bis heute in 2023 getötet wurden, auf neun insgesamt, im Vergleich zu keinem in der gleichen Zeit im Jahre 2022.

    • Ein palästinensischer Fahrer tötete drei Israelis, darunter zwei Kinder, und verletzte weitere vier, indem er mit seinem Auto in die Gruppe hineinfuhr. Am 10. Februar wurden zwei Israelis, darunter ein sechsjähriger Junge, getötet und weitere fünf verletzt, als ein Palästinenser sein Auto auf sie lenkte, während sie an einer Bushaltestelle in der israelischen Siedlung, Ramot, in Ostjerusalem standen. Einer der Verletzten, ein achtjähriges Kind, erlag am darauffolgenden Tag seinen Verletzungen.  Der Angreifer wurde danach von der israelischen Polizei erschossen. Am 13. Februar stach israelischen Medien zufolge ein 14jähriger Palästinenser auf einen 17jährigen Israeli  in Jerusalems Altstadt ein und verletzte ihn, bevor er vom Tatort floh.

    • Israelische Streitkräfte töteten zwei Palästinenser, verletzten zwei weitere an oder in der Nähe israelischer Kontrollpunkte. Am 3. Februar erschossen israelische Streitkräfte einen Palästinenser am Huwwara-Kontrollpunkt (Nablus), mit der Behauptung, er habe versucht, einen israelischen Soldaten anzugreifen. Am 9. Februar erschossen israelische Streitkräfte einen Palästinenser, der laut den israelischen Behörden versucht hatte, israelische Soldaten, die am Militär-Beobachtungspunkt in der Nähe des Al Fuwwar-Flüchtlingslagers (Hebron) stationiert waren, zu erstechen. Israelische Verletzte wurden bei beiden Vorfällen nicht verzeichnet, und die Leichen der beiden Palästinenser wurden von den israelischen Behörden am Ende der Berichtszeit immer noch einbehalten.

    • Ein israelischer Polizeioffizier wurde am israelischen Kontrollpunkt in Ostjerusalem bei einer palästinensischen Messerattacke getötet, nachdem er versehentlich von einem Mitglied der israelischen Streitkräfte angeschossen worden war.  Am 13. Februar hatte angeblich ein 13jähriger Palästinenser auf einen Grenzpolizisten am Shu’fat-Flüchtlingslager-Kontrollpunkt in Ostjerusalem eingestochen, woraufhin ein anderer Soldat der israelischen Streitkräfte auf das Kind schießen wollte, jedoch versehentlich den Offizier traf, der später dann seinen Verletzungen erlag. Daraufhin verhafteten die israelischen Streitkräfte den Jungen.

    • Ein israelischer Siedler erschoss einen Palästinenser mit scharfer Munition in Salfit. Am 11. Februar drang eine Gruppe israelischer Siedler, vermutlich aus der Siedlung Yair Farm, in das Dorf Qarawat Bani Hassan ein, wo sie auf Palästinenser trafen, die am Bau arbeiteten. Augenzeugen zufolge haben die israelischen Siedler und die Palästinenser Steine aufeinander geschleudert. Einer der Siedler habe den Palästinenser aus kurzer Entfernung erschossen. Israelische Streitkräfte mischten sich ein und feuerten Tränengaskanister und gummi-ummantelte Stahlkugeln auf die Palästinenser, wobei keine Verletzungen verzeichnet wurden. Bei demselben Vorfall wurde ein israelischer Siedler israelischen Medien zufolge durch einen Stein der Palästinenser verletzt.

    • Ein älterer Israeli erlag seinen Verletzungen, die er bei einem palästinensischen Angriff in Israel erlitten hatte. Im Mai 2022 griffen zwei Palästinenser Israelis mit Äxten an, töteten drei und verletzten vier. Der Mann starb am 2. Februar, was die Anzahl der Opfer bei diesem Vorfall auf insgesamt vier steigen lässt.

    • Während der Berichtszeit wurden 373 Palästinenser, darunter mindestens 58 Kinder, von israelischen Streitkräften in der gesamten Westbank verletzt, wobei 18 von ihnen mit scharfer Munition beschossen wurden. 131 (35 Prozent) der Verletzungen geschahen bei Demonstrationen gegen die Siedlungsausdehnung und siedlungsbedingte Zugangsbeschränkungen in der Nähe von Kafr Qaddum (Qalqilya), Beit Dajan, und Beita (beide in Nablus). Bei weiteren vier Vorfällen in Qaryut und Asira al Qibliya (beide in Nablus) wurden 33 Palästinenser durch die israelischen Streitkräfte verletzt, infolge des rechtswidrigen Eindringens israelischer Siedler in diese palästinensischen Gemeinden in Begleitung israelischer Streitkräfte. Weitere 177 Verletzungen erfolgten bei Fahndungs- und Verhaftungs- und anderen Operationen, die von israelischen Streitkräften durchgeführt wurden. Darüber hinaus verletzten israelische Streitkräfte 30 Palästinenser bei einer Zerstörung im Jabal al Mukabbir-Gebiet, in Ostjerusalem. Am 31. Januar erklärten palästinensische Bewohner einen Streik für einen Tag, um gegen die Verschärfung der Abrissmaßnahmen in dem Gebiet durch die israelischen Behörden zu protestieren. Die restlichen zwei Verletzungen geschahen an den Kontrollpunkten. Insgesamt wurden 313 Palästinenser aufgrund der Einatmung von Tränengas behandelt, 18 wurden mit scharfer Munition beschossen, 24  durch gummi-ummantelte Stahlkugeln verletzt, sechs wurden körperlich angegriffen, zwei mit Pfefferspray besprüht, fünf wurden von Blendgranatenkanistern und weitere fünf von Tränengaskanistern getroffen.

    • Israelische Siedler verletzten sechs Palästinensern, darunter mindestens ein Kind, bei vier Vorfällen, und Personen, von denen man weiß oder annimmt, dass es sich um Siedler handelt, beschädigten palästinensisches Eigentum in 16 Fällen (zusätzlich zu dem Palästinenser, der von einem Siedler getötet wurde und den 33 Palästinensern, die von israelischen Streitkräften bei den oben genannten Fällen, die mit Siedlern im Zusammenhang stehen, verletzt wurden). Am 2. und 10. Februar wurden zwei Palästinenser, darunter ein 14jähriger Junge, verletzt, als israelische Siedler sie mit Pfefferspray in Huwwara und Jalud (Nablus) verletzten. Am 10. Februar warfen israelische Siedler Steine auf die Palästinenser und ihr Vieh in Qarawat Bani Hassan (Salfit) und verletzten zwei Palästinenser. Am 11. Februar warfen israelische Siedler Steine auf die Palästinenser, die auf den Straßen in der Nähe von Deir Sharaf (Nablus) fuhren, verletzten einen Mann und beschädigten sein Fahrzeug. Bei zwei weiteren Vorfällen in Marda und Yasuf (beide in Salfit), wurde an 50 Bäumen Vandalismus auf palästinensischen Ländereien, ebenso in der Nähe israelischer Siedlungen in Gebieten, wo ein palästinensischer Zugang die Genehmigung des israelischen Militärs (allgemein als „vorherige Koordinierung“ bekannt) erfordert. Bei weiteren sieben Fällen warfen Personen, von denen man weiß oder annimmt, dass es sich um Siedler handelt, Steine auf palästinensische Fahrzeuge und zerstörten mindestens 35 von ihnen. Bei 12 Zwischenfällen wurde palästinensisches Eigentum beschädigt und Vieh in oder in der Nähe von Jenin, Ramallah, Salfit, Tubas, Hebron und Qalqiliya verletzt. Augenzeugen und örtlichen Gemeindequellen zufolge Wohn- und Landwirtschaftsstrukturen, Traktoren, Ernten und ein Wassernetzwerk.

    • Drei israelische Siedler wurden verletzt und Schäden an mindestens sechs Fahrzeugen mit israelischen Nummernschilder verzeichnet, nachdem Personen, von denen man annimmt oder weiß, dass es sich um Palästinenser handelt, Steine auf israelische Fahrzeuge schleuderten, die auf den Straßen der Westbank fuhren. Bei einem Vorfall setzten Palästinenser ein Auto in Kafr Ein (Ramallah) israelischen Quellen zufolge in Brand. Bei einem anderen Vorfall wurde ein Fahrzeug mit einem israelischen Nummernschild von Gewehrsalven auf der Straße 465 bei Ramallah beschädigt, keine Verletzungen wurden verzeichnet.

    • Die israelischen Behörden zerstörten, beschlagnahmten oder zwangen Menschen zur Zerstörung von 30 Strukturen in Ostjerusalem und im Gebiet C der Westbank, darunter neun Häuser, indem sie (als Grund) das Fehlen von Israel ausgestellten Genehmigungen angaben, die so gut wie nie erhältlich sind. Zwei der Strukturen wurden von Gebern in Form einer humanitären Hilfe bereitgestellt. Das Ergebnis war, dass 55 Palästinenser, darunter 31 Kinder, vertrieben wurden und die Lebensgrundlage von mehr als 100 weiteren gefährdet war. Siebzehn (17) der Strukturen befanden sich im Gebiet C, darunter zwei Strukturen, die in der Beduinengemeinde von Zatara al Kurshan (Bethlehem) lagen, in Gebieten, die Israel zu „Schießzonen“, die wegen Militärübungen gesperrt waren, klassifiziert hatte, und wo palästinensischen Gemeinden aufgrund eines Umfeldes, das israelische Strategien und Praktiken geschaffen haben, die zwangsweise Überführung droht. Die verbleibenden 13 Strukturen wurden in Ostjerusalem zerstört, darunter vier, die von ihren Eigentümern zerstört wurden, um die Zahlung von Gebühren an die israelischen Behörden zu vermeiden. Der Januar 2023 hat die höchste Anzahl an zerstörten Strukturen in Ostjerusalem in einem einzigen Monat seit April 2019, mit insgesamt 32 zerstörten Strukturen, im Vergleich zu einem monatlichen Durchschnitt von elf zerstörten in 2022.

    • Israelische Streitkräfte schränkten die Bewegung der Palästinenser an mehrern Orten in der gesamten Westbank ein, behinderten den Zugang von Tausenden von Palästinensern zu Lebengrundlagen und Dienstleistungen. Zwischen dem 28. Januar und 6. Februar richtete die israelische Armee „fliegende“ Kontrollpunkte an allen Ein- bzw. Ausgängen der Stadt Jericho ein, einschließlich Betonblöcken, die die Bewegung von mindestens 50.000 Palästinensern 10 Tage lang behinderten,  als Antwort auf einen palästinensischen Schussangriff gegen eine israelische Siedlung im Süden von Jericho, wobei keine Verletzungen zu verzeichnen waren. Am 6. Februar schränkte die israelische Armee die Bewegung(sfreiheit) von mehr als 7.000 Palästinenser ein, indem sie Erdwälle an einer Seitenstraße in der Stadt Huwwara (Nablus) errichtete, angeblich als Antwort auf das Steinewerfen der Palästinenser auf Fahrzeuge von israelischen Siedlern. Am selben Tag schloss die israelische Armee ein Landwirtschaftstor im Dorf Immatin (Qalqilya) und verhinderte so, dass mindestens 50 Landwirte ihre Ländereien erreichen konnten.

    • Im Gazastreifen eröffneten israelische Streitkräfte in mindestens 34 Fällen ein Störfeuer in der Nähe von Israels Trennzaun oder vor der Küste, vermutlich, um Zugangseinschränkungen durchzusetzen; zwei Fischer wurden verhaftet und ein Fischerboot beschlagnahmt, Verletzungen oder Schäden waren nicht zu verzeichnen. Unabhängig davon wurden zwei Palästinenser von israelischen Streitkräften verhaftet, als sie versuchten, nach Israel durch den Trennzaun zu gelangen.

    • In drei Fällen feuerten bewaffnete palästinensische Gruppen Raketen und andere Projektile in Richtung Israel. Palästinensisches Feuer wurde am 1., 11. und 13. Februar verzeichnet. Die Raketen wurden abgefangen oder fielen auf freie Flächen in Gaza und Israel, und eine Israelin wurde verletzt, als sie zu einer Zufluchtsstätte rannte. Am 2. und 13. Februar führten israelische Streitkräfte Luftangriffe auf militärische Ziele bewaffneter Gruppen im Gazastreifen aus. Keine Verletzungen wurden verzeichnet.

Fußnoten

1 Palästinenser, die von Menschen, die nicht den israelischen Streitkräften angehören, getötet oder verletzt wurden, zum Beispiel durch israelische Zivilpersonen oder durch palästinensiche Raketen, die ihr Ziel verfehlten, sowie solche, bei denen die unmittelbare Todesursache oder die Identität des Täters umstritten, unklar oder unbekannt ist, werden gesondert gezählt.

2 Unter den israelischen Opfern in diesen Tabellen sind Menschen, die verletzt wurden, als sie bei Raketenangriffen in Zufluchtsstätten liefen. Ausländer, die bei palästinensischen Angriffen getötet wurden und Menschen, deren unmittelbare Todesursache oder bei denen die Identität des Täters umstritten, unklar oder unbekannt ist, werden gesondert gezählt. In dieser Berichtszeit wird ein Mitglied der israelischen Steitkräfte, das bei einem palästinensischen Angriff getötet wurde, gesondert gezählt, da die Ursache seines Todes zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts unklar war.

Dieser Bericht spiegelt Informationen zur Zeit der Veröffentlichung wider. Die meisten Daten und mehr Ereignisse sind verfügbar unter: ochaopt.org/data.     Quelle
(übersetzt von Inga Gelsdorf)

ZERSTÖRTE ÜBERRESTE AM ORT DER ERMORDUNG VON JUNEIDI UND ISLEEM, 23. FEBRUAR 2023.
 

Nablus trauert nach israelischer Invasion, die Stadt und Leben zerrissen hat

Nach dem Einmarsch der israelischen Armee, bei dem 11 Menschen getötet wurden, trauert Nablus um geliebte Menschen. "Der Verlust ist schon schwer genug", sagt die frisch verwitwete Umm Muhammad. "Der Verlust durch die Kugeln dieses hässlichen Regimes ist unbeschreiblich."

Mariam Barghouti - 24. 2. 2023 - Übersetzt mit DeepL

Am Donnerstag, dem 23. Februar, waren die Straßen im Westjordanland, in Ostjerusalem und im Gazastreifen still. Die Palästinenser hatten angesichts der israelischen Invasion in eine der ältesten Städte des Westjordanlandes am Vortag, bei der 11 Palästinenser getötet und über 102 Menschen verletzt wurden, einen Generalstreik und einen Trauertag ausgerufen.

Am Morgen des 22. Februar drangen israelische Streitkräfte in Nablus ein. Zunächst drang eine verdeckte Spezialeinheit in den frühen Morgenstunden in die Altstadt ein und suchte nach Kämpfern der Widerstandsgruppe "Höhle der Löwen".

Stunden später entdeckte die Spezialeinheit zwei Widerstandskämpfer, die gerade in das Habalah-Viertel der Altstadt gegangen waren: Husam Bassam Isleem, 24, und Muhammad Omar "Juneidi" Abu Bakr, 23.

Gegen 10 Uhr vormittags rückten die verdeckten israelischen Teams an, um die Kämpfer zu töten. Es kam zu einer bewaffneten Konfrontation, da sich die beiden Kämpfer in einem Haus in der Stadt verschanzt hatten. Die israelischen Spezialeinheiten riefen 20 Minuten nach Beginn der Operation Verstärkung herbei, und dann begann der Großangriff, bei dem israelische Militärfahrzeuge die Stadt überfluteten.

Nach Angaben von Augenzeugen aus Nablus und dem Flüchtlingslager Balata starteten mehr als 50 israelische Militärfahrzeuge eine regelrechte Landinvasion in Nablus und riegelten die Ein- und Ausgänge der Stadt ab.

Bei der Konfrontation im Stadtteil Habalah wurden drei Kämpfer getötet, da ein dritter Kamerad von Juneidi und Isleem, der 23-jährige Waleed Dakhil, mitten im Schusswechsel in den Kampf eingriff. Auch andere Widerstandskämpfer der in Nablus ansässigen Widerstandsgruppen wie der Nablus-Brigade und der Balata-Brigade wurden bei bewaffneten Auseinandersetzungen mit dem israelischen Militär in der gesamten Stadt getötet.

Das Vorgehen der israelischen Armee in der ganzen Stadt war gewalttätig und wahllos. Die Soldaten schossen auf Umstehende, töteten mehrere Nichtkombattanten und verletzten zahlreiche andere. Um 13.30 Uhr trat die Armee den Rückzug an und hinterließ eine Spur der Verwüstung.

Insgesamt tötete die Armee 11 Palästinenser in Nablus, zehn davon am Tag der Invasion, der elfte erlag am nächsten Tag seinen Verletzungen. Mehr als 100 Palästinenser wurden verletzt, darunter mindestens drei Journalisten. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden 85 von ihnen durch scharfe Munition verletzt, sechs von ihnen befinden sich in einem kritischen Zustand.

Sieben der Getöteten waren Widerstandskämpfer, nämlich Mohammad Khaled Anbusi, 25, Tamer Nimr Ahmad Minawi, 33, Musaab Muneer Mohammad Oweis, 26, Jasir Jameel Abdelwahhab Qan'ir, 23, Husam Basam Isleem, 24, Walid Riyad Hussein Dakhil, 23, und Mohammad Abu Bakr Juneidi, 23.

