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Analyse:
Weshalb der jüngste palästinensische
Attentäter nicht abgeschreckt wurde
-
Amira Hass -
09.01.2017 -
Ob Fadi
al-Qanbar die Auffahr-Attacke von Sonntag in
Jerusalem geplant hat oder es eine spontane
Entscheidung war, er wußte genau, welche
Kollektivstrafe seiner Familie bevorstand.
Er wußte, dass seine Leiche der Familie
nicht für eine Bestattung zurückgegeben
würde – ein besonders demütigender und
schmerzlicher Schlag. Er wußte, dass seine
Angehörigen sofort verhaftet und in der Haft
geschlagen würden. Dass einige von ihnen von
ihrem Job im Westjordanland gefeuert würden.
Und dass weibliche Familienangehörige ohne
israelische ID-Karte, die mit Bewohnern von
Jerusalem (mit Residenzerlaubnis)
verheiratet sind, von ihrem Heim vertrieben
und von ihren Kindern getrennt werden
können.
Er wußte, dass seine Familie über Monate,
vielleicht Jahre von Polizei und staatlichen
Behörden schikaniert würden. Er wußte, dass
das Heim seiner Familie zerstört werden
würde. Genau so ist es anderen
palästinensischen Angreifern in
Ost-Jerusalem ergangen. .. Allein in seinem
Wohnviertel Jabal Mukkaber hat Israel in den
letzten sechs Monaten von 2015 drei Häuser
zerstört und zwei weitere versiegelt. Sie
alle gehörten zu Familien von Terroristen.
"Versiegeln" bedeutet, dass in das Heim bis
wenige Zentimeter unter der Decke Beton
gegossen wird... Die Tatsache, dass Eltern,
Kinder, Großeltern, Nichten und Neffen, die
ihr Heim verlieren, nichts mit dem Attentat
zu tun haben, ist irrelevant.
Israel und die Justiz des Obersten
Gerichtshofs sehen die (Haus)zerstörung als
legitime Bestrafung und effektive
Abschreckung derer, die einen Terroranschlag
in Betracht ziehen. Was schwerer wiegt,
Qanbar wußte sicher, dass seine Kinder nicht
nur ihren Vaters verlieren würden, sondern
auch entweder gewalttätig werden oder sich
zurückziehen würden – und wenn sie im
Schulalter sind, ihre Schulnoten leiden
würden, ebenso wie ihre Gesundheit. Aber das
hat ihn nicht abgeschreckt...
Eine Gruppe uniformierter Soldaten ist für
keinen Palästinenser ein neutraler Anblick.
Es ist das Aussehen und die Bekleidung
derer, die jede Nacht in dutzende
palästinensische Häuser eindringen, die an
den Checkpoints Frauen und Kinder
erschießen, die zum Angriff auf den
Gazastreifen geschickt werden, die
Mitglieder (eig. forces) der Zivilverwaltung
zur Zerstörung von Wasserzisternen,
Mobiltoiletten, Blechhütten und Zelten
begleiten. Dass die Israelis diese Fakten
von ihrer Agenda gestrichen haben, bedeutet
nicht, dass sie nicht existieren.
Israel wird ohne Zweifel sagen, dass die
Zahl der palästinensischen Angreifer ohne
die Abschreckungsmethoden höher wäre. Oder
im Gegenteil – dass man härter durchgreifen
müsste. Die Palästinenser sehen allerdings
die israelischen Vergeltungsmaßnahmen als
normalen Teil der generellen Politik ihnen
gegenüber, nicht als eine Reaktion...
Mit oder ohne tödliche Anschläge erweitert
(Israel) seine Siedlungen, stranguliert die
palästinensische Wirtschaft und plant die
Vertreibung von Palästinensern aus
Ortsteilen und Häusern in Jerusalem...
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer |