Hasbara ist tot
Philip Weiss
Vielleicht war es, als Benjamin Netanyahu sagte, Israel
würde auf die brennenden Papierdrachen aus Gaza mit
"eiserner Faust" antworten. Oder vielleicht, als 13
Senatoren sich behaupteten und von der Israel Lobby eine
Lockerung der Blockade Gazas forderten. Oder vielleicht als
fünf junge amerikanische Jüdinnen ihren Birthright-Trip
verließen und sagten, sie müssten die Besatzung sehen.
Oder
vielleicht, als Alexandria Ocasio-Cortez bei den Vorwahlen
zum Congress der Demokraten in New York sogar gewählt wurde,
nachdem sie Israels Vorgehen in Gaza als "Massaker"
bezeichnete. Oder vielleicht waren es die zwei Minister der
israelischen Regierung, die Erklärungen zur Rechtfertigung
der Deportation einer Amerikanerin abgaben, die den Boykott
gegen Israel unterstützt, wobei einer von ihnen sagte: "Das
ist eine Jüdin, die versuchte diese Tatsache zu mißbrauchen."
Die Hasbara ist gestorben. Die Bemühungen Israels der
Welt seine Aktionen zu erklären – diese Aera ist vorbei.
Israel hat es aufgegeben zu versuchen sich als gerecht
darzustellen. Weil sich die Gerechten selbst ein Bild
gemacht haben; das Massaker in Gaza hat das fertig
gebracht. Und Israel hält sich gar nicht mehr für gerecht.
Nein, seine Erklärungen sind jetzt für den harten Kern
der Unterstützer reserviert. Die Hasbara ist pure Propaganda
und sollte die Basis zusammenscharen. Alle anderen haben
abgeschaltet.
Es
war nicht immer so. Hasbara war ein erfolgreicher
Euphemismus, weil die israelische Propaganda als
übergeordnet behandelt und deshalb von den Mainstream-Medien
und von den amerikanischen Politikern weitgehend übernommen
wurde. Sogar als Teile Europas und die Linke gegen Israel
waren, konnte der jüdische Staat damit rechnen, in den
Vorzimmern der Macht wohlwollend angehört zu werden.
Führende Journalisten wie Jeffrey Goldberg, Tom Friedman,
Wolf Blitzer und Terry Gross freuten sich bei jeder
Kontroverse Wasser auf die israelische Seite zu bringen und
die zu verleumden, die sie infrage stellten, und Dennis Ross
war Tag und Nacht, am Morgen, zu Mittag und am Abend auf
(dem Sender) NPR.
In diesen Tagen halten sich die Cleveren fern. Goldberg
verbrachte am 15. Juni eine gesellige Stunde mit Ben Rhodes
auf Politics&Prose, ohne das Thema Israel/Palästina zu
berühren. "Kein einziger Demokrat hat Israel wegen dem
Gaza-Massaker verteidigt", war eine Überschrift bei
Electronic Intifada.
Trump
gehört dazu. Gemeinsam mit Sheldon Adelsonhat er Israel in
den USA zu einer Sache der Rechtsextremen gemacht und jeden
Autor und Spieler auf der Seite der liberalen Linken
gezwungen ein antirassistisches Programm zu unterstützen, in
dem Israel nur eine Peinlichkeit sein kann. Jeffrey Goldberg
hat jetzt eine Führungsrolle in der Opposition wie der
Herausgeber des Atkantic, weil er sich den Ballast nicht
mehr leisten kann (und seinen Kurs in Richtung
anti-Zionismus nimmt).
Dann ist da, dass Israel die Apartheid angenommen hat und
Massaker seine einzige Antwort auf sein verfassungsmäßiges
Problem, die Palästinenser, ist. Die israelische
Führungsschicht hat keine Vision, und nach vier
Gazamassakern weiß das jeder. Am 4. Juli gab ein Partygast,
der Israel liebte, zu, dass das etwa 30 Jahre her sei.
Netanyahu soll dieselben Zweifel hegen.
Dass Juden sich abwenden, ist natürlich entscheidend.
Juden haben eine privilegierte Stellung im gobalen Diskurs
über Israel, und der jüdische Monolith bröckelt. Die
jungen Juden von IfNotNow führen einen regelrechten Angriff
auf das jüdische Establishment. "Israel hat keine Public
Relations-Krise, es hat eine moralische Krise", sagt
IfNotNow (und zitiert damit Avrum Burg), während ein
jüdischer Führer gegenüber einer Synagoge voll älterer Juden
aufschreit: "Wo sind wir auf Abwege geraten bei uns zu Hause
und in unseren Schulen?"
Rebecca Vilcomerson von der aufstrebenden Gruppe Jewish
Voice for Peace beobachtet, dass jeder in der öffentlichen
Highschool New York ihrer Töchter bis zu Bette Midler eine
offen kritische Haltung zum Massaker hat, sogar als die
Israelis durchwegs dahinter standen, und als die New York
Tines sagte, bei den Protesten in Gaza seien dutzende
Palästinenser "gestorben", hatte Judd Apatov genug.
"Sind gestorben". Schämt euch. Das ist so wie Trumps
Lügen "sachliche Ungenauigkeiten" zu nennen. [...]
Sogar das politische Establishment der Demokraten beginnt
sich von diesem Dreck fernzuhalten. Vilkomerson (zu Real
News):
Ich denke, kein Demokrat außer (Chuck) Schumer verteidigt
Israels Aktionen. Tatsächlich haben etliche, mehr als ein
Dutzend, ihre Meinung zu dem, was Israel in den letzten
sechs Wochen getan hat, geäußert. Und vergleiche das mit
2014 (als Israel mehr als 2200 in Gaza getötet hat, darunter
500 Kinder), als [...] etwa 80 Senatoren eine Erklärung in
Unterstützung des Gazakriegs unterzeichnet haben. Da hat es
demnach eine Änderung im Congress gegeben, wer bereit ist
seine Meinung zu äußern, und wer imstande ist seine Meinung
zu äußern. Und es gibt genug Rückendeckung von ihren eigenen
Wählern, so dass sie von AIPAC oder anderen Organisationen
dafür nicht gestraft werden...
Das bringt die israelische Regierung in eine neue Lage.
Es ist einfach ein anderes rechtslastiges, autoritäres
Land, dessen Geschichte erzählt, warum ein Wandel nicht
notwendig ist, sondern Gewalt - die Talking Heads
(Rockgruppe, Ü.) in den USA ignorieren das oder machen
darüber sie Späße.
Hasbara war immer angewiesen auf eine passive
amerikanische Presse und aktive Fürsprecher für die
israelische Linie, die Sendezeit bekommen hat. Eine
Zeit, in der Michael Oren zu CNN gehen konnte, um zu sagen,
dass die Palästinenser aus Sympathie zum Schein Todesfälle
inszenierten und sogar Atlantic mitzog. Als Abba Eban sagen
konnte, die Palästinenser würden nie eine Gelegenheit
versäumen, um eine Gelegenheit zu versäumen, und die
Palästinenser das durch gutes Verhalten nie widerlegen
konnten. Als Alan Dershowitz Jimmi Carter mit dem Verweis
auf "Auschwitz-Grenzen" verriss und US-Präsidenten über
Israels schmale Taille (schmales Land) sprachen und ein
Historiker das Wort "Pallywood" prägte, und Vorstand Gary
Ginsburg von Time Warner für Netanyahu Reden schrieb, und
Jim Clancy seinen Job bei CNN verloren hat, weil er
pro-Israel-Aktivisten beschuldigte "Hasbara" zu
praktizieren.
Diese Kräftespiele haben sich geändert. Die Verfechter
(Israels) sind immer rechtsextremer geworden, und das
Presscorps nimmt weniger hin. Die New York Times ist
noch an Bord mit ihren Mörder-Streit von Bret Stephens,
Shmuel Rosner und Bari Weiss, aber immer weniger Leute
kaufen Israels Story. Sogar David Brooks bekommt kalte Füße,
wenn er den israelischen "Ethnozentrismus" und
"Rassentrennung" anspricht.
Die Los Angelegs Times hatte kürzlich eine uncharakterische
Schlagzeile über Gesetzgebung mit dem Zweck Israel-Kritik
auf dem Campus einzuschränken. "Es ist genug. Nicht jede
Israel-Kritik ist Antisemitismus", schrieb sie. Die Labour
Party in England hat es auch abgelehnt, einer Definition von
Antisemitismus beizupflichten, die harte Kritik an
Zionismus, Israel und seiner Lobby einbezieht, und die
Episkopalkirche bewegt sich endlich nach Jahren der
Untätigkeit dahingehend, ihre "Komplizenschaft" mit der
Besatzung zu beenden.
Zionismus
wird ein immer problematischeres Brandmal, sogar für
ehemalige liberale Zionisten. Dalia Scheindlin spricht
von einem "konföderativen Staat". Ebenso Bernard Avishai.
Publikationen, die einmal auf Linie lagen, scheinen genug
von dem Mist zu haben, vor allem The New Yorker. Während
andere Autoren einen Gedanken durchaus in Beracht ziehen,
die einen Geistlichen von Yale während des letzten Massakers
den Job gekostet hat: Israel fördert den Antisemitismus.
Tony Klug sagte gegenüber JStreet, Israels Aktionen brächten
das Weltjudentum in eine "prekäre" Lage, und Sarah Helm vom
Guardian und der New York Review of Books schrieb: "Israels
eigene zunehmend schockierende Politik gegenüber den
Palästinensern befeuert den Antisemitismus mehr als alles
andere."
Hasbara ist heute das Revier der Bekehrten (converted):
Rechte sprechen mit den Rechten. Siedler und Autor Yossi
Klein Halevi hielt kürzlich einen von AIPAC gesponserten
Vortrag in einer Synagoge in Connecticut und erwähnte das
Gazamassaker nur einmal und schien durcheinander zu sein:
Vor dem Gewaltausbruch an der Gazagrenze hatte ich eine
Lesereise in amerikanischen Moscheen geplant, und ich weiß
nicht, wie der Stand der Dinge jetzt ist. Das Fieber in der
amerikanischen muslimischen Community ist sehr hoch. Wir
müssen wenigstens ein paar Monate abwarten, dass sich die
Dinge abkühlen, bis ich darauf zurückkommen kann.
Er hofft allerdings noch immer zu ihnen sprechen zu können.
Ich denke nicht, dass die meisten Palästinenser und
Moslems unser Narrativ kennen.
Aber das ist das Problem. Wir alle kennen die Geschichte
jetzt zu gut, und wir haben genug.
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
Dokumentation - Meinungsfreiheit - Lücken - Zensur -
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