Die anderen vier palästinensischen Nichtkombattanten wurden während der Invasion von der Armee getötet. Bei drei von ihnen handelte es sich um ältere Männer, nämlich Adnan Sabe Bara, 72, Abdelhadi Abed Aziz Al-Ashqar, 61, und den 66-jährigen Anan Shawkat Annab, der am Tag nach der Invasion an Verletzungen der Atemwege durch das Einatmen von Tränengas starb. Der vierte Nichtkombattant war ein Minderjähriger, der als Mohammad Farid Shaaban, 16, identifiziert wurde.

Nach Angaben des israelischen Militärs wurden zwei israelische Soldaten bei den Auseinandersetzungen verletzt.

Kämpfer durch Freundschaft verbunden

Die israelische Armee erklärte, die außergerichtliche Tötung sei veranlasst worden, nachdem sie Informationen über den Aufenthaltsort der vom Shin Bet gesuchten Muhammad Juneidi und Husam Isleem erhalten hatte.

Das Haus, in dem die bewaffneten Jugendlichen ihren letzten Widerstand geleistet hatten, liegt nun in Trümmern, und Wasserrohre überfluten das Gebiet.

Auf den Trümmern eines ehemaligen Treppenhauses stehend, zeigt mir ein Freund und Kamerad von Juneidi ein Video des Ermordeten vom Vorabend. Der 23-Jährige hält eine Zigarette in der einen und ein Handy in der anderen Hand, sein Gewehr quer über den Bauch geworfen, während er auf einer gelben Matratze kauert. In den Trümmern sind Reste der letzten Mahlzeit der Männer zu sehen, eine leere "Cappy"-Saftflasche und einige leere Styroporschalen.

Als sie im Habalah-Viertel der Altstadt eingekesselt wurden, befanden sich Isleem und Juneidi in Begleitung eines anderen jungen Kämpfers, Walid Dakhil, 23.

Dakhils Körper war von Kugeln durchlöchert. Obwohl er nicht das Ziel war, stellte er sich den Soldaten entgegen, um seinen Freunden zu helfen, zu überleben.

Der jüngere Bruder von Dakhil bewegte sich langsam und behutsam mit den Händen in seiner Jacke und sah den Fotos von Walid sehr ähnlich.

"Er war so liebevoll", sagte Dakhil gegenüber Mondoweiss, als er zum Ort der Ermordung seines Bruders ging.

Während er den Weg zum Habalah-Viertel der Altstadt wies, presste Walids 21-jähriger Bruder den Kiefer zusammen, als er sich an das Gemetzel an jenem Morgen erinnerte. Sein Kinn schien sich erst zu lösen, als er Freunden in intimerem Rahmen von seinem Bruder erzählte.

"Er liebte das Leben", sagte er. "Mein Bruder, er liebte das Leben", wiederholte er, falls es beim ersten Mal nicht ankam.

"Er liebte es zu lachen", warf Walids jüngerer Bruder kichernd ein. "Er hat immer Witze gemacht, um seine Mitmenschen zum Lachen zu bringen, auf eine neckische Art und Weise."

Das israelische Militär behauptete, dass die drei Männer eine Bedrohung für das Leben der Israelis darstellten, ohne jedoch Beweise vorzulegen. Gleichzeitig behauptet der Shin Bet, dass die "Höhle der Löwen" keine ernsthafte Bedrohung mehr für Israel darstelle. In weiteren Erklärungen des israelischen Militärs wurde die außergerichtliche Ermordung damit begründet, dass die Männer sich geweigert hätten, sich zu stellen.

"Es gab keine Anzeichen dafür, dass die [israelische Armee] so etwas zu diesem Zeitpunkt tun würde", sagt ein 20-Jähriger aus dem Balata-Flüchtlingslager gegenüber Mondoweiss, wenige Stunden nach dem Angriff.

"Sie wollen die Leute vor dem Ramadan aus dem Weg räumen", sagt ein anderer junger Mann. "Sie wollen einen ruhigen Ramadan - keine Probleme."

Die beiden Jugendlichen hielten Ausschau nach neuen Invasionen oder verdeckten Kräften, die in die Stadt eindringen könnten.

Die meisten Jugendlichen im Westjordanland tragen die gleiche Kleidung. Die gleichen Baseballkappen und Trainingsjacken von Adidas oder Under Armor sind so etwas wie die informelle Uniform der neuen unzufriedenen Generation geworden, die sich gegen die Besatzung stellt.

"Wissen Sie, einer der Märtyrer war einer von uns", sagt einer der jungen Männer und zieht seine Mütze vom Gesicht.

Musaab Muneer Oweis, 26, gehörte zu den Menschen aus Balata, die dem dringenden Aufruf der Höhle der Löwen folgten und den eingekesselten Widerstandskämpfern auf dem Höhepunkt des Einmarsches zu Hilfe eilten. Die Armee tötete ihn während der bewaffneten Auseinandersetzungen.

"Musaabs Herz hing an Ahmad", sagte Oweis' Mutter in einem Interview mit dem palästinensischen Quds News Network (QNN). "Seit Ahmads Ermordung hatte sich Musaab nicht mehr rasiert", sagte sie gegenüber QNN. "Er ist dann diesen Weg gegangen, wurde [von der israelischen Armee] gesucht und kam nicht mehr nach Hause." Sie versuchte, sich selbst zu trösten und fuhr fort: "Die Jungs haben mir erzählt, dass er wild war, an den Frontlinien der Konfrontation."

Hinter dem Flüchtlingslager Balata, einige Kilometer entfernt, lag die Altstadt. Einige Stunden nach dem Einmarsch herrschte in den gepflasterten Straßen eine gedämpfte Stille. Eine ganze Gemeinschaft war durch den israelischen Überfall auseinandergerissen worden, ähnlich wie bei den Überfällen im vergangenen Jahr, bei denen sich Freunde aus der Kindheit viel zu früh voneinander verabschiedeten.

