'Das ist Apartheid, es gibt
kein besseres Wort dafür': Aufrufe zum Boykott mehren sich
unter Mainstream-Israelis - Allison
Deger - 3. 7.2018 - Ein prominenter israelischer
Wissenschaftler und eine Übersetzerin haben gemeinsam einen
Leitartikel für den Guardian von letzter Woche geschrieben,
in dem sie die internationale Gemeinschaft aufrufen für die
Palästinenser zu intervenieren, bevor die Zeit dafür
ausläuft. Die beiden, der Vizepräsident der israelischen
Akademie für Natur- und Geisteswissenschaften David Harel,
und die Übersetzerin Ilana Hammerman haben eine
Anziehungskraft nicht nur aufgrund dessen, was sie
schreiben, sondern was sie sind: sie sind keine am Rand
stehenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, sie sind
keine Boykott- bzw. BDS-Aktivisten, und sie sind keine
anti-Zionisten. Sie sind etablierte Experten mit einem
Mainstream-Werdegang und renommiert in Kunst- und
Wissenschafts-Kreisen. Und sie fürchten: "Der Staat Israel
steht vor einer katastrophalen Situation, die alarmierend
bald zu einem extensiven Blutvergießen führen kann."
Aus ihrem Leitartikel: "Wir vertreten eine Gruppe
intellektueller und kulturschaffender Persönlichkeiten aus
der Mitte der israelischen Gesellschaft, von denen einige
auf ihrem Gebiet weltbekannt sind. Wir sind patriotische
israelische Bürger, die ihr Land lieben und unermüdlich
ihren Beitrag zur israelischen Wissenschaft und Kultur
leisten, auch weltweit. Wir beabsichtigen hierzubleiben und
weiterhin unseren Beitrag zu leisten, aber wir sind über die
Situation entsetzt und fürchten zutiefst um unser Leben und
das unserer Nachkommen und für das Leben von 13 Millionen
Juden und Araber, die hier leben und kein anderes Heimatland
haben."
Sogar die palästinensische Regierung hat die Geschichte
aufgegriffen und den Leitartikel auf die Facebookseite der
PLO mit diesem Auszug, der den Artikel abschließt, gepostet:
"... wenn in diesem Teil der Welt nicht sehr bald Frieden
geschaffen wird, einem Gebiet, das zu einer Zeitbombe von
nationalen und religiösen Spannungen geworden ist, wird es
keine Zukunft und kein Leben für uns oder die Palästinenser
geben."
Harel und Hammerman behaupten, dass die Missstände (abuses)
der Besatzung aufgrund (von Entscheidungen) israelischer
Gerichte mehr oder weniger legal sind. Die Zeit Israel zu
retten ist für die Israelis vorbei. Sie erklären im
Guardian, dass es die internationale Gemeinschaft ist, die
zugunsten der Palästinenser eingreifen muss, um die Zukunft
sowohl für die Israelis als auch die Palästinenser zu
sichern.
In einem späteren Interview mit dem Green Planet Monitor
geht Harel näher auf das ein, was er und Hammerman mit einer
internationalen Intervention meinten, und sie haben sich
ganz klar ausgedrückt: "Das ist Apartheid, es gibt kein
besseres Wort dafür", sagte Harel. Er wünscht Boykott. Er
wünscht strategische und begrenzte Kampagnen. Mit Blick auf
die jüngste Absage eines freundlichen Fußballspiels zwischen
Argentinien und Israel sagte Harel dem Monitor: "Die Wirkung
der Absage, die relativ kleine Angelegenheit eines
Fußballspiels, war nicht zu glauben."
Harel argumentiert, dass, wenn die Israelis dazu gebracht
werden können eine gewisse Bestrafung zu spüren, können sie
verstehen, dass die Besatzung ein Problem ist, und eines,
das sie teuer zu stehen kommen wird. Bereits jetzt, sagt er,
gebe es nichts (mehr) in der derzeitigen
Trump-Netanyahu-Landschaft, das anzeigt, dass Israel seinen
Kurs ändern muss. Er führte aus, dass "sorgfältiger Druck" (careful
pressure) israelische Bürger und die Regierung dazu bringen
wird, die Angelegenheit "neu zu überdenken".
"Ich habe immer gesagt, (allerdings) nur halb im Scherz,
dass, wenn die USA ihre finanzielle Unterstützung für Israel
um sagen wir 30 (%) kürzen würde, das würde etwas bewirken,
es würde die Bürger in Israel dazu bringen zu denken: 'Hey,
was ist hier los? Machen wir etwas falsch?'...
Denn gerade jetzt, wo alles gut geht, wir haben
Fußballspiele, Fernsehen, Backwettbewerbe, und unsere Kultur
und Wissenschaften geben der Wirtschaft Schwung, und die
Amerikaner geben uns das Geld, das wir brauchen, wir haben
eine große, starke Armee, weshalb soll dann ein
durchschnittlicher Israeli spüren, dass hier etwas falsch
läuft?
Die meisten Israel wissen gar nicht, was in der Westbank
geschieht."
Während der Plan nach etwas ganz Schrecklichem klingt wie
der BDS-Bewegung, sieht Harel seinen Aufruf als allein
stehend. Aber abgesehen vom Ansehen dessen, der diesen
Aufruf macht – eine Mainstream-Persönlichkeit in diesem Fall
- , ist es nicht ganz klar, wie sich Harels Aktivismus von
dem führenden palästinensischen Kritiker und
Boykottaktivisten Omar Barghouti unterscheidet.
Als er ganz offen zur Aufgabe der Zwei-Staaten-Lösung und
die Unterstützung eines einzigen demokratischen Staates für
Israelis und Palästinenser, die von der Linken am häufigsten
zitierte Lösung gefragt wurde, die aber von den Fraktionen
der Mitte verspottet oder ignoriert wird, wärmte sich Harel
für diese Idee. Gleichzeitig warnte er, dass die Israelis
dagegen sind in einer Art bi-nationalem Staat zu leben, aber
die Idee (Meinung) ist ein "Ich bin nicht total dagegen",
sagte er.
"Meine Antwort ist, wenn dies eine machbare Lösung ist
und man eine israelische Regierung und eine palästinensische
Führerschicht findet, die einer solchen Lösung zustimmt,
schön. Ich bin bereit in Kanada mit englisch und französisch
sprechenden Menschen zusammen zu leben. Es ist natürlich
nicht dasselbe, aber wenn es eine utopische Möglichkeit für
dieses ganze Gebiet gibt, einschließlich der Westbank, Gaza
und den Golan Höhen, in einem Land zu sein, einem Staat,
eine Regierung und all die Menschen, die da leben,
gleichberechtigte Bürger sind, mit den gleichen
Stimmrechten, finde ich das okay."
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
(Anmerkung: vergisst Harel, dass die Golan Höhen seit
1967 von Israel besetzt, aber syrisches Gebiet sind?)
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