Im November 2022 sah man Husam Isleem mit einem Gewehr vor der Brust, die Handflächen übereinandergeschlagen, das Gesicht bedeckt und mit einer Mütze, auf der ein Band mit der Aufschrift "Areen Al-Usud" - die Höhle der Löwen - prangte. Er verabschiedete sich von seinem Freund und Kameraden, Mohammad Hirzallah, 30.

Hirzallah, auch bekannt unter seinem Pseudonym "Abu Hamdi", war am 24. Juli 2022 während einer israelischen Invasion, bei der zwei Palästinenser im Yasmeena-Viertel von Nablus getötet wurden, seinen Wunden erlegen. Zu dieser Zeit war die Höhle der Löwen eine kleinere Gruppe innerhalb der so genannten Nablus-Brigade, einem lokalen Zweig des militärischen Arms des Islamischen Dschihad, der Al-Quds-Brigaden (Saraya al-Quds).

"Ich glaube, Juneidi war bereit zu gehen", sagte ein junger Mann aus der Altstadt und enger Kamerad des getöteten Kämpfers gegenüber Mondoweiss und zeigte Fotos und Videos, die sie am Abend zuvor aufgenommen hatten. "Er hat gestern Abend gesagt, dass er bereit war, zu gehen."

Ein anderer Mann in der kleinen Gasse, die zum Ort des Attentats führte, unterbrach ihn mit "Alhamdulillah" und sprach ein Gebet des Dankes an Gott. "Er hat darum gebeten, ein Märtyrer zu sein, und er hat es bekommen."

Die Männer lebten seit dem vergangenen Jahr untergetaucht und konnten sich weder bequem noch sicher mit Freunden und Familie treffen. Ein Teil dieser Isolation bedeutet, dass die jungen Männer auf sich gegenseitig aufpassen müssen. Ein anderer Teil der Last besteht darin, dass ihnen die Verantwortung für den Schutz ihrer Gemeinschaften aufgebürdet wird.

Unmittelbar vor dem Habalah-Viertel, in dem die drei Jugendlichen getötet wurden, liegt das Faqous-Viertel, in dem eines der berüchtigtsten Attentate des Jahres 2022 stattfand - die Ermordung von Adham Mabrouka, Ashraf Mubaslat und Mohammad Dakhil im Februar. Die drei Widerstandskämpfer gehörten zu einer Gruppe von Jugendlichen, die sich später zur Höhle der Löwen zusammenschließen sollten. Ihre Ermordung war der Beginn des Phänomens der außergerichtlichen Ermordung von Widerstandskämpfern durch Israel.

Sechs Monate später, am 9. August 2022, wurde auch der Kamerad der drei Märtyrer, Ibrahim Al-Nabulsi (genannt "der Löwe von Nablus"), zusammen mit Islam Subuh und dem 16-jährigen Hussein Taha ermordet.

Mohammad Dakhil wurde als Mitbegründer der Höhle der Löwen bezeichnet. Es war jedoch die Ermordung von Al-Nabulsi, die die Popularität und den Bekanntheitsgrad der Organisation in die Höhe schnellen ließ. Walid Dakhil, der Widerstandskämpfer, der bei der Invasion in Nablus getötet wurde, als er versuchte, Juneidi und Isleem zu helfen, war der Cousin von Mohammad Dakhil.

"Er liebte das Leben", sagt Walid Dakhils jüngerer Bruder. "Mein Cousin auch", fährt er fort.

"Mein Bruder Juneidi und ich werden alle Märtyrer grüßen", notierte Isleem als seine letzten Worte. "Ich wünsche mir nur, dass ihr uns vergebt, meine Brüder. Bitte vergebt uns."

Das ist mein Vater": Der schlimmste Albtraum eines Notarztes
Während der Kern der Operation in der Altstadt stattfand, breitete sich der Angriff der Armee über Nablus aus und erreichte das Stadtzentrum, wo Tränengas auf Wohngebäude und zivile Häuser abgefeuert wurde.

Nach Angaben von Ahmad Jibril, dem Leiter der Rettungsdienste in Nablus, konnte medizinisches Personal nach einer Stunde der Invasion viele der Verletzten entweder nicht erreichen oder wurde aktiv daran gehindert, sie zu erreichen. Adnan Sabe Bara, 72, war einer von ihnen, dem in mehrere Körperteile geschossen wurde und der blutend liegen blieb, weil israelische Soldaten das medizinische Personal daran hinderten, ihn zu erreichen.

Zwei weitere Palästinenser, der 16-jährige Mohammad Shaaban und der 61-jährige Abdelhadi Abed Aziz Al-Ashqar, wurden ebenfalls in mehrere Körperteile geschossen und starben an ihren Wunden.

Al-Ashqar, der im Flüchtlingslager Askar einige Kilometer südöstlich von Nablus lebte, war Berichten zufolge gerade auf dem Weg zum Gebet, als er mitten in den plötzlichen Angriff geriet und anschließend von israelischen Kugeln durchlöchert wurde. Al-Ashqar wurde ins Krankenhaus eingeliefert und im Najah-Krankenhaus in Nablus für tot erklärt.

Mondoweiss sprach mit Ashqars Witwe, Umm Muhammad.


"Trennung und Verlust sind ohnehin schon schwierig", sagte Umm Muhammad gegenüber Mondoweiss in ihrem Haus im Flüchtlingslager Askar, 6 km nordwestlich der Altstadt von Nablus. "Trennung durch Verlust wegen der Kugeln dieses hässlichen Regimes ist unbeschreiblich."

"Ich frage mich, ob er wütend auf mich war", sagt sie und schaut sich in ihrem Haus verzweifelt um. "Nein, er hätte es mir gesagt."

Sie drehte sich wieder um und wandte sich an die Familienmitglieder und Frauen, die gekommen waren, um ihr Beileid zu bekunden. "Was mich beschäftigt, ist die Frage, wie ich die kommenden Tage bewältigen werde", sagte Um Muhammad.

Al-Ashqars Schwester sitzt neben Umm Muhammad und wiederholt ständig das Mantra: "Gott gebe uns in solchen Zeiten Geduld."

Das erste Familienmitglied, das von Ashqars Tod erfuhr, war sein Sohn Elias. Er erfuhr es auf die schlimmste Weise, die man sich vorstellen kann.

Elias ist Arzt in der Notaufnahme des Al-Najah-Krankenhauses in Nablus. Er war kurz davor, seine Schicht zu beenden, bevor die Invasion begann. Die große Zahl der Verletzten machte es erforderlich, dass er noch ein wenig länger in der Notaufnahme blieb.

Elias sollte einen älteren Mann wiederbeleben, der verletzt war, und musste feststellen, dass es sich um seinen Vater handelte. Seine Schreie "Allahu Akbar, mein Vater! Dies ist mein Vater!" wurden in einem erschütternden Video festgehalten, das in den sozialen Medien kursierte.

Im Beerdigungsinstitut in Askar traten Elias Tränen in die Augen, während Frauen die Treppe auf und ab liefen, um seine Mutter und Schwester zu trösten.

"Selbst wenn er ein Widerstandskämpfer gewesen wäre, wäre dieser Verlust für uns vielleicht leichter gewesen", sagte Umm Mohammad gegenüber Mondoweiss. "Ich weiß, dass wir unsere Märtyrer als von Gott gepriesen betrachten", sagte sie halb verlegen, halb unter Tränen. "Aber ... wie? Wie kann ich das jemals akzeptieren?"

"Wie kann es sein, dass du dich an einen Menschen gewöhnt hast, der jeden Tag mit dir spricht, der dir hilft, deine Wunden und Schmerzen zu lindern, jemand, der sich wünscht, dass er an deiner Stelle den Schmerz nehmen kann, und dann ist er weg? Wie kann ich das vergessen?", fuhr sie fort.

Umm Mohammad weinte, und die Frauen um sie herum weinten auch. Ihre einzige Tochter versteckte sich in ihrem Zimmer. "Sie war seine verwöhnte Tochter", erklärte Ashqars Schwester gegenüber Mondoweiss. "Er hat das Mädchen so sehr geliebt."

Anfang des Monats, am 7. Februar, töteten israelische Streitkräfte Ashqars jungen Cousin, den 17-jährigen Hamza Ashqar. Er wurde ins Gesicht geschossen, weil er während eines Angriffs auf Nablus ein Metallstück auf ein Fahrzeug der israelischen Armee geworfen hatte.

Außer Askar trauert auch der Rest der Stadt Nablus. In den späten Abendstunden sieht man nur noch Jugendliche und junge Burschen in kleinen Gruppen durch die Straßen patrouillieren. Es ist, als ob die Stadt zu einer Geisterstadt geworden ist, in der nur noch junge Leute leben.   Quelle

 

Die siedlungskolonialen Ursprünge von Israels Verfassungskrise

Der Angriff der Regierung auf die Justiz wird von demselben Drang angetrieben wie die Gründer des Staates: ihre Macht zu schützen, Juden gegenüber Palästinensern zu privilegieren.

Yousef Munayyer - 24. Februar 2023 - Übersetzt mit DeepL

Zehntausende Israelis haben in den letzten Wochen die Straßen der großen Städte gefüllt, um gegen die bedeutenden Justizreformen zu protestieren, die die neue rechtsextreme israelische Regierung, die Ende letzten Jahres gewählt wurde, mit einer knappen Mehrheit in der Knesset durchsetzen will. Diese Entwicklungen wurden als eine große Verfassungskrise bezeichnet und haben zu Gerüchten über einen israelischen "Bürgerkrieg" geführt und die Einmischung besorgter Außenstehender hervorgerufen. Bei dieser Krise geht es jedoch nicht darum, vom Wesen des israelischen politischen Systems abzuweichen, sondern vielmehr darum, es weiterzuführen. Um zu verstehen, warum das so ist, muss man sich die Ursprünge der israelischen Verfassungskrise ansehen, die von dem Wunsch des Staates geprägt war und ist, dem Siedlerkolonialismus Vorrang vor einer liberalen Staatsführung zu geben.

Ein Land ohne Verfassung

Die Abgrenzung der Befugnisse zwischen den Regierungszweigen, wie der gesetzgebenden Knesset und dem Gerichtssystem, ist in anderen Zusammenhängen eine Angelegenheit, die durch höchstes Recht, wie in einer Verfassung, geregelt wird. Israel hat jedoch keine Verfassung. Dies hat einen fruchtbaren Boden für die Regierungszweige des Landes geschaffen, um das Ausmaß ihrer eigenen Befugnisse in diesem System neu zu gestalten. Dies war der Fall beim Obersten Gerichtshof Israels in den 1990er Jahren, der Schritte unternahm, um eine Hierarchie in Gesetze zu interpretieren, die gerichtliche Kontrolle auszuweiten und die Standards für Rechtsverletzungen durch die Regierung festzulegen. Dieser Moment in den 1990er Jahren wurde als Israels Verfassungsrevolution bekannt; die neue rechtsgerichtete Regierung versucht jedoch heute, gegen diese Änderungen vorzugehen und die Befugnisse des Gerichts weiter einzuschränken, indem sie die letzte Autorität der Knesset überträgt. Im Mittelpunkt der gegenwärtigen Krise steht eine Gesetzesreform, die es der Knesset ermöglichen würde, ein Gerichtsurteil mit einer Stimme Mehrheit außer Kraft zu setzen. Da es keine Verfassung gibt, ist das einzige, was den Ausgang dieses Kampfes bestimmen wird, die politische Macht.

Aber warum hat Israel keine Verfassung? Es gibt eine lange Antwort auf diese Frage, aber die kürzeste Version läuft auf ein Element hinaus, oder vielmehr auf einen Mann: David Ben Gurion, Israels erster Premierminister, der auch der dienstälteste Premierminister war, bis Benjamin Netanjahu ihn in den letzten Jahren ablöste, und der eine entscheidende Rolle bei der Gründung des Staates in seinen ersten Jahren spielte. Als Israel im Mai 1948 seine Unabhängigkeit erklärte, geschah dies inmitten der Nakba und einer internationalen Krise, die sich aus dem Versagen der internationalen Gemeinschaft bei der Lösung der Palästina-Frage entwickelte. Hunderttausende von palästinensischen Flüchtlingen wurden aus ihren Häusern vertrieben und suchten bis zum Ende des Krieges 1949 Zuflucht in den Nachbarstaaten. Doch in der israelischen Unabhängigkeitserklärung - ein Dokument, das viele israelische Liberale als Beweis für das liberale Ethos des Staates anführen - heißt es, dass Israel bis Oktober 1948 eine Verfassung verabschieden würde. Ein Dreivierteljahrhundert später ist dies immer noch nicht geschehen.

Eine wichtige Rolle spielt dabei das prekäre Verhältnis des neu gegründeten Staates zur internationalen Gemeinschaft. Die internationale Legitimität der Idee eines jüdischen Staates in Palästina hing von der breiten Akzeptanz der UN-Resolution 181 ab, dem Teilungsplan von 1947, der die Aufteilung Palästinas in getrennte jüdische und arabische Staaten in wirtschaftlicher Union vorsah. An Problemen mit dem Plan von 1947 mangelt es nicht, und viele davon führten dazu, dass die Vereinigten Staaten ihre Unterstützung für die Resolution im März 1948 schließlich zurückzogen. Ein wichtiges Element des Plans war jedoch die Verpflichtung der neuen Staaten, eine Verfassung zu verabschieden, die "allen Menschen gleiche und nichtdiskriminierende Rechte in bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und religiösen Angelegenheiten und den Genuss der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Religions-, Sprach-, Rede- und Publikationsfreiheit, der Bildung, der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit" garantiert. Eines der ersten Ziele Israels nach der Unabhängigkeitserklärung war die Aufnahme in die Vereinten Nationen als Mitgliedstaat. Die Verpflichtung zur Verabschiedung einer Verfassung, wie sie in der Resolution 181 gefordert worden war, wurde mit diesem Ziel in die Erklärung aufgenommen.

Doch selbst als sich der israelische Staat durch die Eroberung von Gebieten während des Krieges etablierte, geriet der Prozess der Verabschiedung einer Verfassung ins Stocken - und niemand spielte dabei eine größere Rolle als David Ben Gurion, der die Bemühungen des verfassungsgebenden Ausschusses ablehnte und schließlich Anfang 1949 eine Kampagne gegen eine Verfassung für Israel startete. Für Ben Gurion, der einen Staat leitete, der noch in den Kinderschuhen steckte und vor großen Herausforderungen stand, war die Idee eines obersten Gesetzes, das die Macht des Staates beschränken würde, das Letzte, was der Staat brauchte. Eine der wichtigsten Herausforderungen für den neuen Staat war die Frage der Staatsbürgerschaft. Zu dieser Zeit unternahm der Staat große Anstrengungen, das Land demografisch umzugestalten, indem er einerseits palästinensische Städte und Dörfer entvölkerte und die Rückkehr von Flüchtlingen gewaltsam verhinderte und andererseits einen massiven Zustrom von jüdischen Einwanderern von außerhalb Palästinas ermöglichte. Wie konnte der Staat ein Konzept der Staatsbürgerschaft definieren, das sowohl den in der UN-Resolution festgelegten Grundsätzen der Gleichheit und Nichtdiskriminierung entsprach als auch Juden außerhalb Palästinas privilegierte und Palästinensern, die auf der Flucht waren, das Recht auf Rückkehr verweigerte?

Dieses grundlegende Problem veranlasste Ben Gurion, etwa 18 Entwürfe eines ersten Staatsbürgerschaftsgesetzes abzulehnen, und seine Frustration über solche von außen aufgezwungenen rechtlichen Gleichheitsgrundsätze veranlasste ihn, sich ganz gegen eine Verfassung auszusprechen. In einer großen Rede vor der Knesset im Jahr 1949 sprach sich Ben Gurion gegen eine Verfassung, eine gerichtliche Überprüfung und eine Hierarchie der Gesetze aus. Stattdessen vertrat er die Ansicht, dass der Staat über ein Höchstmaß an Flexibilität verfügen sollte, um die Probleme der Zeit zu bewältigen, und dass die damalige Generation von Gesetzgebern nicht das Recht habe, künftige Gesetzgeber zu binden, die mit anderen Problemen konfrontiert sein könnten. Wenn Israel in eine Verfassungsdebatte hineingezogen würde, so Ben Gurion, würde dies "den wesentlichen Bedürfnissen des Staates schaden: Vorbereitungen für die Alija [jüdische Einwanderung], Besiedlung, Erhöhung des Lebensstandards". Dann fügte er hinzu: "Dies sind meiner Meinung nach die dringendsten Angelegenheiten für die Knesset und den Staat. Die Frage der Verfassung wird uns völlig ablenken."

Letztlich wurde das Rätsel, vor dem Israel in jenen frühen Jahren stand und das aus dem der Idee einer jüdischen Demokratie in Palästina innewohnenden Widerspruch geboren wurde, durch einen Kompromiss "gelöst", der als Harari-Vorschlag bekannt wurde. Der Kompromiss, der nach dem Knessetmitglied Yizhar Harari benannt ist, der ihn vorschlug, erzielte einen Konsens über die Idee, die Grundgesetze stückweise zu verabschieden, anstatt eine ganze Verfassung auszuarbeiten. Dies würde dem Staat die nötige Flexibilität geben, um seine siedlungskoloniale Vision zu verwirklichen, ohne sich mit den Zwängen eines obersten Gesetzes auseinandersetzen zu müssen. Und mit der Zeit, so die Harari-Resolution, könnten die von der Knesset verabschiedeten Grundgesetze zu einer Verfassung zusammengefügt werden. Dies ist bis heute nicht geschehen.

Ben Gurion argumentierte 1949, dass Gesetze mit einer Mehrheit von einer Stimme verabschiedet werden sollten und dass die Gerichte die Legislative in dieser Hinsicht nicht einschränken dürfen. Seine Argumente decken sich mit denen der rechtsextremen israelischen Regierung, die heute eine Justizreform anstrebt, und machen deutlich, dass ihre Agenda nicht darauf abzielt, die Ursprünge des Staates zu ändern, sondern mit ihnen im Einklang zu bleiben.

Die modernen Forderungen des Siedlerkolonialismus

Zu den Befürwortern einer "Justizreform" im heutigen politischen System Israels gehören die am weitesten rechts stehenden Kräfte in der israelischen Politik. Auch wenn Parteien wie der Likud und einige seiner religiös-nationalistischen Verbündeten Ben Gurion nicht als ihren politischen Vorfahren betrachten würden (ihre politische Abstammung geht auf Menachem Begins Herut-Partei zurück, Ben Gurions damaligem Rivalen), argumentieren sie dennoch ähnlich wie Israels erster Premierminister, und zwar aus ähnlichen Gründen.

Die Agenda der derzeitigen Regierung beginnt mit einer einzigen übergreifenden Vision, die die Koalition ursprünglich zusammengebracht hat. Wie Netanjahu es Ende letzten Jahres in einem Tweet ausdrückte: "Das jüdische Volk hat ein exklusives und unbestreitbares Recht auf alle Gebiete des Landes Israel. Die Regierung wird die Besiedlung in allen Teilen des Landes Israel fördern und entwickeln - in Galiläa, dem Negev, dem Golan, Judäa und Samaria."

Israels dienstältester Premierminister, Netanjahu, und sein zweitältester, Ben Gurion, sahen jeweils die Gerichte sowie Gesetze zur Begrenzung der staatlichen Macht als Haupthindernisse für ihre oberste Priorität: den Siedlerkolonialismus. Netanjahus Tweet macht zwar deutlich, dass sich der Umfang des Projekts seit den Tagen Ben Gurions vergrößert hat, doch der Schwerpunkt des Prozesses bleibt derselbe: die Sicherstellung, dass die jüdische Demografie den größtmöglichen Einfluss auf die palästinensische Geografie hat, ohne Rücksicht auf die Menschen- und Bürgerrechte.

Netanjahus Regierung und vor allem die von ihm ermächtigten radikalen Minister wollen die Annexion des Westjordanlands durch Israel, die Beschleunigung der Hauszerstörungen im Gebiet C und weitere barbarische Strafmaßnahmen gegen Palästinenser, die sich mit Waffengewalt gegen die Besatzung wehren, sowie gegen deren Familien. Sie wollen ihr Feuer auch über das Westjordanland hinaus auf palästinensische Bürger Israels richten, und hier könnten die Gerichte ein größeres Hindernis darstellen. Wie der Exekutivdirektor der israelischen Menschenrechtsorganisation B'Tselem, Hagai El-Ad, erklärt hat, hat das israelische Gerichtssystem in den letzten Jahrzehnten zunehmend die Willkür des israelischen Staates im Westjordanland abgesegnet, aber immer noch einen - wenn auch geringen - Widerstand geleistet, wenn es um die andere Seite der Grünen Linie geht.

Während Zehntausende Israelis gegen die Reformen protestieren, die Netanjahus Regierung in der Hoffnung durchsetzen will, "das Wesen" der israelischen Demokratie zu retten, vermeiden sie weitgehend eine Konfrontation mit dem Grundproblem, nämlich dass das Wesen des israelischen Systems darin besteht, den Siedlerkolonialismus über alle liberalen Grundsätze wie Demokratie, Gleichheit oder Menschenrechte zu stellen. Für die Menschen auf den Straßen sieht dies natürlich wie ein Kampf zur Rettung der Demokratie aus. Aber das liegt genau daran, dass nicht diese Menschen die Zielscheibe des israelischen Siedlerkolonialismus sind, sondern sie sind seine Nutznießer. Wie Ahmad Tibi, ein palästinensischer Bürger Israels, der als Abgeordneter fungiert, einmal sagte, ist Israel tatsächlich jüdisch und demokratisch: Es ist demokratisch gegenüber Juden und jüdisch gegenüber Arabern.

Opposition, aber wogegen genau?

Die derzeitige politische Opposition gegen Netanjahu, ein bunt zusammengewürfelter Haufen israelischer politischer Persönlichkeiten, die größtenteils über keine kohärente Ideologie verfügen und in erster Linie durch ihren Wunsch - und ihr wiederholtes Scheitern - verbunden sind, Netanjahu von der Macht zu verdrängen, steht vor ernsten Fragen, wenn sie den Widerstand gegen die Gesetzesreformen steuert, die sie als eine noch nie dagewesene Krise darzustellen versucht. Ist diese lose Gruppe gegen das Siedlerkolonialsystem, das durch diese Rechtsreformen weiter gefördert würde, oder strebt sie einfach eine Rückkehr zum Siedlerkolonialsystem an, allerdings ohne Netanjahu an seiner Spitze?

Bisher deutet alles darauf hin, dass sie den letzteren Weg bevorzugen, und zwar nicht nur, weil sie ihn für politisch zweckmäßig halten, sondern auch, weil sie ideologisch gesehen ebenfalls dem System der jüdischen Privilegien verpflichtet sind. Aber gerade das Festhalten an diesem Privileg hat sie daran gehindert, echte Partnerschaften mit den palästinensischen Bürgern Israels aufzubauen, die tatsächlich die kritische Unterstützung leisten könnten, die nötig wäre, um den politischen Wind zu drehen. Für alle Palästinenser, einschließlich derer mit israelischer Staatsbürgerschaft, besteht wenig Anlass zu versuchen, die israelische Demokratie zu "retten", vor allem weil sie für sie nie existiert hat. Ein politisches System, das so konstruiert ist, dass es für einige, aber nicht für alle demokratisch ist, ist nicht nur keine Demokratie, sondern wird auch denjenigen, die es benachteiligt, nicht rettungswürdig erscheinen.   Quelle

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